Strom vom Balkon

12. April 2024

Viele Netzbetreiber melden steigende Anmeldezahlen sogenannter Balkonkraftwerke. Das sind kleine PV-Anlagen, die am Balkon oderim Garten montiert und an der Steckdose angeschlossen werden. Was einfach klingt, kannin der Praxis zum Teil komplizierter sein.

Eine halbe Stunde brauchte Stefan Karst, um die kleine PV-Anlage zu montieren: zwei kleine Module auf dem Dach, eines an der Wand seines Gartenhauses im Innenhof einer Wohnanlage in Graz. „Ich finde, dass sie eigentlich recht hübsch aussehen“, sagt er. Mehr als um die Optik gehe es ihm mit dem sogenannten Balkonkraftwerk jedoch darum, unabhängiger zu sein und Stromkosten einzusparen. „Die Stromrechnung ist seither auf jeden Fall nach unten gegangen. Es ist schön, zumindest meinen Grundbedarf damit zu decken.“

Sogenannte Kleinsterzeugungsanlagen, umgangssprachlich Balkonkraftwerke, sind so etwas wie die kleinen Geschwister von herkömmlichen PV-Anlagen: ein paar Module mit maximal 800 Watt an Leistung, die man im Baumarkt oder im Internet kaufen kann und zu Hause auf dem Balkon, der Terrasse oder im Garten aufstellt. Der damit produzierte Strom fließt direkt in die eigene Steckdose, soll einen Teil des eigenen Stromverbrauchs abdecken und es vielen ermöglichen, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

Steigende Zahlen

Solche kleinen PV-Anlagen werden in Österreich immer beliebter. Während in Wien bis Ende 2022 insgesamt 900 Balkonkraftwerke gemeldet waren, kamen 2023 4250 und in den ersten drei Monaten dieses Jahres 700 neue Anlagen dazu, heißt es von den Wiener Netzen auf STANDARD-Anfrage. In Niederösterreich gab es laut Netz Niederösterreich 2021 214 Anmeldungen, 2022 1925,2023 4802 und in den ersten drei Monaten dieses Jahres 1046 Anmeldungen. Im Gebiet der Kärnten Netz seien aktuell rund 2500 Balkonkraftwerke gemeldet – die Hälfte davon seien allein im Jahr 2023 dazugekommen. Heuer seien bereits 400 neu gemeldet worden.

Allerdings dürften diese Zahlen nur die Spitze des Eisbergs sein. Zwar muss die Inbetriebnahme eines Balkonkraftwerks an den Netzbetreiber gemeldet werden. „Zwei Drittel aller Personen tun das aber nicht“, sagt David Pirker, Geschäftsführer von Green Solar, dem größten Balkonkraftwerk-Anbieter in Österreich. Die Dunkelziffer hinter der Zahl an Balkonkraftwerken in Österreich sei hoch.

Österreichweit dürfte es mittlerweile mehrere Zehntausend Balkonkraftwerke geben, die auf eine Spitzenleistung von mehr als zehn Megawatt kommen. Zum Vergleich: Eines der größten Solarkraftwerke Österreichs steht in Wien Donaustadt und hat eine Leistung von 17 Megawatt. Verstärkt werden könnte der Boom der Balkonkraftwerke auch durch den Wegfall der Umsatzsteuer auf Solaranlagen seit Anfang des Jahres.

Einstieg in die PV-Welt

„Unser kleines Solarpaneel, das wir bei uns am Balkon montiert haben, hat vor einigen Jahren noch mehr als 2000 Euro gekostet“, sagt Sigrid Karpf, die in Wien wohnt. Die Stromkosten seien dadurch zwar gesunken. „Aber wir haben damals schon gewusst, dass sich das finanziell wahrscheinlich nicht rentieren wird, und uns mehr aus Umweltgründen dafür entschieden.“ Mittlerweile seien die Module jedoch um einiges günstiger geworden. Viele Hersteller versprechen, dass sich Balkonkraftwerke je nach Ausrichtung, Sonneneinstrahlung und Stromnutzung nach vier bis fünf Jahren finanziell rechnen.

„Für viele Menschen sind Balkonkraftwerke der Einstieg in die PV-Welt“, sagt Pirker. Viele fangen klein an, mit ein bis zwei Modulen, und bauen sich dann Schritt für Schritt „eine mittelgroße PV-Anlage daraus“. In den vergangenen Jahren seien die Verkaufszahlen solcher Anlagen bei Green Solar immer weiter gestiegen. 30.000 Balkonkraftwerke habe das Unternehmen bisher verkauft, mehr als zwei Drittel davon nach Deutschland.

