Die E-Wirtschaft fordert ein Ministerium für Transformation. Zu tun gibt es viel, indes steigt der Strompreis im Großhandel wieder.
2600 Megawatt an Photovoltaik (PV) sind 2023 in Österreich neu installiert worden, so viel wie noch nie. Gemessen an den Anschlüssen waren zu Jahresbeginn rund 375.000 Anlagen in Betrieb, ein Plus von 50 Prozent. Ein erfreulicher Rekordwert und eine gewaltige Leistung der Netzbetreiber, sagt Michael Strugl, Verbund-Chef und Präsident des Branchenverbands Oesterreichs Energie, „doch die Technologie hat ihre Tücken“. PV-Anlagen erzeugten gleichzeitig für wenige Stunden sehr viel Strom, noch dazu geballt im Osten Österreichs. Dezentrale Speicher, smarte Netze, Ausgleichskraftwerke und moderne Verbrauchssteuerung, die für eine sichere Versorgung mit 100 Prozent Ökostrom notwendig wären, gibt es aber weiter nicht. Für vieles fehlt der rechtliche Rahmen, Projekte ziehen sich jahrelang, Kompetenzen sind verstreut.
Die E-Wirtschaft richtet am Mittwoch erneut einen Appell an die Politik, Österreichs energiepolitische Neuorientierung parteipolitisch außer Streit zu stellen. Die nächste Regierung sollte ein Transformationsministerium schaffen, in dem Entscheidungen und Kompetenzen zum Umbau des Energiesystems gebündelt seien, fordert Strugl.
Dass nach der Nationalratswahl die Entscheidungsfindung in Energiefragen einfacher wird, ist unwahrscheinlich. Für Energiegesetze braucht es meist eine Zweidrittelmehrheit, die Positionen der Parteien sind verschieden. Der oberste Branchenvertreter ist dennoch zuversichtlich. Egal wie die Regierung zusammengesetzt sei, sie werde sich daran orientieren müssen, dass kosteneffiziente und sichere Energieversorgung längst eine Standort- und Wohlstandsfrage sei.
Zuletzt hat das weder die Koalitionspartner noch die Opposition davon abgehalten, Gesetzesvorhaben zur Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft oder zur Beschleunigung der Genehmigung von großflächigen PV-Anlagen liegen zu lassen. Auch das geplante Biogasgesetz schaffte es nicht durchs Parlament. Was laut Strugl noch gänzlich fehlt, ist eine „Kraftwerksstrategie“ wie etwa in Deutschland, für mehr regelbare Energie als Ergänzung zum massiven Ausbau von Sonnen- und Windkraft.
Wenn Österreich seine Klima- und Energieziele erreichen wolle, müsse alles elektrifiziert werden, was elektrifiziert werden könne, betont die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt. Das erfordere eine Verdoppelung der Stromerzeugung und eine Verdreifachung der Leistung bis 2040 – mit entsprechend hohen Investitionen in Erzeugung, Netze, Speicher und Digitalisierung. „Es wird nicht reichen, PV nur auf Dächern zu installieren.“ Das System müsse resilient gemacht werden, das werde sichtbar sein „und es wird teuer“, sagt sie. „Aber es ist es wert.“
Kurz- und mittelfristig rechnet die E-Wirtschaft mit steigenden Strompreisen. „,Die Sonne schickt keine Rechnung‘ ist eine komplett falsche Aussage“, betont Schmidt. Die Kosten für das System insgesamt steigen, weil PV- und Windkraftanlagen integriert werden und Reservekraftwerke bereitstehen müssen, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint.
Im Großhandel steigen die Strompreise bereits. Anfang Juli kostete eine Megawattstunde zur Lieferung 2025 zwischen 90 und 95 Euro – fast so viel wie zu Jahresbeginn. Ende Februar war der Preis etwas über 70 Euro gelegen. Über die Gründe werde in der Branche gerätselt, sagt Strugl, denn die Konjunktur sei mau und das Stromangebot hoch. Ein Preistreiber könnte der CO2-Preis sein. Er lag zuletzt bei knapp 70 Euro je Tonne. Möglich sei auch, dass der Markt bereits höhere Gaspreise antizipiere, wenn der Transitvertrag durch die Ukraine ausläuft. Die Haushaltspreise sind stabil. Hier wünscht sich Oesterreichs Energie dringend eine klare Rechtsgrundlage für Tarifänderungen. Die wird es vor der Wahl nicht geben.
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten