Gasspekulanten derzeit im Vorteil

22. März 2023
Wasserstoff spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende - Prenzlau, APA/dpa

Einst als Spekulation verschrien, helfen sie Haushalten beim Sparen: Floater-Tarife, bei denen Gas- und Strompreise von der Börse weitergegeben werden. Konsumentenschützer raten dennoch zur Vorsicht.

Wie viele Energiekunden in Österreich sich hin und her, auf und ab treiben lassen, ist gar nicht bekannt. Mehrere Zehntausend Haushalte dürften es aber sein, die bei Strom- oder Gas auf einen sogenannten Floater-Vertrag setzen. Kennzeichnend dabei ist, dass Kundinnen und Kunden keinen Fixpreis für Energie zahlen. Die Kosten entwickeln sich stattdessen variabel, je nach den Entwicklungen an der Gas- und Strombörse. Mit kurzer Verzögerung wird die Preisentwicklung eins zu eins an die Kunden weitergegeben.

In der Vergangenheit waren solche flexiblen Tarife für Konsumentenschützer ein rotes Tuch, weil plötzliche Preissprünge nach oben dramatische Folgen für Haushalte haben konnten. Und noch vor wenigen Monaten sah es so aus, als seien Floater-Verträge ein dickes Minusgeschäft.

Doch in den vergangenen Wochen, immerhin in der heizintensivsten Phase des Jahres, zeigte sich, dass Kundinnen und Kunden mit flexiblen Tarifen vor allem bei Gas erstaunlich gut gefahren sind, und deutlich weniger berappen mussten als bei Fixverträgen.

Laut der Regulierungsbehörde E-Control liegt der Gaspreis für Bestandskunden im Mittel bei etwa zwölf Cent netto je Kilowattstunde. Für Neukunden sind es im Median etwa neun Cent. Bei Floatern hingegen liegt der Preis bei gängigen Anbietern im März bei 6,2 Cent. Wer also auf den Gaspreis spekuliert hat, zahlt derzeit um die Hälfte weniger als Bestandskunden. Bereits im Februar war die Ersparnis ähnlich groß. Und die Preise werden im April noch einmal runtergehen.

Das liegt an der Entwicklung an den Börsen. Flex-Preis-Anbieter wie etwa Go Green Energy orientieren ihre Gaspreise zum Beispiel an der Entwicklung am Central European Gas Hub, einer Plattform für den Handel mit Erdgas in Wien. Der Gaspreis hat dort in den vergangenen Monaten eine veritable Achterbahnfahrt hingelegt.

Floater sind günstiger

Im August 2022 wurde mit 31,2 Cent je Kilowattstunde der Höchstpreis erreicht. Die Preise explodierten nach Ausbruch des Ukrainekriegs, dann folgte eine Rallye nach unten, aktuell kostet Gas 4,4 Cent.

Zu beachten ist, dass bei Floater-Tarifen eine kurze Verzögerung bei der Preisweitergabe besteht: Noch im Jänner und Dezember waren die Preise für Floater und für Kunden mit Bestandsverträgen etwa gleich hoch, seitdem gibt es die klare Ersparnis.

Ist es also Zeit, zu einem Floater zu wechseln? Laut E-Control ist die Zahl der Anbieter, die Produkte mit flexibler Preisgestaltung im Sortiment haben, gesunken. Es gab schon mal mehr Floater-Tarife, sie wurden aber zum Teil von den Anbietern zurückgezogen, sagt Leo Lehr von der E-Control. Dahinter könnte sich verbergen, dass Fixpreistarife für Netzbetreiber rentabler sind – aber das sei nur eine Vermutung, so Lehr. Weiters haben sich kleinere Unternehmen, die Floater-Tarife angeboten hatten, aufgrund der höheren Preise aus dem Markt zurückgezogen.

Floater-Anbieter sind Unternehmen wie Enstroga Gmbh, Go Green Energy und regionale Anbieter wie die Stadtbetriebe Steyr.

Aktuell sei ein Floater-Tarif oder ein Neuvertrag die günstigere Variante im Vergleich zu schon länger laufenden Verträgen, erklärt Energiemarktexperte Lehr. Er rät dazu, Preise gut zu vergleichen und mit einem möglichen Wechsel noch etwas zuzuwarten: Im zweiten Quartal sollten auch viele traditionelle Anbieter Preissenkungen an ihre Kunden weitergeben. Dann lasse sich wirklich sehen, was günstiger komme und wo Floater im Vergleich zu Angeboten mit längerer Preisbindung stünden.

Fixpreistarif meist sicherer

Sandra Matzinger von der Arbeiterkammer rät bei Floatern weiterhin zu Vorsicht, da man nie wisse, wie sich Preise entwickeln werden. Man dürfe nicht vergessen, den Gaspreis monatlich im Auge zu behalten. Allerdings sagt auch die Arbeiterkammer-Expertin, dass sich mit einem Floater oder einem neuen Fixpreistarif übers Jahr gesehen aktuell bis zu tausend Euro bei Gas einsparen ließen.

Entscheidend dürfte sein, wie schnell die Energieversorger Preissenkungen an ihre Bestandskunden weitergeben. Bei der E-Control heißt es, dass aktuell wieder viele kleinere Anbieter auf den Markt eintreten, was den Wettbewerb belebe. Erste Energielieferanten bieten ihren Kunden bereits Preise an, die jenen an Gas- und Strombörsen sehr ähnlich sind, oder locken mit Rabatten.

Wien Energie zum Beispiel kündigt eine Preissenkung für Gas ab April an. Neu- und Bestandskundschaft ohne Preisbindung soll davon profitieren. Aber neun Cent ist um ein Drittel höher als der aktuelle Flextarif.
Das führt zur wichtigen Frage nach der Preisgarantie und der Vertragsdauer. Bei Floatern gibt es sehr kurze Kündigungsfristen von zwei Wochen. Wem die Preise zu sehr ansteigen, der kann sich prompt verabschieden, eine lange Vertragsbindung gibt es nicht. Nachteil: Im Moment eines großen Preisanstiegs ist es schwer, einen günstigen Neuanbieter zu finden.

Der Vorteil bei klassischen Produkten ohne Flexpreis ist, dass im Regelfall eine Preisgarantie besteht, meist für ein Jahr, wie Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein ausführt. Die günstigeren Preise sind eingeloggt. Wer bei Wien Energie abschließt, zahlt mehr als bei Floater aktuell, ist aber dafür vor einer neuen Preisexplosion abgeschirmt.

Eine Einschränkung gibt es auch hier: In der Krise haben sich Unternehmen nicht immer an diese Preisgarantien gehalten. Der Anbieter Maxenergy etwa hatte Kunden entgegen der Preisgarantie gekündigt, der Verein für Konsumenteninformation hat deshalb geklagt und ein inzwischen rechtskräftiges Urteil gegen die Maxenergy erwirkt.
Kolbas Verbraucherschutzverein geht wegen einer ebensolchen angeblichen Verletzung der Preisgarantie aktuell gegen einen anderen Anbieter, Grünwelt, vor. Hier gibt es noch keine Entscheidung.

Der Standard

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