Zu wenig grüner Sprit für unsere Autos

27. März 2023, Wien
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Mobilität. Während die EU um ein politisches Verbot für Verbrenner ringt, erledigt sich das Thema von selbst: E-Fuels sind zu knapp, um privaten Autofahrern eine echte, CO2-freie Alternative zu Elektroautos zu bieten.

Der Streit um die Aufweichung des geplanten Verbots von Benzin- und Dieselautos in der EU wirft Schatten auf den EU-Gipfel am heutigen Freitag. Deutschland, allen voran die FDP, wehrt sich gegen ein Totalverbot von neuen Verbrennungsmotoren ab 2035, wie es im Oktober beschlossen wurde. Stattdessen sollen Neuwagen auch weiter mit Verbrenner zugelassen werden dürfen, wenn sie klimaneutrale E-Fuels tanken.

Hätte die europäische Automobilbranche die Aussicht, dass diese mit Ökostrom erzeugten Treibstoffe an den Tankstellen zumindest beigemischt werden, müsste sie ihren Wettbewerbsvorteil in der Verbrennertechnologie nicht aufgeben und die Autofahrer könnten CO2-frei fahren, ohne sich umzustellen, so die Befürworter.
Wie realistisch diese Vision ist, hat sich das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) genauer angesehen. Das Ergebnis: Der Traum, private Pkw künftig flächendeckend mit E-Fuels zu betreiben, wird sich nicht erfüllen, weil es schlichtweg nicht genug grünen Sprit geben wird.

Die E-Fuels der Welt reichen nicht

Die Herstellung von tatsächlich klimaneutralen E-Fuels ist nämlich aufwendig und kostspielig. Um diese synthetischen Kraftstoffe zu erzeugen, braucht es zuerst grünen Wasserstoff, der mit Ökostrom erzeugt werden muss, und Kohlendioxid, das der Atmosphäre entnommen wurde — sei es bei einer Biogasanlage, sei es direkt aus der Luft, wobei diese Technologie noch in den Kinderschuhen steckt. Weltweit gibt es heute nur eine Handvoll Versuchsanlagen. Bis 2035 sind aktuell 60 Produktionsstätten angekündigt. Nur bei einem Prozent davon ist die finale Investitionsentscheidung schon durch. Ende 2022 eröffnete im windreichen Patagonien Haru Oni, eine der bisher größten Demonstrationsanlagen. Jeden Tag können hier 350 Liter E-Fuels produziert werden. Kostenpunkt: 50 Euro je Liter. Einmal großindustriell ausgebaut, könnten die Kosten auf zwei bis vier Euro je Liter fallen, so die Schätzungen. Immer noch ein Vielfaches dessen, was ein Liter Benzin heute im Großhandel kostet.

Doch trotz ihrer hohen Kosten werden E-Fuels in bestimmten Bereichen künftig „unverzichtbar“ sein, schreibt das PIK. Große Teile des Flug- und Schiffsverkehrs lassen sich nicht direkt mit Ökostrom betreiben. Und auch die petrochemische Industrie ist auf Kohlenwasserstoffe als Rohstoff angewiesen. „In Zukunft müssen diese Bedarfe neben Biomasse und Recyclingkunststoffen auch aus E-Fuels wie synthetischem E-Naphtha oder E-Methanol gedeckt werden. Diese Mengen sind so groß wie die Kraftstoffnachfrage aller Pkw.“

Die bisher rund um den Globus angekündigten Produktionsstätten würden 2035 allerdings nur so wenig E-Fuels abwerfen, dass damit ein Zehntel des Bedarfs der deutschen Luftfahrt-, Schifffahrt- und Chemieindustrie gedeckt wäre, so die Studie. Das könnte alles anders sein, argumentiert die Branche. Mit der notwendigen Perspektive würden die Projekte nur so aus dem Boden schießen. Doch selbst wenn ein ähnliches Wachstum wie bei Solar angenommen wird, reichen die E-Fuels der Welt 2035 nur, um die Hälfte der deutschen Flugzeuge, Schiffe und Chemiewerke zu versorgen. An andere Länder oder gar an Pkw, die mit E-Fuels fahren, ist da nicht zu denken. Weltweit verbrauchen wir pro Tag in etwa 14,3 Milliarden Liter Erdöl. Ein flächendeckendes Tankstellennetz lässt sich also nicht mit E-Fuels versorgen, und selbst eine Beimischung wäre nur in geringem Ausmaß möglich.

„Kein Privater braucht Verbrenner“

„In bestimmten Nischen sind E-Fuels berechtigt. Aber im privaten Pkw-Bereich braucht niemand mehr einen Verbrenner“, sagt Gernot Stöglehner, Leiter des Energieclusters an der Boku Wien. „Aus der Sicht des Energiesystems hat ein weitestgehendes Verbrennerverbot absolut Sinn.“

Das ergebe sich schon aus dem besseren Wirkungsgrad der Elektroautos gegenüber Verbrennern — ganz egal, womit sie betrieben werden. Aktuell braucht der Verkehrssektor Österreichs jährlich 110 Terawattstunden Energie. Elektroautos würden mit einem Drittel davon auskommen. „Die Umstellung auf Elektromobilität wäre ein massives Energiesparprogramm“, so der Uni-Professor. E-Fuels hingegen verbrauchten in Summe sogar mehr als die alten Benziner und Diesel. Auch mit den Tricksereien der Autokonzerne rund um die Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte wäre dann endlich Schluss. Noch ist das trotz VW-Skandals und aller Beteuerungen der Branche offenbar nicht der Fall. Der internationale Umweltforschungsverbund ICCT hat bei einer Analyse festgestellt, dass vermutlich 150 Dieselautos verschiedener Hersteller verbotene Abschalteinrichtungen verbaut haben, um die Messwerte zu manipulieren.

Auch darum stemmt sich Stöglehner gegen ein Aufweichen des Verbrennerverbots der EU ab 2035: „Was soll der Markt schon regeln, wenn wir ohnedies aus den Fossilen aussteigen müssen? Und das noch in kurzer Zeit! Was soll da anderes helfen als ein Technologieverbot?“

von Matthias Auer

Die Presse

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