U-Kommission zu Wien Energie startet

2. Dezember 2022, Wien
Milliardenunterstützung für Wien Energie wird unter die Lupe genommen - Wien, APA/THEMENBILD

Im Wiener Rathaus hat heute, Freitag, die konstituierende Sitzung der gemeinderätlichen Untersuchungskommission zur Wien Energie begonnen. Die Kommission soll die Vorgänge rund um die von Stadt und Bund gewährte Milliardenunterstützung für den Energieversorger unter die Lupe nehmen. Der Antrag zur Einsetzung kam von ÖVP und FPÖ.

Das Gremium, in dem alle Gemeinderatsfraktionen vertreten sind, wird zumindest ein Jahr lang die Vorgänge untersuchen. Die Wien Energie musste für den Börsenhandel mit Strom und Gas infolge der Preissprünge hohe Sicherheitsleistungen hinterlegen und konnte diese ab dem Sommer nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen.

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte deshalb ab Juli per Notkompetenz insgesamt 1,4 Mrd. Euro bereitgestellt. Der Liquiditätsengpass und die Notkredite des Bürgermeisters wurden Ende August publik, als auch diese 1,4 Mrd. Euro knapp wurden. In der Folge gewährte der Bund über die Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA) weitere 2 Mrd. Euro.

Am heutigen ersten Sitzungstag wurden noch keine Zeugen vernommen, sondern lediglich die Verfahrensabläufe besprochen bzw. Beweisanträge behandelt. Beschlossen wurde dabei etwa die Einvernahme Ludwigs. Auch Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) sowie Spitzenmanager der Wien Energie und der Stadtwerke bzw. Rathaus-Mitarbeiter werden erwartungsgemäß Rede und Antwort stehen müssen.

Da der Untersuchungszeitraum sich nicht nur über die dramatischen Wochen im Sommer erstreckt, sondern auch die Gebarung des Versorgers bzw. das Handeln der politischen Verantwortlichen in den vergangenen Jahren umfasst, kommt es auch zu einem Wiedersehen unter anderem mit dem früheren Bürgermeister Michael Häupl und der ehemaligen Finanzstadträtin Renate Brauner (beide SPÖ). Auch sie werden als Zeugen geladen.

Diskutiert und abgestimmt wurden heute auch zahlreiche Anträge auf Vorlage von Unterlagen und Dokumenten. Hier waren sich die Fraktionen großteils einig, wenn auch nicht immer. So wurden etwa Protokolle der internen Revision von SPÖ und NEOS als problematisch eingestuft, da Betriebsgeheimnisse dort zu finden sein könnten.

Über derartige Anträge muss nun das Schiedsgremium, das aus den drei Vorsitzenden der UK besteht, entscheiden. Auch die Ladung der Chefs von Stadtwerkeunternehmen wie die Wiener Linien – die auf Antrag der Opposition zum Cash-Pooling im Konzern Auskunft geben sollten – wird entsprechend geprüft.

Den Vorsitz der Kommission hat Martin Pühringer inne. Er ist Richter am Verwaltungsgericht. Sein erster Stellvertreter ist der ehemalige Präsident des Arbeits- und Sozialgerichts, Einar Sladecek, die zweite Stellvertreterin ist die OLG-Senatspräsidentin Regine Jesionek. Die Vorsitzenden leiten das Verfahren, dürfen aber die Ergebnisse nicht politisch oder rechtlich bewerten.

Bei der Beurteilung von Beweisanträgen kommt ihnen aber eine wichtige Rolle zu. Hier wurde es heute auch deswegen spannend, weil die ÖVP Einblick in interne Kommunikationsabläufe begehrt. Gewünscht werden etwa E-Mails, Kalendereinträge, Anruflisten oder auch Chat-Protokolle auf dem Diensthandy von Bürgermeister Ludwig oder Stadtrat Hanke – sofern sie den Untersuchungsgegenstand betreffen.

Der Vorsitzende ersuchte heute um mehr Zeit, hier eine rechtliche Prüfung vorzunehmen. Die Anträge kamen deshalb nicht zur Abstimmung. Es könnte sich auch um einen Grundrechtseingriff handeln, gab er zu bedenken. Wie dies rechtlich zu bewerten sei, sei vorerst noch offen. Auch stellte er die Frage, wie zum Beispiel Anruflisten beschafft werden könnten – also ob man etwa den Bürgermeister auffordern möchte, diese zu liefern, oder ob die Staatsanwaltschaft oder die Polizei damit befasst werden solle.

Er wolle verhindern, dass man Anträge beschließe und dann nicht wisse, wie man zu den entsprechenden Unterlagen komme, sagte der Vorsitzende. Die entsprechenden Beweiswünsche werden somit wohl erst in der nächsten Sitzung abgestimmt. Diese ist für den 16. Dezember anberaumt.

An diesem Tag werden auch die ersten Gäste in der U-Kommission befragt. Es sind dies Auskunftspersonen, die dem Gremium generell über die Situation auf den Energiemärkten berichten sollen. Dazu wurde die Ladung von Ex-Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber, Energieanalyst Johannes Benigni oder Michael Böheim vom Wifo beschlossen.

Die Chefs der einzelnen Fraktionen in der U-Kommission erhielten heute zum Auftakt der Sitzung Gelegenheit für kurze Statements. ÖVP-Fraktions-und Klubchef Markus Wölbitsch betonte, dass man herausfinden wolle, wie es sein könne, dass die Wien Energie „von heute auf morgen“ Milliarden benötige, um nicht in die Pleite zu schlittern. Auch die Frage der Notkompetenz solle erörtert werden. Der Vertreter der FPÖ, Klubobmann Maximilian Krauss, hielt fest, dass auch das Thema Versorgungssicherheit besprochen werden solle.

SPÖ-Fraktionschef Thomas Reindl erläuterte, dass die Wien Energie wie andere Versorger in Europa auch von den Folgen der Coronapandemie und des Überfallskriegs auf die Ukraine betroffen gewesen sei. Der Bürgermeister habe „verantwortungsvoll und entschlossen“ das Schlimmste verhindert. Das sah Grün-Mandatar David Ellensohn anders. Ludwig habe nicht umsichtig agiert, sondern gezockt, bekrittelte der Klubvorsitzende.

Auch der Vertreter der NEOS, Stefan Gara, verhehlte nicht, dass seine Partei mit dem Krisenmanagement und der Vorgangsweise in Sachen Wien Energie nicht zufrieden gewesen ist. Er wolle jedoch keine Vorverurteilung vornehmen, sondern transparent aufklären, versichert er.

APA

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