Ein kurzer, großflächiger Blackout am Balkan wirft die Frage auf, wie gut Österreichs Elektrizitätsversorgung auf die steigenden Temperaturen vorbereitet ist.
Eine Hitzewelle hat vor knapp vier Wochen in Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Albanien sowie in Teilen Kroatiens zu weiträumigen Stromausfällen geführt. Die Ausfälle übertrugen sich von Montenegro aus auf die ganze Region. In vielen Städten kam es zu einem Verkehrschaos, weil die Ampeln nicht funktionierten. In der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica fiel zeitweise auch die Wasserversorgung aus. In Kroatien waren Urlauberhochburgen wie Dubrovnik, Split und Zadar von dem etwa einstündigen Blackout – bei Temperaturen von bis zu 37 Grad – betroffen.
Erklärt wurden die Ausfälle von den regionalen Netzbetreibern mit der Überlastung der Netze, weil Klimaanlagen wegen der Hitzewelle auf Hochtouren laufen – und den Stromverbrauch sprunghaft steigen lassen. Die Untersuchungen laufen noch. Doch die hohen Temperaturen lassen die Stromleitungen nicht nur stärker durchhängen, sondern setzen ihnen auch anders zu. In der Ukraine musste vorige Woche eine Hochspannungsleitung wegen eines durch die Hitze verursachten Brandes abgeschaltet werden.
In Österreich halten die Stromnetze den sommerlichen Temperaturen bisher stand. „Wenn die Temperaturen steigen, steigt allerdings der Widerstand in den Leitungen und das geht auf Kosten der Transportfähigkeit“, sagt der technische Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG, Gerhard Christiner, zu den SN. „Das ist Physik.“
Grundsätzlich regelt eine Norm, welche Menge Strom über ein „Seil“ fließen darf, die je nach Wind und Temperatur steigt oder sinkt. Das hat sich die Verbundtochter bisher im Winter zunutze gemacht, denn bei niedrigen Temperaturen und Wind kann 30 bis 40 Prozent mehr transportiert werden, was dem Stromsystem einen zweistelligen Millionenbetrag erspart.
Möglich machen das Sensoren, die nach Angaben Christiners mittlerweile bei fast allen Hoch- und Höchstspannungsleitungen der APG eingebaut sind. Im Sommer dreht sich der physikalische Vorteil um, die Kapazitäten müssten gegebenenfalls gedrosselt werden. In der Sommerhitze steigen mit dem Widerstand auch die Übertragungsverluste. „Hier ist höchste Sorgfalt geboten“, betont der APG-Vorstand. Eine Reduktion der Transportmenge könne bedauerlicherweise die Einspeisung von Sonnenstrom treffen. Große Mengen Photovoltaik in wenigen Stunden stellten schon jetzt eine große Herausforderung dar. Übertragungsnetzbetreiber müssten ohnehin Reserven einplanen und Ausfälle einrechnen, „daher fahren wir nie mit den maximal möglichen 80 Grad“.
Entscheidend für die Netzstabilität sind heute genaue Prognosen: In der APG-Steuerungszentrale werde mit einem digitalen Zwilling die Netzsituation des nächsten Tages – Erzeugung, Verbrauch, Wartungen, Transportkapazitäten etc. – für Österreich und die Nachbarländer stundengenau simuliert und wenn nötig korrigiert. „Passieren kann immer etwas“, sagt Christiner, das hätten ein Trafo-Ausfall im Pinzgau und ein Erdrutsch in der Steiermark diese Woche gezeigt. Je besser die Planung sei, umso rascher ließen sich Störungen aber beheben. Netzbetreiber mit weniger technischem Equipment hätten mehr Risiko.
Dass die zunehmenden Hitzeperioden als Argument für mehr Verkabelung von Hochspannungsleitungen in der Erde dienen könnten, glaubt Christiner nicht. Die Kosten – acht bis zehn Mal so viel wie eine Freileitung – seien zu hoch.
Gesetzliche Regulierungen für den Netzbetrieb in Hitzeperioden gebe es nicht, sagt Alfons Haber, Vorstand in der Energieregulierungsbehörde E-Control. Der Umgang mit höheren Temperaturen sei Teil der normalen Betriebsbedingungen. Was es in den neuen Tarifbestimmungen seit Jahresbeginn sehr wohl gebe, seien Anreize für Innovation und Forschung.
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten