100 Windräder bis 2030, so lautet die Parole der Neos mit ihrer Klimakampagne. Wie viel kann sich in sechs Jahren drehen? Ein SN-Faktencheck.
Klimaschutz heften sich alle Parteien mittlerweile auf die Fahnen. Auch die Neos haben vor wenigen Wochen eine entsprechende Kampagne gestartet – mit Seitenhieb auf den Koalitionspartner, die Grünen. Denn man habe „kein Verständnis, dass das Ergebnis von zwei aufeinanderfolgenden grünen Regierungsbeteiligungen null Windräder ist“. Die Lösung der Neos deshalb: „Wir wollen 100 Windräder bis 2030 in Salzburg, alles andere wäre eine Augenauswischerei.“
Von null auf 100 also binnen sieben Jahren. Pinke Wahlkampffantasie oder ernsthafte Ansage? Wie die Neos auf die Zahl von 100 kommen, erklären sie folgendermaßen: In Salzburg würden jährlich neun Terawattstunden an Strom verbraucht. 100 Windräder seien nötig, um die Erdgasabhängigkeit um zwei Drittel zu reduzieren. Die 100 Windräder sollen in den elf ausgewiesenen Vorrangzonen für Windenergie, die im Landesentwicklungsprogramm festgelegt wurden, entstehen. Auch „weitere passende Orte“ müsse man finden. Und wie soll sich das Ganze bis 2030 mit den Genehmigungsverfahren ausgehen, sofern es genügend Projekte gibt? Die Antwort der Neos: Es brauche eben Unterstützung bei der Aufbereitung der Verfahren. Und: Die Behörden sollten mit mehr Personal ausgestattet werden, um die Verfahren zu beschleunigen. Der Rest (eine Novelle der UVP-Verfahren) liege bei der Bundesregierung.
Von 100 Windrädern ist in den elf Windvorrangzonen von Landesseite freilich keine Rede. Bis zu 64 Windräder werden hier als möglich erachtet. Konkrete Projekte sind derzeit eher Mangelware. Am Lehmberg in Thalgau sind bis zu 14 Windräder geplant, aber noch längst nicht alle Vorkehrungen getroffen, um in den nächsten drei Jahren starten zu können. Auch in Hinterglemm sind drei Windräder geplant. Am Windsfeld bei Flachau sind es zwischen 10 und 12 im Planungsstadium. Andere Standorte sind derzeit auf Eis bzw. es gibt kein spruchreifes Projekt oder lediglich Absichtserklärungen.
Gunter Sperka war mehr als 30 Jahre lang für den Klimaschutz beim Land Salzburg zuständig. Im Klima-Masterplan 2030 sind 250 Gigawattstunden Energie aus Windkraft als Ziel festgelegt. Das sind etwa 25 Windräder. „Die 25 wurden von der Arbeitsgruppe damals als realistisch eingeschätzt. So, dass sie dann wirklich stehen“, sagt Sperka. Das tatsächliche Windpotenzial sei freilich höher. „Rein von den Windverhältnissen her, da würde ich schon meinen, dass 100 möglich sind. Aber nachdem wir jetzt 2023 haben und noch kein einziges Windrad steht, sind 100 eine sportliche Ansage“, meint Sperka. Denn das technische Potenzial rein von den Standorten und Windverhältnissen sei eine Sache, das wirtschaftliche sowie das umsetzbare Potenzial aber eine andere. Und umsetzbar sei jene Anzahl, die im Masterplan stehe. Windkraft sei aber „weitgehend eine politisch-wirtschaftliche Frage und keine technische“, meint Sperka.
Geht es nach der IG Windkraft, der Interessenvertretung der Windkraftbranche, dann wären 100 Windräder für Salzburg sehr wohl realistisch. Deren Sprecher Martin Jaksch-Fliegenschnee meint sogar: „Wir haben ein Potenzial von 200 Windrädern.“ Wenn es in zwei Bundesländern binnen eines Jahres gelungen sei, mehr als 140 Windräder zu errichten, warum solle man in sechs Jahren nicht 100 schaffen. „Aber es liegt halt an den Rahmenbedingungen. Für 100 Windräder werden diese Zonenausweisungen nicht reichen. Da sind ja ganz gute Windstandorte nicht berücksichtigt worden“, meint Jaksch-Fliegenschnee. Drei Jahre müsse man von der Einreichung eines Windparks bis zur Umsetzung rechnen. „Es geht leider auf Landesebene nur um den politischen Willen.“
Und was meint einer, der Windenergieprojekte als einer der Ersten umsetzen wollte und daran gescheitert ist? Franz Kok, Obmann der Ökostrombörse Salzburg: „Zu den gegebenen Marktpreisen im Energiebereich sind die 100 Windräder technisch-wirtschaftlich machbar.“ Man sehe aber aktuell am Beispiel Lehmberg, wo der Hemmschuh am Ende des Tages liege, nämlich beim politischen Willen und Konsens. Seine Einschätzung bis 2030: „Seien wir froh, wenn wir 30 bis 40 schaffen.“
von Heidi Huber
Salzburger Nachrichten