Auch die Nachfrage nach dazugehörigen Batteriespeichern sei gewachsen. Da Balkonkraftwerke nur für die Abdeckung des Eigenverbrauchs gedacht sind, benötigt man dafür keinen Stromabnahmevertrag. „Hat man keinen Batteriespeicher, wird Überschussstrom einfach ins Netz eingespeist und an die Netzbetreiber verschenkt“, sagt Pirker. Zu 60 Prozent stellen sich Menschen, die in Einfamilienhäusern auf dem Land oder im städtischen Umland leben, Balkonkraftwerke auf, lediglich ein Fünftel wohne in der Stadt.

Rechtliche Stolpersteine

Der Grund: Einerseits fehlt es in der Stadt oft an Freiflächen wie einem Balkon oder einem Garten in geeigneter Ausrichtung, um ein Balkonkraftwerk aufzustellen. Andererseits kann es auch einige rechtliche Stolpersteine geben. „Im ersten Moment hören sich Balkonkraftwerke extrem einfach an“, sagt Markus Stingl vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Man müsse sich nur ein Solarpaneel und einen Wechselrichter kaufen, das Paneel richtig anbringen und das Schukokabel an der Steckdose anstecken.

„Als Mieter muss ich jedoch vorher den Vermieter um Erlaubnis fragen.“ Und auch Wohnungseigentümer müssen vor der Anbringung zuerst die Eigentümergemeinschaft beziehungsweise die Miteigentümer fragen. „Damit ist man oft den Launen oder dem Unwissen der Miteigentümer ausgesetzt. Vielen sind Balkonkraftwerke noch kein Begriff, und man muss womöglich viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Auch regionale Bauordnungen und Denkmalschutz können zu Stolpersteinen werden, sagt Stingl.

Immer wieder bekomme der Verein Zuschriften von Menschen, die von einer Behörde zur nächsten laufen und widersprüchliche Aussagen erhalten. In Deutschland sei man, was diese bürokratischen Hürden betrifft, schon weiter. „Dass es bei Balkonkraftwerken in Österreich immer noch einen eklatanten rechtlichen Graubereich gibt, nimmt vielen die Lust, Teil der Energiewende zu werden“, sagt Stingl. Es brauche künftig mehr Klarheit zu den notwendigen Kriterien für die Aufstellung solcher Anlagen.

In der Praxis kann die Sache jedoch auch anders aussehen. „Ich habe die Miteigentümer des Hauses nie gefragt, ob ich ein Balkonkraftwerk aufstellen darf“, sagt Karst, der deshalb lieber nicht seinen richtigen Namen angeben möchte. Andere Nachbarn in seiner Siedlung haben ebenfalls bereits kleine PV-Module an ihren Balkonen hängen, ohne dass sie jemanden gefragt hätten. „Solange man keinen Feind in der Nachbarschaft hat, ist es leichter, es einfach zu machen als zu fragen.“ Die meisten Menschen seien mittlerweile sehr offen gegenüber PV, sagt Karst.

Auf Versicherung achten

Jenen, die sich bei der Installation nicht sicher sind, rät Stingl, eine Elektrikerin oder einen Elektriker hinzuzuziehen – gerade in älteren Häusern. Wichtig sei zudem, bei der Haushaltsversicherung nachzufragen, ob Balkonkraftwerke versicherungstechnisch abgedeckt seien und diese gegebenenfalls zum Versicherungsschutz hinzuzufügen.
Die Anlagen sollten jedenfalls über eine CE-Kennzeichnung verfügen, sagt Alfons Haber, Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control. Ältere Steckdosen sollte man vorher besser noch überprüfen lassen und Balkonkraftwerke keinesfalls an Verlängerungskabel oder Steckdosenleisten anschließen. Halte man sich an die Vorgaben, sei das Risiko während des Betriebs solcher Anlagen aber sehr gering.

„Ich denke, dass die Montage für die meisten einfach zu machen ist“, sagt Karst. Seit er die Anlage habe, achte er mehr auf seinen Stromverbrauch, schalte den Geschirrspüler beispielsweise ein, wenn die Sonne scheint. In ein paar Wochen möchte er sich auch noch einen Batteriespeicher mit einer Notstromversorgung zulegen. „Es kommt zwar nicht häufig vor, dass es Stromausfälle gibt. Aber wenn, dann habe ich damit vorgesorgt.“

Der Standard

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