Ex-OMV-Chef Roiss: Gas-Handelstochter der OMV verstaatlichen

6. Dezember 2022, Wien
Der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss - Wien, APA/HELMUT FOHRINGER

Der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss hat sich dafür ausgesprochen, die OMV-Gashandelstochter OGMT vorübergehend, „für zwei, drei, vier Jahre“ zu verstaatlichen. Der Staat würde dann das Risiko der Mengenbeschaffung und das Preisrisiko tragen, danach könnte man das Unternehmen wieder privatisieren, sagte Roiss im ORF-„Mittagsjournal“ und den „OÖ Nachrichten“. Zuvor hatte OMV-Chef Alfred Stern gegenüber „Kurier“ und „Presse“ eine Verstaatlichung als Möglichkeit genannt.

Stern hatte im „Kurier“ und in der „Presse“ argumentiert, dass die OMV die Gasversorgung von ganz Österreich nicht alleine abdecken könne und auch keinen Versorgungsauftrag habe. „Dafür braucht es eine nationale Gashandelsfirma, die alle Marktaktivitäten bündelt“, wurde der OMV-Chef zitiert. Demnach könnte OMV Gas Marketing & Trading aus dem Konzern herausgelöst und an den Staat abgetreten werden.

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) reagierte zurückhaltend auf Sterns Aussagen. Er werde sich in operative Angelegenheiten der OMV nicht einmischen, sagte Brunner am Dienstag zur APA und verwies auf die staatliche Beteiligungsholding ÖBAG. Die will aber eine noch laufende Analyse abwarten, bei der auch eine Übernahme der Verantwortung durch die Republik geprüft werde. „Das ist ein Vorschlag, den ich gelesen habe von der OMV“, sagte Brunner. „Ich glaube, in operative Angelegenheiten werde ich mich nicht einmischen. Das ist Aufgabe der ÖBAG, unserer Beteiligungsgesellschaft. Klar ist, dass es einen Auftrag an die ÖBAG von mir gibt, vor ein paar Wochen ausgesprochen, um zu schauen, wie man Versorgungssicherheit organisieren kann, wir sind gut gerüstet für diesen Winter, aber es geht um den nächsten und um den übernächsten Winter und hier werden wir uns die Vorschläge, die uns die ÖBAG präsentieren wird, entsprechend anschauen und diskutieren.“

SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll holte die Bundesregierung und Finanzminister Brunner ins Boot: „Es ist Aufgabe der Regierung, einen nachhaltigen Plan vorzulegen, wie die Versorgung mit Gas mittel- und langfristig abgesichert und gleichzeitig die Abhängigkeit von russischem Gas minimiert werden kann“, forderte der Oppositionspolitiker. „Dieser Aufgabe sind ÖVP und Grüne bisher eindeutig zu wenig bis gar nicht nachgekommen.“ Vielmehr würde die Bevölkerung nicht zuletzt mit „Show-Reisen nach Abu Dhabi“ beschwichtigt. „Die Aussage von Minister Brunner, sich als Eigentümervertreter der Republik bei geplanten Projekten der OMV nicht einzumischen, ist jedenfalls fehl am Platz“, so Scholl.

Gar nichts von Sterns Idee einer OGMT-Verstaatlichung hält Niederösterreichs LH-Stellvertreter und Bauernbund-Obmann Stephan Pernkopf (ÖVP). „Ich bin zu dem Thema als Energielandesrat hellhörig geworden“, sagte Pernkopf, der sich wiederholt auch vehement gegen den geplanten Verkauf der Düngemittel-Sparte der OMV-Tochter Borealis an den tschechischen Agrofert-Konzern ausgesprochen hat.

Stern habe mit seiner Aussage die Gesamtverstaatlichung der OMV in den Raum gestellt, meint Pernkopf. „Weil eines wird natürlich nicht funktionieren: Quasi das schlechte Geschäft auf Kosten der Steuerzahler zu verstaatlichen und die Gewinne zu privatisieren. Das werden wir so nicht zulassen können, das müssen die Bundesregierung und das Parlament aufwachen. Der Finanzminister muss hier handeln, der kann sich das nicht von einem Manager ausrichten lassen.“

Stattdessen sollte die OMV einen Versorgungsauftrag erhalten, so Pernkopf. Ähnliche Versorgungsaufträge hätten auch der Verbund und die Post. „Das heißt, die OMV hat einfach die Versorgung Österreichs mit Gas, Heizöl, Benzin und Diesel sicherzustellen. Dann wissen die Aktionäre, woran sie sind: Dass die Versorgungssicherheit Auftrag Nummer 1 ist und nicht die Gewinnmaximierung. Da gibt es kein Gegenargument, das funktioniert auch bei Post und Verbund.“

Tatsächlich hatte der Verbund vor der Liberalisierung des Strommarktes einen gesetzlich definierten Versorgungsauftrag (Verstaatlichungsgesetz 1957), er musste also zu jeder Zeit den Ausgleich zwischen Stromaufbringung und Verbrauch in Österreich sicherstellen. Mit der vollständigen Liberalisierung des österreichischen Strommarkts im Oktober 2001 wurde diese gesetzliche Verpflichtung auf den Bereich des Hochspannungsnetzes reduziert. Er muss also in erster Linie allen Marktteilnehmern ein leistungsfähiges und zuverlässiges Hochspannungsnetz zur Verfügung stellen – Betreiber des Übertragungsnetzes in Österreich ist die 100-prozentige Verbund-Tochter Austrian Power Grid AG (APG).

Für die Post gibt es keinen direkten staatlichen Versorgungsauftrag, aber eine Universaldienstverordnung. Dort ist etwa festgeschrieben, welche Briefe bis zu welchem Gewicht der Universaldienstleister zur Beförderung annehmen und wie viele Geschäftsstellen er anbieten muss. Der Universaldienstleister müsse nicht zwingend die Post sein, erklärte ein Sprecher der APA. Das werde alle paar Jahre überprüft und theoretisch könnte der Versorgungsauftrag auch neu ausgeschrieben werden.

Roiss wies darauf hin, dass ein staatlicher Versorgungsauftrag an die OMV problematisch wäre. „Würde die Regierung einen Versorgungsauftrag erteilen, hätte sie ein Problem mit den restlichen 68,5 Prozent der Aktionäre, den Kartellbehörden und der EU“, sagte Roiss im Gespräch mit den „OÖ Nachrichten“. Viel einfacher wäre es, die Gashandelsaktivitäten der OMV auszugliedern und temporär zu verstaatlichen.

NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer begrüßt den Vorschlag von OMV-Chef Alfred Stern, eine zentrale Stelle für die Versorgung Österreichs mit Gas auch für den nächsten Winter zu schaffen. „Wir NEOS fordern das bereits seit Monaten, um die Versorgungssicherheit, die bis heute am seidenen Faden hängt, gewährleisten zu können“, sagte Doppelbauer laut Aussendung. Doch die Bundesregierung habe bisher keinen Plan auf den Tisch gelegt, wie es im kommenden Jahr weitergehen soll. Stern agiere aber nicht ganz uneigennützig, meint Doppelbauer, denn die OMV trage weiterhin ein großes wirtschaftliches Risiko mit den russischen „Take or pay“-Verträgen. „Dieses Risiko darf auf keinen Fall auf die Republik – und somit auf alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – übertragen werden.“

APA

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