Der mögliche Stopp russischer Gaslieferungen nach Österreich und Wartungsarbeiten in Norwegen haben im Wochenabstand zu einem Preissprung von 15 Prozent geführt. Auch die Speicherumlage erhöht die Kosten.
So gut gefüllt wie heuer waren Europas Gasspeicher am Ende einer Heizsaison schon lange nicht mehr. Dennoch macht sich Nervosität breit – und treibt die Gaspreise nach oben. Wurde in der Vorwoche Erdgas an der Börse noch um etwas mehr als 30 Euro je Megawattstunde (MWh) gehandelt, liegt der mittlere Preis aktuell bei knapp 36 Euro. Das ist ein Preisanstieg um etwa 15 Prozent, wobei die Warnung der österreichischen OMV vor einem möglichen Ausfall russischer Gaslieferungen für zusätzliche Dynamik gesorgt hat.
Der Grund: Eine drohende Pfändung von OMV-Zahlungen an Gazprom, angestrengt von einem nicht näher spezifizierten „europäischen Energieunternehmen“ und unterstützt durch ein entsprechendes Gerichtsurteil, könnte Russland veranlassen, seine Gaslieferungen nach Österreich einzustellen. Das hat der teilstaatliche Öl-, Gas- und Chemiekonzern am 21. Mai in einer Pflichtmitteilung öffentlich gemacht – DER STANDARD berichtete.
Ob es tatsächlich dazu kommt, steht allerdings in den Sternen. Es könnte sich „um die Fortschreibung einer alten Geschichte“ handeln, wird in der Branche gemunkelt. Hinter dem „europäischen Energieunternehmen“ könnte der mittlerweile verstaatlichte deutsche Energiekonzern Uniper stecken.
Spekulationen um Uniper
Im Vorjahr hat Uniper Global Commodities SE Deutschland Lieferforderungen der Gazprom Export an ihre Österreich-Tochter Gazprom Austria gerichtlich pfänden lassen, sodass die Schuldnerin offene Forderungen an die Muttergesellschaft nicht mehr nach Russland transferieren konnte. Die Gazprom Austria GmbH, die in der Wiener Löwelstraße ihren Sitz hatte, erhielt daraufhin kein Gas mehr aus Russland und meldete im Frühjahr vergangenen Jahres Insolvenz an.
Nun könnte sich, so die Vermutung, Uniper an OMV schadlos halten wollen. OMV ist eines der nur noch wenigen verbliebenen Unternehmen in Europa, die aufgrund eines aufrechten, bis 2040 laufenden Vertrags direkt Gas aus Russland beziehen und Monat für Monat jede Menge Geld auf ein Gazprom-Konto überweisen.
Die Gasmärkte jedenfalls reagieren nervös. „Wie man sieht, reicht die Sorge, dass Gasmengen wegfallen, zu einem Preisanstieg von rund 15 Prozent, zumindest für ein paar Tage“, sagt Berhard Painz, Vorstandsdirektor der für Österreichs Fernleitungsgasnetz zuständigen Austrian Gas Grid Management (AGGM). Hinzu kommt, dass mittlerweile immer mehr Händler davon ausgehen, dass mit Auslaufen des Transitvertrags zwischen Russland und der Ukraine ab Jänner 2025 auch auf dieser Route kein Gas mehr nach Europa kommt. Das treibt auch die Preise für Gas zur Auslieferung im Jahr 2025 jetzt schon spürbar nach oben.
Wie lange der Preisauftrieb anhalten werde, lasse sich seriöserweise nicht sagen. Österreich sei aber insofern besonders betroffen, als Deutschland erst am Dienstag bekanntgegeben habe, die Gasspeicherumlage ab Juli von derzeit 1,86 Euro je MWh auf 2,50 Euro je MWh zu erhöhen. Österreich hält die Abgabe zwar für EU-rechtswidrig, bis zu einer Entscheidung der EU-Kommission muss sie dennoch abgeführt werden und verteuert damit automatisch Gaslieferungen über Deutschland um diesen Betrag.
Betroffene Endkunden
Ein weiterer Grund, warum die Gaspreise in Europa in dieser Woche auf ein Fünf-Monats-Hoch geklettert sind, ist in Norwegen zu finden. Wegen anhaltender Wartungsarbeiten sind aktuell einige Gasfelder und Anlagen nicht verfügbar und werden dies wohl auch noch die nächsten Tage und möglicherweise Wochen nicht sein.
Was bedeutet der zu beobachtende Preisauftrieb bei Gas im Großhandel für Endkunden? Die von vielen erhofften und mit gutem Grund erwarteten Preissenkungen dürften wohl geringer ausfallen, sagt Johannes Mayer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft in der Regulierungsbehörde E-Control.
Wer einen Float-Tarif habe, der die Entwicklung der Börsenpreise nachvollziehe, werde in nächster Zeit wohl etwas mehr zahlen müssen, als dies in den vergangenen Monaten der Fall gewesen sei. Weil die Börsenpreise seit rund einem Jahr eine deutliche Tendenz nach unten gezeigt haben, konnten sich Gaskunden mit Floatern einiges an Geld sparen.
Der Standard