Die Diskussion um Windräder im Bergidyll nimmt in Kärnten angesichts anstehender Gesetzesbeschlüsse wieder Fahrt. Während Befürworter die Chancen für die Energiewende hervorheben, fürchten Gegner die Zerstörung der Landschaft und einen Ausverkauf an internationale Energiekonzerne. Die FPÖ bezeichnete das neue Energiewendegesetz, dass demnächst im Landtag behandelt wird, am Dienstag vor Journalisten gar als verfassungswidrig und im Widerspruch zu geltenden Rechtslagen.
Windkraft in alpinen Regionen ist ein komplexes und umstrittenes Thema, an dem die Gesellschaft auf dem Weg zur Energiewende nicht vorbeikommt. Den Erfordernissen emissionsfreier Stromerzeugung und einer unabhängigen Energieproduktion stehen eine Reihe von negativen Auswirkungen gegenüber, die sich nicht beschönigen oder wegblenden lassen.
In Kärnten sind derzeit zehn Windräder in Betrieb. Geht es nach dem Branchenverband IG Windkraft sollten sich landesweit noch mindestens 130 dazugesellen, um den gesamten Gasverbrauch in Kärnten zu ersetzen. Das technisch nutzbare Potenzial läge sogar bei 400 Windrädern. „Einen wertvollen Schatz, den wir unbedingt heben sollten“, sieht darin IG Windkraft-Obmann Fritz Herzog: „Nur so schaffen wir es, die Wertschöpfung zu uns ins Land zu holen und uns unabhängig zu machen von teuren fossilen Energieträgern, die zum größten Teil aus dem Ausland kommen.“
Doch wohin mit den um die 200 Meter hohen Anlagen? In der Gemeinde Gnesau gibt es seit längerem Pläne für 17 Windräder, die auf den sanften Bergrücken der umliegenden Nockberge in Sichtweite des Biosphärenparks errichtet werden sollen. Verantwortlich dafür zeichnet die Firma „EcoWind“, eine Tochter des deutschen Agrarriesen BayWa, die im Kärntner Energiepionier Franz Dorner einen heimischen Sprecher gefunden hat. Für den unermüdlichen Landwirt, der auf seinem Hof auch Strom mittels Photovoltaikanlagen und Windrädern produziert, ist die Energiewende nur realisierbar, wenn auch das Potenzial der Windkraft genutzt wird.
Und das ist enorm: Eine von der IG Windkraft 2023 in Auftrag gegebene Studie hat ergeben, dass 3,14 Prozent der Bundesfläche für die Windkraft geeignet wären. Dabei wurden Standorte ermittelt, die auf 130 Meter über dem Grund eine Leistungsdichte von mehr als 180 Watt pro Quadratmeter aufweisen, Naturschutzzonen, steile Hänge, Lagen über 2.500 Meter, besiedelte Gebiete und Flächen für Infrastruktur wurden ausgenommen. Für Österreich ergäbe sich daraus ein maximal mobilisierbares Potenzial von 46.131 Megawatt (MW) mit dem 105 bis 126 Terawattstunden (TWh) Jahresertrag bereitgestellt werden könnten. Kärntens Potenzial beliefe sich auf 3.329 MW und 7,3 bis 8,7 TWh. Derzeit würden im gesamten Bundesgebiet 8 bis 12 TWh mit Windenergie erzeugt, das Energieausbaugesetz (EAG) sieht eine Steigerung auf 17 TWh bis Ende 2030 vor.
Befürworter der Windkraft führen zudem ins Treffen, dass mit wenig Bodenbeanspruchung große Energiemengen geerntet werden könnten. Der Raum zwischen den Windrädern sei immer noch für eine landwirtschaftliche Nutzung verfügbar. Zudem sei Windkraft vor allem im Winter eine ideale Ergänzung zu Wasserkraft und Photovoltaik, die eher im Sommer ihren Schwerpunkt bei der Energieerzeugung hätten. Für Gemeinden und Grundbesitzer könnten finanzielle Entschädigungen eventuell ein Anreiz sein. So hat etwa „EcoWind“ in Aussicht gestellt, eine Abgeltung von 150.000 Euro pro Jahr für soziale Zwecke an Gnesau abtreten zu wollen.
