Schiefergas im Weinviertel. Ein Gespräch mit Menschen, die Angst und Bedenken haben und mit jenem Mann, der für sein „sicheres“ Patent wirbt. Obwohl es manche fordern – Gas kann nicht die Lösung sein Johann Kleibl Bürgerinitiative Poysdorf
Fast verhindert das Ringelspiel der Gedanken, die korrekte Ausfahrt im Kreisverkehr zu treffen. Poysdorf kommt näher. Die Weinstadt, ein als werbewirksam erachtetes Lockangebot, ein Wort, das Gemütlichkeit verspricht, die seit zehn Jahren empfindlich gestört ist.
„Nicht schon wieder“, sagt Bürgermeister Josef Fürst. Schon wieder taucht das heiß umstrittene Thema auf – „Fracking“.
Der Dauerbrenner vom aus Schiefersteinblasen gezogenen Gas, das in rauen Mengen in den Tiefen des Weinviertels schlummern soll. Gewonnen durch eine mit extrem hohem Druck (bis 1.200 bar), vier bis acht Kilometer weit ins Erdreich senkrecht und waagrecht gepresste Flüssigkeit, die – wie der als revolutionär angepriesene österreichische Weg verspricht – weitgehend ohne giftige Zusätze auskommt (siehe Grafik). Propagiert und als Patent angemeldet wurde das Verfahren vor Jahren von Herbert Hofstätter, Professor an der Montanuni in Leoben. Er lege seine Hand ins Feuer für die Harmlosigkeit seiner Zutaten. Kaliumkarbonat werde beispielsweise auch in der Landwirtschaft im Düngemittel verwendet. Und der mediale Jubelchor preist den „Gasschatz“, der – einer unbewiesenen Annahme zufolge – ganz Österreich in den nächsten 30 Jahren unabhängig machen soll. Selbst Hofstätter spricht „von einer vagen Ahnung.“
Ein Auslöser war, dass Finanzminister Magnus Brunner alle Strategien der Gasversorgung prüfen lassen will. Man arbeite schon mit Hochdruck daran, lässt die beauftragte Staatsholding ÖBAG wissen. Fracking ist Teil davon.
Ausflüchte
Jedenfalls bleibt hierzulande ein Argument nicht ohne Wirkung: Gasgewinnung aus Niederösterreich könnte Putins Erpressungspolitik beenden. Ein als fossile Brückentechnologie verkaufter Tritt gegen die Nachhaltigkeit zwar, der sich aber in Zeiten allgemeiner Verunsicherung nicht nur gut verkaufen lässt, sondern für Vertreter der Industrie als willkommenes Lösungsmittel gegen die drohende, von Gasknappheit verursachte Arbeitslosigkeit herhält. Constantin Zerger, Energie- und Klimaschutzexperte der Deutschen Umwelthilfe (DUH), erkennt eine gefährliche Entwicklung in ganz Europa: „In der aktuellen Situation ist dieser Mechanismus leicht durchschaubar. Fracking ist plötzlich in vielen Ländern wieder ein Thema, wie die Aufhebung des Verbots in Großbritannien beweist. “
Geschlossenheit
Dennoch: Die regionale Politik zeigt geschlossen Gegenwehr. Das Statement von Poysdorfs Bürgermeister Fürst klingt nicht nach Stimmenfang, eher nach persönlicher Überzeugung: „Besser man verwendet das Geld für die Gewinnung erneuerbarer Energien. Diesbezüglich sind wir auf einem richtigen Weg“, sagt er.
Im nahen Herrnbaumgarten beschließen die Gemeinderäte vor ein paar Tagen das gemeinsame Nein zur Schiefergasgewinnung. Für Ortschef Christian Frank ist es ohnehin unvorstellbar, dass das Projekt die Umweltverträglichkeitsprüfung übersteht. Außerdem benötige es die Errichtung „schwerer Industrie“, große Grundstücksflächen und damit massive gesetzliche Eingriffe.
Die OMV sprach bei der Projektvorstellung 2012 von 30.000 Flächenbedarf. Pro Bohrplatz. Auch neue Straßen und ein überirdisches Netz von Pipelines werden die Landschaft verändern. Doch glaubt man den Bekenntnissen von Konzern-Chef Alfred Stern, bleibt der Schiefergestein-Plan dort, wohin er 2012 verschwunden ist: in der Rundablage. Als zu teuer und zu langwierig befunden, untauglich, um rasche Abhilfe zu erzielen.
Professor Hofstätter, bestätigt: „Wo ein Bohrloch besteht, würde es bis zu einem Jahr dauern, auf unberührtem Gelände wohl zumindest fünf Jahre.“ Zu lange? Man habe ja zehn Jahre zuvor auch nichts gemacht, lautet die Antwort.
Für die Gegner ein Schuss – vorbei am Klimaziel. Trinkwasserverunreinigung, Wasserverbrauch in einer ohnehin trockenen Gegend (die Schätzungen reichen von 10 bis 22 Millionen Liter pro Bohrung), Erdbebengefahr, Methangas-Emissionen, erhöhtes Schwerverkehrsaufkommen, die Liste der Ängste ist lang, jene der beruhigenden Erfahrungsberichte kurz. Nicht einfach ist es, neutrale Fachleute zu finden.
Kritik & Skepsis
Johann Kleibl ist zum Gesicht der Poysdorfer Bürgerinitiative gegen das Fracking im Weinviertel geworden. An seinem Küchentisch wird die Sicht der Dinge dargelegt. Selten emotionsgeladen, zumeist von Informationen belegt, die Kleibls Mitstreiter seit Monaten sammelt. Es fehlt der Glaube an das fossile Comeback, auch das Vertrauen in die Wundertüte aus Leoben. Sie sagen, dass entnommene Proben aus konventionellen Bohrlöchern im Jahr 2017 keine effizienten Ergebnisse vermuten lassen. Auch die Zusammensetzung das lediglich in Laborversuchen getestete Bio-Frackingfluid erziele nicht die erwünschte Wirkung. Problematisch sei weiters das Recycling des sogenannten Lagerstättenwassers.
Und sie stellen die doch logische Frage: „Warum wurde das Patent des Professors nicht schon längst von anderen Firmen übernommen?“
Hofstätter erklärt, niedrige Gaspreise hätten in den vergangenen Jahren die Nachfrage vermindert. Jetzt gebe es aber Interessenten, die sein Konzept in Labors im großen Stil nachgestellt hätten. Ob’s im Weinviertel zur Anwendung kommt? Hofstätter ist ehrlich und skeptisch zugleich, verweist auf die Signale aus der OMV: „Nach der derzeitigen Strategie glaub’ ich nicht daran.“
Sie werden es mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen – die Herren am Küchentisch im Haus in Poysdorf.
„Auch wenn es sich ab und zu wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühlt, wir müssen die Bevölkerung aufklären“
von Johann Kleibl, Bürgerinitiative Poysdorf
Kurier