Ein großflächiger, langfristiger Stromausfall, ein „Blackout“ würde uns vor große Herausforderungen stellen. Einsatzkräfte und Sicherheitsorganisationen versuchen zwar vorzusorgen, allerdings sind gerade gut vorbereitete Haushalte im Ernstfall sehr wichtig.
Mit einer Versorgungssicherheit von 99,9 Prozent zählt Österreich bei Strom zu den bestversorgten Ländern der Welt. Die hohe Versorgungssicherheit kann aber durch unterschiedliche Einflüsse und Faktoren gefährdet sein. Eines haben aber alle Krisen bzw. Katastrophen gemeinsam: Eine effiziente Katastrophenbewältigung kann nur durch das optimale Zusammenwirken der Einsatz- und Rettungsorganisationen, der Behörden, der Infrastrukturbetreiber und der Bürgerinnen und Bürger ermöglicht werden. Wir führten dazu mit Dipl.-Ing. Johannes Türtscher, Geschäftsführer der Vorarlberger Energienetze GmbH (Bild r. o.), das folgende Gespräch.
Wie groß schätzen Sie die Gefahr eines Blackouts ein?
Die Wahrscheinlichkeit schätzen wir als gering ein. Neben Blackouts müssen wir aber auch auf eine mögliche Strommangellage reagieren. Wie ein Stresstest gezeigt hat, ist zwar auch die Wahrscheinlichkeit dafür nicht sehr hoch, es empfiehlt sich dennoch, sich bestmöglich darauf vorzubereiten.
Warum ist ein Blackout immer wieder ein großes Thema?
Das ist einem allgemeinen Gefühl geschuldet: die Welt wird immer volatiler, die Krisen kommen gefühlt näher, der Angriffskrieg auf die Ukraine spielt eine große Rolle. Wir sind jedenfalls gut darauf vorbereitet. Isoliert betrachtet verfügen wir in Vorarlberg weltweit über eines der sichersten Netze. Das zeigt auch wieder die aktuelle Statistik zur Versorgungszuverlässigkeit: Hier ist der Wert 3,59 Minuten relevant, der die Nichtverfügbarkeit des Vorarlberger Netzes in Summe aufgrund von geplanten und ungeplanten Unterbrechungen -ohne regional außergewöhnliche Ereignisse -angibt. Zum Vergleich: In Gesamtösterreich sind es über 20 Minuten.
Was passiert bei euch, wenn in Vorarlberg der Strom ausgeht?
Bei der illwerke vkw gibt es für diesen Fall einen Krisenstab. Der wird einberufen und erstellt in kürzester Zeit ein Lagebild, um abschätzen zu können, was wirklich los ist. Wenn festgestellt wird, dass auch in den umliegenden Ländern keine Spannung anliegt, mit der man das Netz wiederaufbauen könnte, wird ein Inselnetz in Vorarlberg errichtet. Wir haben in Vorarlberg – unter der Voraussetzung, dass die Infrastruktur intakt ist -mit unseren Pumpspeicherkraftwerken eine besonders gute Ausgangssituation. Wir schätzen daher, dass wir einen Inselaufbau innerhalb von 12 bis 24 Stunden bewerkstelligen können. Dafür gibt es einen klaren Plan.
Was würde in diesen 12 bis 24 Stunden passieren, bis das Licht dann wieder angeht?
Wenn die Situation klar und sowohl mit den umliegenden Übertragungsnetzbetreibern wie auch in Österreich abgestimmt ist, dann wird für den Aufbau des Inselnetzes ein definierter Ausgangszustand hergestellt. Und entsprechend dem festgelegten Hochfahrplan werden die ersten Kraftwerke gestartet und bei den großen Umspannwerken die Sammelschienen bespannt. Das Zuschalten der Netzlasten muss in einem sehr abgestimmten Modus passieren, damit das Netz nicht durch eine neue Instabilität zusammenbricht. Außerdem wird in einem solchen Fall auch ein direkter Kommunikationskanal zum Land aufgebaut. Und unsere Mitarbeitenden sind fix zugeteilt, um die Notstromversorgung in den Umspannwerken aufrecht zu erhalten.
Wenn ein Blackout über einen kurzen Zeitraum andauert, findet die Notstromversorgung der Netzinfrastruktur über eine Batteriepufferung statt. Wenn es aber länger dauern würde, dann muss diese teils mit mobilen, teils mit fixen Notstromaggregaten sichergestellt werden.
Wie viele Leute sind nötig, um diese Arbeiten auszuführen?
Allein im Umfeld des Krisenstabs sind es 15 bis 20 Personen. In den Hauptschaltzentralen in Bregenz und in Rodund sind weitere zehn bis 15 Expert(inn)en eingeteilt. Für die Aufrechterhaltung der Notstromversorgung in den Kraftwerken und Umspannwerken sowie für Sondereinsätze sind fixe Teams vorgesehen. Bei einer längeren Dauer ist auch ein Schichtbetrieb möglich.
Würde -wenn jetzt dieser Inselbetrieb aufrecht wäre -schnell überall wieder Normalität einkehren, oder müsste man Prioritäten setzen?
Das Netz als solches ist dann ein Inselnetz, und natürlich bestünde damit immer noch eine latente Gefahr von Instabilitäten. Darum würde dieses in einem nächsten Schritt mit anderen Inselnetzen synchronisiert werden. Wir gehen aber davon aus, dass in dem Moment, wo überall wieder Strom ist, noch lange nicht alle anderen Lieferketten wieder funktionieren würden.
Wie lange könnte ein solcher Inselbetrieb aufrecht erhalten bleiben?
Das hängt etwa von der Jahreszeit und den Füllständen in den Speicherseen ab. Wir gehen davon aus, dass dieser bis zu mehrere Wochen möglich ist. Das Ziel muss aber sein, möglichst bald wieder eine Synchronisation mit dem europäischen Verbundnetz und damit eine Gesamtversorgung herzustellen. Im Anschluss an einen Blackout könnte aber auch eine Art Strommangelsituation entstehen, in der wir bewusst mit Einschränkungen rechnen müssen.
Stichwort „Cyberattacken“. Ist der Schutz der Infrastruktur des Netzes, aber auch der Erzeugungsanlagen, der Kraftwerke, seit dem Vorfall von North Stream 2 bei Ihnen nun ein größeres Thema?
Der Schutz der kritischen Infrastruktur ist schon lange ein Thema, dazu werden auch entsprechende Anstrengungen unternommen, sowohl was den physischen Schutz anbelangt als auch bezüglich etwaiger Cyberattacken im Netz.
Was wird das Netz in Vorarlberg in Zukunft grundsätzlich stressen?
Stressen wird das Netz hoffentlich nichts, weil wir uns schon seit vielen Jahren darauf vorbereiten. Klar ist, dass der Umbau der Stromversorgung in Richtung der Erneuerbaren ganz neue Herausforderungen für die Stromnetze schafft. Da geht es einerseits um die starke Zunahme der dezentralen Einspeisung, aber auch um neue Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Verbraucher(innen). Zum Beispiel in Bezug auf E-Mobilität oder die Zunahme von Wärmepumpeneinsatz im Raumwärmebereich. Hier haben wir bereits mit der FH Vorarlberg ein Projekt durchgeführt, bei dem wir diese neuen Anforderungen auf unser Netz untersucht haben. Daraus konnten wir wirksame Maßnahmen ableiten. Eine optimale Entwicklung besteht aus einer gelungenen Kombination von klassischem Netzausbau, aber auch in einer weiteren Automatisierung und Digitalisierung der Netze.
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