Im geplanten Kärntner Energiewendegesetz, das von den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP initiiert wurde, wird die Windkraft jedenfalls eine Rolle spielen, rechtliche Grundlagen für deren Ausbau wurden für Herbst angekündigt. Im neuen Gesetz soll auch erstmals festgelegt werden, dass Anlagen für erneuerbare Energie im öffentlichen Interesse liegen, da sie die Versorgungssicherheit, die regionale Produktion und die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen sicherstellen können. „Argumente des reinen Landschaftsschutzes“ seien künftig zu wenig, wie Energie-Landesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP) bei der Bekanntgabe zur neuen PV-Verordnung im März klarstellte.
Genau darin ortet die FPÖ Widersprüche zur geltenden Rechtslage. Auf einer Pressekonferenz am Dienstag zitierte Klubobmann Erwin Angerer aus einer Stellungnahme des Alpenvereines Kärnten vom April. Darin heißt es unter anderem, dass die Priorisierung der Energiegewinnung über das Landschaftsbild eine Verfassungswidrigkeit sei, da in der Landesverfassung im Artikel 7a die Bewahrung der „Eigenart und Schönheit der Kärntner Landschaft und die charakteristischen Landschaftsbilder“ festgeschrieben steht. Auch Eigentumsrecht und Naturschutzgesetz wären durch die geplante neue Rechtslage in Gefahr. „Wenn eine Anlage einmal genehmig ist, wird es keine Möglichkeit mehr geben, dagegen vorzugehen“, warnte Angerer. Vonseiten des Landesrates Schuschnig konnte man auf die Stellungnahme des Alpenvereines auf APA-Nachfrage keine Antwort geben. Ein Sprecher verwies auf die aktuelle Sichtung des Verfassungsdienstes: „Es werden derzeit im Land Kärnten die eingelangten Stellungnahmen gesichtet, aber wir sind davon überzeugt, dass das Gesetz der geltenden Verfassung entspricht.“
Auch aus der Bevölkerung regt sich Widerstand. Mehrere regionale Bürgerinitiativen wurden bereits gegründet, vergangenen Samstag demonstrierten sie als Bürgerbewegung „Kärntner Berge ohne Windräder“ in Feldkirchen. Sie wollen verhindern, dass „Kärntner Berge zu Industriegebieten gemacht werden“ und setzen sich für den Erhalt der Landschaft und den Schutz der Ökosysteme ein. Ihre Argumente gegen den Ausbau der Windenergie sind reichhaltig: irreparable Schäden an der Biodiversität, Kollisionsgefahr für Vögel und Fledermäuse, Trinkwassergefährdung durch Ölaustritt, Verlust der Attraktivität für den Tourismus, Schallemissionen im hörbaren und nicht hörbaren Bereich sind nur einige der zahlreichen Punkte, mit denen die Gegner den landesweiten Windpark-Plänen den Wind aus den Segeln nehmen wollen.
Die alpinen Vereine Naturfreunde und Alpenverein sehen die Energiewende als Notwendigkeit an, sensible alpine Regionen sollen ihr aber nicht geopfert werden dürfen. Ein zentraler Punkt sei die Wahl der Standorte. Weitaus effizientere Beiträge zur Energiewende wären aber die Steigerung der Energieeffizienz und der sparsame und bewusstere Umgang mit vorhandenen Ressourcen. Für die Politik bleibt es also auch in Zukunft keine einfache Aufgabe, den Balanceakt zwischen finanziellen Anreizen der Energieunternehmen, den Erfordernissen der Energiewende und den Bedürfnissen der Bürger und dem alpinen Ökosystem zu meistern.
APA