Hauptversammlung. Künftig ist kein österreichischer Energie-Experte mehr im Aufsichtsrat, Klimaschützer planen Proteste, Ex-Vorstände erhielten im Vorjahr Millionen
Hauptversammlungen der OMV waren nie ein gemütliches Aktionärskränzchen, aber diesmal sind heftigere Turbulenzen garantiert. Innerhalb und außerhalb des Wiener Messegebäudes, in das Österreichs größter Industriekonzern seine Aktionäre für den 28. Mai einlädt, wird es sich abspielen. Die Umweltorganisationen, die auf anderen Hauptversammlungen fleißig geübt haben, laufen zur Höchstform auf. Aktionärsvertreter haben sich mit kritischen Fragelisten aufmunitioniert. Stahlhelm auf und durch, heißt es für Aufsichtsratsvorsitzenden Lutz Feldmann und seine Vize, ÖBAG-Chefin Edith Hlawati.
Nach der Hauptversammlung (HV) ist kein einziger österreichischer Energie-Experte mehr im Gremium des wichtigsten heimischen Versorgers vertreten. Der Abgang von Karl Rose wird die österreichische Fraktion ziemlich schwächen. Der bestens vernetzte Energie-Professor war Strategie-Berater des OMV-Miteigentümers Adnoc, des nationalen Ölriesen von Abu Dhabi, Manager bei Royal Dutch Shell und Direktor des World Energy Council.
Auch mit dem Abschied von Ex-Zentralbankerin Gertrude Tumpel-Gugerell gehen viel Know-how und Erfahrung verloren. Nach zehn Jahren sollen sich Aufsichtsräte verabschieden, so will es die ÖBAG. Ob das ausgerechnet in der krisengebeutelten OMV ein Vorteil ist, sei dahingestellt. Tumpel-Gugerell wurde ebenso wie Rose von ihren Aufsichtsratskollegen immer eine ausgezeichnete Performance attestiert.
Stattdessen entsendet Hlawati die Ex-UBS-Bankerin und Finanzierungsberaterin Dorothee Deuring, Österreicherin mit Schweizer Wohnsitz. Sowie den Niederländer Patrick Lammers, Ex-Vorstand des deutschen Stromkonzerns E.ON und derzeit CEO von Skyborn Renewables (Windenergie).
Bei E.ON jobbte auch Vorsitzender Feldmann. Er ist heute ebenfalls Berater. Die vormalige Wirtschaftsanwältin Hlawati dürfte eine ausgeprägte Vorliebe für Berater haben. Auch Aufsichtsrat Jean-Baptise Renard, ehemals im Management von BP, werkt als solcher.
Das Klima im Aufsichtsrat wird mit Sicherheit rauer. Adnoc entsendet zwei Vertreter. Khaled Salmeen, Chefverhandler der Adnoc für den Borealis-Borouge-Deal, gilt selbst im arabischen Raum als, freundlich formuliert, knallharter Profi bei der Durchsetzung seiner Interessen. Insider spekulieren schon, wie lange Feldmann noch Vorsitzender bleibt.
Eines der zentralen Themen wird die milliardenschwere Fusion der OMV-Tochter Borealis mit Borouge von Adnoc zum internationalen Petrochemie-Riesen. Der größte Deal der österreichischen Wirtschaftsgeschichte sollte längst in trockenen Tüchern sein, die Chancen auf Realisierung stehen wie berichtet auf der Kippe.
Warmer Geldregen
„Zusammen hat man ein größeres Stück vom weltweiten Petrochemie-Kuchen. Aber wie sieht die OMV-Nachhaltigkeitsstrategie ohne Borealis vollkonsolidiert aus?“, will Florian Beckermann wissen, Chef des Interessenverbandes für Anleger. Er fordert „einen Deal auf Augenhöhe“, aber genau das ist das Problem mit Adnoc. Auch die Gasversorgung thematisieren die Aktionärsvertreter.
Auf der Tagesordnung steht der Vergütungsbericht 2023. Über die ehemaligen Vorstände ergoss sich ein warmer Geldregen. Aus Long-Term-Incentives (langfristige Bonusprogramme) wurden für 2023 in Summe 7,87 Millionen Euro ausbezahlt. Davon 2,8 Millionen für Rainer Seele, der die OMV in die starke Abhängigkeit von Russland trieb. Für 2022 erhielt er 4,84 Millionen Euro, Seele ist heute Adnoc-Berater.
Bohrturm am Karlsplatz
Greenpeace wird einen sechs Meter hohen Bohrturm aufstellen. „Wäre hier Gas, würde die OMV hier bohren“ protestieren die Umweltschützer gegen das Projekt Neptun Deep im Schwarzen Meer. Am Karlsplatz ist die Passantenfrequenz wesentlich höher als vor der Messe. „Damit sich die Menschen das Projekt besser vorstellen können“, argumentiert Greenpeace.
Attac wird in der HV lästige Fragen stellen, will vor der Messe protestieren und ab 17 Uhr ist eine große Kundgebung geplant. Thema sind Neptun und die Klimastrategie der OMV. Im Vorjahr riefen verärgerte Aktionäre nach der Polizei und kommentierten den Abgang der Aktivisten mit „Gehts oabeiten“.
von Andrea Hodoschek
Kurier