Tiwag – Satzung um „kostengünstigen“ Preis geändert

21. Mai 2024, Innsbruck

Der landeseigene Tiroler Energieversorger Tiwag hat sich selbst – nach einer Anweisung von Landeshauptmann und Eigentümervertreter Anton Mattle (ÖVP) – eine Änderung bzw. Ergänzung seiner Satzung verpasst. Konkret wurde darin ein „kostengünstiger“ Preis als Zieldefinition festgelegt und als öffentliches Interesse festgeschrieben, teilte das Land am Dienstag nach einem Beschluss der Tiwag-Hauptversammlung mit.

Dem genauen Wortlaut nach heißt es, dass das Unternehmen „nach den Grundsätzen einer sicheren, kostengünstigen, umweltverträglichen und effizienten Bereitstellung der nachgefragten Dienstleistungen insbesondere für die Bevölkerung, Gemeinden und den Wirtschaftsstandort Tirol sowie auf der Grundlage eines wettbewerbsfähigen Elektrizitätsmarktes zu agieren und dabei nach Maßgabe des § 70 AktG gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse bestmöglich zu wahren“ habe. Der Beschluss gehe auf einen Auftrag von Mattle an die Tiwag sowie einen Beschluss der Vollversammlung der Tiroler Arbeiterkammer zurück.

Der Landeshauptmann und der schwarze Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl, der mit der Tiwag in der jüngeren Vergangenheit ob ihrer Strompreis- und Kommunikationspolitik sogar juristische Sträuße ausgefochten hatte, zeigten sich wenig überraschend zufrieden. Der Landeschef sah, wiewohl er keinen Einfluss auf das operative Geschäft habe, eine „neue Stoßrichtung“ vorgegeben und quasi Historisches vollbracht: „Erstmals in der hundertjährigen Geschichte der Tiwag wird in den Satzungen ein kostengünstiger Preis als Zieldefinition festgelegt und das öffentliche Interesse festgeschrieben.“ Es ist und bleibe das Ziel, dass die Tiwag „mit zu den günstigsten Landesenergieversorgern zählt.“

Für Zangerl bedeutete die Änderung der Satzung einen „Schlusspunkt einer Auseinandersetzung mit der Tiwag, die sich über ein Jahr hingezogen hat.“ „Für uns stand immer ein leistbarer Strompreis im Vordergrund. Ich bin der Ansicht, dass ein Landesunternehmen eine besondere Verpflichtung den Tirolerinnen und Tirolern gegenüber hat, das wurde mit der Satzungsänderung nun klar herausgestrichen“, betonte der Arbeiterkammerchef.

Für die Tiwag kommentierte Aufsichtsratsvorsitzender Eduard Wallnöfer die Neuerung. Man habe den „klaren Auftrag, eine sichere Energieversorgung für das Land Tirol zu gewährleisten“, unterstrich dieser: „Die Satzung ist für das Unternehmen ein zentrales Regelwerk, mit dem Beschluss der Hauptversammlung sind die Leitlinien des Landes nun auch dort verankert.“

Ebenso wenig überraschend weit weniger jubilierend äußerte sich unterdessen die Landes-Opposition. FPÖ, Liste Fritz und Grüne riefen der schwarz-roten Landesregierung in Erinnerung, dass die Satzungsänderung auf einen Antrag der Opposition im Tiroler Landtag erfolgt war. „Fakt ist, nicht ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle hat reagiert“, sagte FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger in einer Aussendung. Dies hätte aber schon lange erfolgen müssen, meinte er und warf Mattle und seiner Koalition vor, „in den letzten Monaten und Jahren viel Schaden angerichtet“ zu haben. Das Vertrauen der Bevölkerung in den landeseigenen Energieversorger sei „zunichte gemacht“ worden, kritisierte Abwerzger eine „katastrophale Energiepolitik und das Ausbleiben effektiver Antiteuerungsmaßnahmen.“

Der Liste Fritz ging die Satzungsänderung wiederum zu wenig weit. Klubobmann Markus Sint bezeichnete sie als „halbherzig, mutlos, zu wenig“. „Kaum bis gar nicht berücksichtigt“ seien etwa „Klimawandel und Klimaschutz, Naturschutz, Umgang mit dem Tiroler Wirtschafts- und Lebensraum oder das Tiwag-Engagement in erneuerbare Energien“, sagte er. Darüber hinaus ortete er im Vorgehen „ÖVP-Hinterzimmerpolitik“. Bei der Neuaufstellung der Tiwag müssten „viele mitreden und sich einbringen“, wie etwa Fachleute, Experten, Sozialpartner, Interessensvertretungen, Landtag oder auch NGOs.

Grünen-Klubobmann Gebhard Mair sah nur einen „ersten Schritt“ getan. Nun gelte es, die „Uralt-Planungen für das Kraftwerk Kaunertal zu überarbeiten.“ „Sechs Hektar Moore im Platzertal zu zerstören ist in keiner Welt umweltverträglich“, hielt Mair fest. Wenn die Satzung ernst gemeint sei, „dann bedeutet dies das Aus für das Kraftwerk Kaunertal und das ist gut so.“ Darüber hinaus geißelte der grüne Klubchef, dass die Tiwag bei Investitionen in Photovoltaik, Windkraft und Speichertechnologie hinterherhinke.

Die Unternehmens bzw. Strompreispolitik der Tiwag war heuer und vor allem im vergangenen Jahr permanent im Fadenkreuz gestanden. Zangerl und seine AK schossen sich heftig auf die Verantwortlichen ein und fuhren auch schwere juristische Geschütze auf. Die AK-Kritik gipfelte in vier, über den Verein für Konsumenteninformation (VKI), eingebrachte Klagen gegen das Landesunternehmen. Nachdem die Interessensvertretung mit einer Musterklage vor dem Bezirksgericht Innsbruck gegen die Tiwag wegen einer offenbar nicht gerechtfertigten Strompreiserhöhung 2022 in erster Instanz obsiegt hatte, lenkte der Landesenergieversorger ein. Man einigte sich schließlich unter anderem auf ein 60 Mio. Euro schweres Paket für Haushalte, Unternehmen und Landwirtschaft. Die Arbeiterkammer wollte im Gegenzug die Klagen gegen die Tiwag – vier an der Zahl – nicht mehr aufrechterhalten. Weiterer Kernpunkt des verhandelten „Friedens-Pakts“: Die Tiwag kündigte mit 1. Juli eine nächste Strompreissenkung von derzeit 12,7 c/kWh netto (15,24 c/kWh brutto) auf 11,8 Cent netto (14,16 c/kWh brutto) an.

Unter politischen Druck war im Zuge der Tiwag-Debatte auch die Landesregierung aus ÖVP und SPÖ geraten. Mattle äußerte deutliche Kritik auch an der Außendarstellung der Tiwag und kündigte eine „Neuaufstellung in personeller, struktureller und kommunikativer Hinsicht“ an. Bereits beschlossen wurde im Landtag eine Novelle des Elektrizitätsgesetzes zur Sicherung der Grundversorgung. In personeller Hinsicht wurden wiederum zwei wesentliche Vorstandsfunktionen für Finanzen und Energiewirtschaft ausgeschrieben. Hinzu kommt: In absehbarer Zeit steht die Entscheidung über die Neubesetzung der Position des Vorstandsvorsitzenden an, weil der jetzige, Erich Entstrasser, im kommenden Jahr in Pension gehen wird.

APA

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