„Vorzeichen für neuen Strompreis ist zu klären“

9. Mai 2023

Neo-Kelag-Vorstand Reinhard Draxler über schwachsinnigen PV-Strom von der Alm und No-go-Zonen für Windräder.

Bilanziell, über ein Jahr gerechnet, kann Kärnten seinen Strombedarf selbst decken. Warum will die Kelag dennoch neue Kraftwerke bauen?

Energiewende ist ein Prozess über 20 Jahre und kein Sprint. Sie betrifft auch die Industrie, den Verkehrs- und Wärmebereich, dafür müssen wir den Strom zur Verfügung stellen. Wenn wir den Strom in zehn Jahren brauchen, müssen wir jetzt anfangen, zu planen.

Möglichkeiten zum Ausbau der Wasserkraft sind überschaubar.

Man darf sich da keine großen Sprünge erwarten. Chancen sehe ich im Einsatz von Pumpspeicherkraftwerken. Sie ermöglichen uns Flexibilität.

Sie wollen also neue Pumpspeicherkraftwerke bauen?

Es gilt, die bestehenden Anlagen zu verbessern, etwa höhere Volumina der Staubecken und bessere Turbinen. Unser Ehrgeiz ist es aber auch, auszubauen. Weitere Projekte werden von uns untersucht und entwickelt. Wenn es reif ist, gehen wir damit an die Öffentlichkeit.

An wie vielen Windparks arbeitet die Kelag derzeit in Kärnten?

Wir haben Projekte in unterschiedlichen Reifestadien. Wir befürworten hier das ambitionierte Regierungsprogramm sehr. Ist der Rahmen gesetzlich einmal festgelegt, werden wir uns daran weiterhanteln.

Das klingt nach Stückwerk. Wo bleibt der Plan, die klare Strategie für den Windkraft-Ausbau?

Wir brauchen bis 2040 aus heutiger Sicht weitere drei bis vier Terawattstunden Strom in Kärnten. Die müssen als Erneuerbare gebaut werden.

Das entspricht rund 15 bis 20 großen Draukraftwerken.

Ja, nur dass es keine Draukraftwerke sein werden – es wird ein Mix aus Erneuerbaren sein.
Da hilft Photovoltaik wenig, wenn Kärnten, wie vorgesehen, im Winter von Stromimporten unabhängig werden soll.
Ja, Windkraft erzeugt im Winter mehr Strom als im Sommer.

Konkret bitte: Wie viele Projekte für Windkraftanlagen hat die Kelag in der Pipeline?
Es sind zahlreiche. Wenn wir eine Chance sehen für eine Realisierung, gehen wir an die Öffentlichkeit. In Behördenverfahren sind jetzt drei Projekte.

Gibt es No-go-Zonen für Windräder, die Sie gar nicht angreifen?

Die, die wirtschaftlich uninteressant sind. Der Alpenraum, der Nationalpark, Naturschutzgebiete, da greifen wir nichts an. Es gibt auch andere Regionen, die nicht funktionieren würden. Es gibt aber einige Regionen, wo es möglich ist. Sie sollen vom Land als Energiezonen festgelegt werden.

Wenn die Sichtbarkeitsregel für Windräder fällt, würde Sie das natürlich freuen.

Es würde uns allen helfen, wenn man weggeht von „Du darfst nicht“ zu Zonen, in denen man etwas machen darf.

Stimmt es, dass sich die Kelag landesweit hektarweise Gebiete für Freiflächen-PV sichert?
Wir haben vor, PV auch auf Freiflächen zu errichten. Ohne das werden wir es nicht schaffen. Nicht nur wir, viele Akteure bereiten sich darauf vor – Private, Landwirte, Unternehmen, die in ganz Kärnten Flächen optionieren. Wichtig ist uns ein Regulativ durch die Landesregierung dazu, wo Freiflächen-PV möglich ist. Das fehlt noch.

Die Netze werden für all die neuen Kraftwerke nicht reichen?

Wir brauchen mindestens doppelt so starke Stromnetze wie heute – der Jahresverbrauch wird, so erwarten wir, von 5 Terawattstunden auf 10 steigen. Unser Stromnetz ist darauf nicht ausgerichtet. Es muss ertüchtigt werden, dafür braucht es eine ehrliche Diskussion, denn damit werden auch steigende Tarife verbunden sein.

Warum spart man nicht einfach mehr Strom ein?

Den höheren Stromverbrauch triggern nicht wir, der Kunde tut das, etwa mit E-Mobilität. Sparen gehört immer als Tugend dazu. Man muss aber realistisch sein: Da sind vielleicht zehn Prozent Ersparnis drinnen, aber nicht 50 Prozent.

Beim Einspeisen von PV-Strom gibt es Probleme, das wissen viele Kärntner, die solche Anlagen errichten wollen. Soll nicht jeder ein Recht darauf haben?

Wir müssen da ehrlich sein. Die Erzeugung muss dorthin, wo Verbrauch und die Infrastruktur sind. Es ist volkswirtschaftlich ein Schwachsinn, Strom von einer Almhütte einzuspeisen – und die Leitung dorthin kostet dann 200.000 Euro.

Ist es denn die Aufgabe der Kärnten Netz, deren Chef Sie bisher waren, Gewinne zu machen?

Die Kelag, der Eigentümer der Kärnten Netz GmbH, bekommt eine Rendite auf ihr Kapital. Die E-Control stellt fest, welche Kosten und welche Tarife angemessen sind und welche nicht. Die Rendite liegt in der Höhe einer Anleihe.

Die Kelag kündigte eine Strompreiserhöhung in der zweiten Jahreshälfte an. Wie teuer wird der Kelag-Strom künftig?

Wir gehören zu den wenigen großen Anbietern, die in der zweiten Jahreshälfte 2022 den Strompreis in Kärnten nicht angepasst haben. Wir wollen uns den Preis sehr gut überlegen, und entscheiden dann, in welcher Höhe, in welchem Umfang und mit welchem Vorzeichen.

Rundum senken viele Anbieter ihre Preise bereits wieder.

Ich sagte ja: Wir werden klären, mit welchem Vorzeichen. Wer das Prozentrechnen kann, soll rechnen: Es gibt einige Unternehmen, die dreistellig erhöht haben und nun zweistellig reduzieren. Wir haben das nicht getan. Die Marktentwicklung ist so volatil, dass wir zu Jahresmitte entscheiden.

Bleibt die Kelag international weiter auf Expansionskurs?

Ja, wir haben das vor. In Wind, PV, teilweise Wasserkraft. Das hilft dem Standort hier und schafft Arbeitsplätze.
Der Vorwurf lautet, Sie verdienen gutes Geld mit Kärntner Kunden und geben es im Ausland aus.

Den Vorwurf mag es geben. Wir haben nicht vor, irgendwo Geld zu verbrauchen, wo es keinen Sinn macht. Wir überlegen uns genau, welche Projekte zu uns passen und wirtschaftlich sind. Jedes gute Ergebnis ist die Chance, zu investieren. Wir würden ja auch gerne mehr in Kärnten investieren.

von Reinhard Draxler

Kleine Zeitung

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