Steuer. Die heimischen Stromversorger müssen erstmals zig Millionen Euro an Übergewinnen an die Republik abführen. Das Geld sollte besser den Kunden zugute kommen, fordern sie.
Anfang Mai platzte Karl Nehammer der Kragen: Wenn die Energiekonzerne ihre Preise nicht „unmittelbar“ senken, werde der Staat die Gewinnabschöpfungen „ausweiten und verschärfen“, polterte der Kanzler damals zum Höhepunkt der Teuerungswelle. Vier Monate später naht der erste Zahltag. Mit Ende September müssen die heimischen Stromversorger ihre „Übergewinne“ aus der ersten Phase (Dezember 2022 bis Mai 2023) an das Finanzministerium überwiesen haben. Und je genauer die Unternehmen wissen, wie viele Millionen an den Fiskus gehen, desto unruhiger werden sie.
„Das Geld gehört den Kunden“
Zur Erinnerung: Seit Dezember 2022 erlaubt der Staat den Erzeugern nur noch Verkaufspreise von 140 bis 160 Euro je Megawattstunde Strom. Alle überschüssigen Einnahmen, die sie zu besseren Preisen erzielt haben, müssen an die Republik abgeführt werden. Im Mai senkte die Regierung die Grenzwerte bis Ende 2024 auf 120 Euro (bzw. 140 Euro für Unternehmen, die entsprechend in den Ausbau der Erneuerbaren investieren). Über die genauen Summen ist wenig bekannt: Die Kärntner Kelag rechnet ebenso wie die oberösterreichische Energie AG mit einem mittleren einstelligen Millionenbetrag. Manch anderen Versorger hat die Krisensteuer jedoch deutlich heftiger getroffen.
Die Burgenland Energie wird etwa in Summe rund 30 Millionen Euro an Übergewinnen an den Staat abführen müssen, sagt Unternehmenschef Stephan Sharma zur „Presse“. Das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Jahresergebnis, das der Landesversorger in den vergangenen Jahren erzielt hat. „Wir sind der Meinung, dieses Geld gehört den Kunden“, richtet er dem Finanzministerium aus. Immerhin könne das Unternehmen damit drei Monate Gratisstrom für alle Kunden – oder eine dritte Preissenkung im heurigen Jahr finanzieren. Aber „die Gewinnabschöpfung verhindert weiter sinkende Strompreise.“
Strategie statt Zufall
Die Tatsache, dass Burgenland Energie heuer so gut gewirtschaftet habe (das Jahresergebnis liegt trotz der Steuer bei rund 30 Millionen Euro) sei nämlich nicht dem „Zufall“ geschuldet, wie es in Politik oft dargestellt werde, sondern das Ergebnis strategischer Entscheidungen und harter Arbeit. Konkret hat das Unternehmen schon 2021 beschlossen, seine Windkraftanlagen aus dem Förderregime der Oemag zu holen und begonnen, die Strommengen an der Börse selbst zu vermarkten. Die Rekordpreise, von denen die Versorger in Folge des Ukrainekrieges an den Börsen so gut verdient haben, konnte zu dem Zeitpunkt noch niemand absehen. Hätte sich das Unternehmen damals für die sichere Variante, sprich die fixen Fördertarife aus dem Oemag-Regime, entschieden, hätte sich der Konzern viel Risiko gespart und lediglich zwei Millionen Euro Gewinnabschöpfung hinnehmen müssen.
Aber warum haben die Unternehmen ihre überschüssigen Gewinne nicht genutzt, um die Preise zu senken? Genau deshalb habe der Bund die Gewinnabschöpfung ja verschärfen müssen, heißt es aus dem Finanzministerium. Stephan Sharma aber kontert: Er sei sofort bereit, die 30 Millionen eins zu eins an seine Kunden weiterzugeben. Dazu brauche es jedoch gesetzliche Änderungen.
Gewinne verschieben
„Der nationale und europäische Rechtsrahmen lässt es nicht zu, Gewinne von der Produktions- zur Vertriebsgesellschaft zu verschieben, auch wenn wir das wollten“, sagt er. So verpflichtet das Strom-Energiekrisenbeitragsgesetz die Firmen, Überschusserlöse aus der Erzeugung Erneuerbarer Energien als Abgabe an den Bund abzuführen. Es gibt keine gesetzliche Möglichkeit, die Überschusserlöse aus der Erzeugung zur Senkung der Endkundepreise im Vertrieb einzusetzen.
Das Aktiengesetz alleine sei, anders als oft behauptet, kein Hinderungsgrund, sagen die Juristen Stephan Leixnering und Peter Doralt (S. 26). Die marktbeherrschende Stellung der meisten Landesenergieversorger in ihrem Bundesland erschwere ein derartiges Manöver jedoch, räumen Experten ein. Geschäfte müssten „marktüblich“ sein, Preisdumping sei generell verboten. Gebe nun die Produktionstochter eines Landesenergieversorgers der eigenen Vertriebsschwester bessere Konditionen als Mitbewerbern, könne das rasch ein Fall für die Wettbewerbshüter werden.
So landen die Mittel aus der Gewinnabschöpfung beim Bund, um diverse Krisenhilfspakete zu finanzieren. Das sei allemal besser, als die Gelder bei den Unternehmen zu belassen, sagt ein Sprecher des Finanzministeriums: „Wir geben den Menschen mehr zurück als wir einnehmen“.
von Matthias Auer
Die Presse