Regierung besteuert Zufallsgewinne, „zu wenig“ für Kritiker

18. November 2022, Wien
Werner Kogler undMagnus Brunner bei der Vorstellung der Pläne - Wien, APA/TOBIAS STEINMAURER

Die Regierung hat heute, Freitag, eine Gewinnabschöpfung für Öl- und Gasfirmen und eine Erlösobergrenze für Stromerzeuger vorgeschlagen. „Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Der Opposition, den Arbeitnehmervertretungen und den Umweltschutzverbänden gehen die Maßnahmen allerdings nicht weit genug: Die Höhe der Besteuerung sei zu niedrig und der Geltungszeitraum zu kurz.

Mit der Maßnahme sollen zwei bis vier Milliarden Euro an Einnahmen generiert werden, mit denen Unterstützungen für Haushalte und Firmen finanziert werden sollen.

Europa befinde sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine in einem „Energiekrieg“, sagte Kogler. Das führe zu Verknappungen und höheren Preisen. „Das lässt die Kassen bei den einen klingeln, und die anderen bezahlen, in einem Ausmaß, das nicht mehr hinnehmbar ist“, so der Vizekanzler.

„Es ist ein Faktum, dass sehr viele Firmen im Energiebereich jetzt durch Zufall sehr gute Geschäfte machen mit den steigenden Energiepreisen, während diese für Betriebe und die Menschen insgesamt zu einer Belastung geworden sind“, sagte Brunner. Deshalb sei es in der aktuellen Situation eine Frage der Fairness, dass der Staat eingreift, so der Finanzminister.

Für den Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK) ist die Regierung in der Umsetzung der EU-Verordnung „deutlich unter ihren Möglichkeiten“ geblieben. Notwendig sei eine Ausweitung der Besteuerung auf den gesamten Energiesektor, eine Erfassung der gesamten Übergewinne 2022, 2023 und 2024 und ein höheres effektives Besteuerungsniveau.

Der SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried kritisierte den Vorschlag als „reines Übergewinngeschenk“ für Energieunternehmen. Leichtfried forderte stattdessen die Abschöpfung „sämtlicher“ Übergewinne. Laut der FPÖ-Chef Herbert Kickl profitiert mit der Maßnahme „ein Krisengewinnler vom anderen“. Er verwies dabei auf das Finanzministerium, das die Gewinnabschöpfung einhebt. Für die Neos sind nach dem Vorschlag „noch viele Fragen offen“.

Auch die Umweltschützer Greenpeace und Fridays For Future (FFF) bemängelten die Höhe und den Geltungszeitraum der Maßnahmen und forderten eine „vollständige Abschöpfung der Übergewinne“. FFF kündigte einen österreichweiten Streik für den 26. November an. Der WWF forderte unterdessen eine Zweckwidmung von „zumindest zehn Prozent der Übergewinne der Energieversorger für den Natur- und Biodiversitätsschutz“.

Bei Öl- und Gasfirmen soll ein Teil des Gewinns abgeschöpft werden, bei Stromerzeugern werden die Erlöse gedeckelt. Konkret soll bei Öl- und Gasfirmen der Durchschnittsgewinn der vier Jahre 2018 bis 2021 als Basis genommen werden. Liegt der aktuelle Gewinn um mehr als 20 Prozent über diesem Durchschnitt, so sollen 40 Prozent davon abgeschöpft werden. Da aber zugleich die Körperschaftssteuer auf diesen Gewinn weiter fällig wird, kommt es letztlich zu einer Abgabe von 65 Prozent dieser Gewinne, erläuterte Kogler. Falls aber Firmen nachweisen können, dass sie in erneuerbare Energie investieren, sinkt die Abschöpfung von 40 auf 33 Prozent.

Betroffen seien hier etwa die OMV oder das Gasspeicherunternehmen RAG, erklärte der Finanzminister. Unternehmen, die im Handel mit fossilen Energieträgern tätig sind, etwa Tankstellen, seien hingegen nicht erfasst, sagte Kogler.

Bei stromerzeugenden Firmen wiederum soll der Erlös mit 180 Euro pro MWh gedeckelt werden. Dieser maximale Erlös sinkt auf 140 Euro/MWh, wenn keine Investitionen in erneuerbare Energien nachgewiesen werden können. Abgeschöpft werden dann 90 Prozent des Erlöses, der 180 bzw. 140 Euro übersteigt. Betroffen sind Betreiber einer Erzeugungsanlage (Kraftwerk, Windpark, PV-Anlage etc.) ab einer installierten Leistung von über 1 Megawatt. Firmen, die lediglich mit Strom handeln, sind von der Maßnahme nicht betroffen, da hier in der Regel auch teurer eingekauft wird und deshalb keine „Zufallsgewinne“ entstehen, so das Finanzministerium.

Welche Stromerzeuger konkret zur Kasse gebeten werden, sagten die Politiker auf Nachfrage nicht: „Man hat natürlich eine Einschätzung, dass die Energieversorger, die geläufig sind, natürlich betroffen sind“, sagte Brunner. Zu diesen geläufigen Stromerzeugern dürften unter anderem etwa Verbund, EVN und Wien Energie zählen.

Die Maßnahmen sind bis Ende 2023 befristet und gelten für die Gewinnabschöpfung bei fossilen Unternehmen rückwirkend ab 1. Juli, für die Obergrenze bei Stromerzeugern ab 1. Dezember 2022. Basis dafür sind EU-Bestimmungen.

APA

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