Kaunertal: WWF sieht in Sellrain-Silz-Ausbau Alternative

18. März 2024, Innsbruck/Kaunertal/Sellrain

Der landeseigene Tiroler Energieversorger Tiwag steht aufgrund des geplanten Kraftwerks im Kaunertal weiter im Visier des WWF. Die Naturschutzorganisation forderte auf Basis einer Studie statt des Baus eines Pumpspeichers mitsamt Stausee im Platzertal eine Leistungserhöhung der bereits bestehenden Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz und drängte die schwarz-rote Landesregierung, „diese Alternative im Detail zu prüfen“, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

Konkret gehe es darum, das zur Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz gehörende Pumpspeicherkraftwerk Kühtai II „stärker zu nutzen“. Dieses sich aktuell in Bau befindliche Pumpspeicherkraftwerk sei im Verhältnis nämlich „klein dimensioniert“ und biete Potenzial „für einen Ausbau“, erklärte Studienautor Jürgen Neubarth. Zwischen den bestehenden Speichern Längental und Finstertal und zwischen dem Speicher Kühtai könnten zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke errichtet werden. Damit wäre eine Nennleistung im Turbinen- und Pumpbetrieb von jeweils rund 200 Megawatt möglich, womit grundsätzlich das geplante Pumpspeicherkraftwerk Versetz mit dem Speicher Platzertal leistungsmäßig ersetzt werden könne, meinte Neubarth.

Die vom WWF nunmehr forcierte Platzertal-Alternative sei technisch machbar und auch hinsichtlich der benötigten Leistung kein Problem, sagte der Ernergieexperte. Zudem sei es österreichweit bei vergleichbaren Projekten – wie etwa die Kraftwerke Limberg II und III in der Salzburger Gemeinde Kaprun – üblich, dass „Pumpspeicherkraftwerke nur mehr dort gebaut werden, wo bereits zwei Speicherseen vorhanden sind“. Diese Variante entspreche also dem „Stand der Dinge“ und komme nicht zuletzt ohne die „zusätzliche Zerstörung eines weitere Hochtales“ aus.

So könne bestenfalls die „Zerstörung des Platzertals“ verhindert werden, sagte Bettina Urbanek vom WWF. Dieses Tal würde, wenn das „veraltete Projekt in dieser Form wirklich kommt“, nämlich mit dem geplanten Stausee „komplett geflutet werden“, zeigte sich die WWF-Expertin alarmiert. „Damit vernichtet man im Endeffekt ein wichtiges hochalpines Niedermoor“, kritisierte Urbanek und schloss eine weitere Forderung an: „Das Platzertal muss sofort unter Schutz gestellt werden.“

Die im Platzertal angesiedelten Moore seien jedenfalls „wichtige Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise“, ergänzte Urbanek. Letzten Endes zerstöre man – wenn man diese Moore verliere – auch „die eigene Lebensgrundlage“. Das sei besonders unsinnig, zumal der Bau des Pumpspeichers im Platzertal – wie jetzt wissenschaftlich belegt – „gar nicht notwendig ist“.

Unterstützung kam nach der WWF-Pressekonferenz von den oppositionellen Tiroler Grünen. In einer Aussendung forderten diese Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) auf, das „konkrete Alternativprojekt“ des WWF zu prüfen. „Die Uralt-Planungen für das Kraftwerk Kaunertal sind heute nicht mehr zeitgemäß. Die Energiewende des 21. Jahrhunderts braucht auch Lösungen aus dem 21. Jahrhundert“, so Grünen-Klubobmann Gebi Mair. Nach der nun vorgelegten wissenschaftliche Studie sei es „geradezu fahrlässig, diese Alternative nicht sofort genauer untersuchen zu lassen“, ließ Mair wissen.

Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren zum ersten Mal im Jahr 2009 eingereicht worden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) war erstmals 2012 gestellt worden. Zuletzt wurde der Tiwag ein Verbesserungsauftrag erteilt. Für das Projekt plant der Energieversorger, bis zu 80 Prozent des Wassers aus der Venter und Gurgler Ache im 34 Kilometer entfernten Ötztal – einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols – auszuleiten. Zudem würden im Platzertal neun Fußballfelder an Moorflächen geflutet. Mit seinen 120 Metern wäre der Staudamm fast so hoch wie der Stephansdom in Wien und sieben Mal so hoch wie das Goldene Dachl – Vergleiche, die die Naturschutzorganisationen regelmäßig zur Abschreckung heranziehen.

Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ hatte sich indes zum Kraftwerks-Ausbau im Kaunertal bekannt. Die Tiwag betonte stets, am Kraftwerksprojekt Kaunertal führe kein Weg vorbei, um die in Tirol für 2050 anvisierte Energieautonomie zu erreichen. Man sehe angesichts des künftig erhöhten Strombedarfs und der zunehmenden Volatilität durch Erneuerbare in Pumpspeicherkraftwerken die Zukunft.

APA

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