Die Strapazen der Netze abfedern

1. Oktober 2024

Von Sri Lanka nach Vorarlberg zog es Ireshika Muhandiram. In Dornbirn wendet sie ihre Expertise in Energie- und Informationstechnik an, um unsere Stromnetze zu stabilisieren.

Eigentlich wollte ich nach Australien, aber dann wurde es doch Austria – zum Glück!“, erzählt Ireshika Muhandiram, Elektroingenieurin und seit 2018 Wissenschaftlerin am Forschungszentrum Energie der FHV (Vorarlberg University of Applied Sciences). Geboren in Sri Lanka, studierte sie dort Elektro- und Informationstechnik. „Ich wollte nach dem Studium unbedingt bei einem Energiekonzern in Sri Lanka arbeiten. Aber ich bekam den Job nicht – gut, denn sonst wäre ich nicht hier.“

So brachte sie eine Kollaboration zunächst in den hohen Norden. An der Universität Agder in Norwegen absolvierte sie einen Master in Erneuerbarer Energie. Auf der Suche nach einer anschließenden Doktoratsstelle suchte sie vor allem in Australien. Als ihr Betreuer sie schließlich auf die Position an der FH Vorarlberg aufmerksam machte, bewarb sie sich – und diesmal bekam sie die Stelle.

Die neuen Stromerzeuger integrieren

Ihr Profil passte ideal zu den Themen, die am Forschungszentrum Energie unter der Leitung von Peter Kepplinger behandelt werden. Sein Team befasst sich mit der Energieversorgung von morgen und untersucht, wie man neue Arten von Energieverbrauchern und -produzenten in unseren Netzen am besten integriert. Denn wenn in Zukunft mehr und mehr Elektroautos, Wärmepumpen, aber auch private Solaranlagen ans Netz gehen sollen, müssen sich auch unsere Stromnetze den neuen Bedingungen anpassen.

„Das Netz wird bald anderen Strapazen ausgesetzt sein als denen, für die sie vor zwanzig oder dreißig Jahren gebaut wurden. Unser Ziel ist es, dafür Lösungen zu finden – zum Beispiel durch einen smarten Algorithmus, der die Ladezeiten von Elektroautos optimiert. Und das mit minimalen technischen Maßnahmen“, beschreibt Muhandiram ihr Projekt. Ladevorgänge intelligent zu steuern, ist tatsächlich eine der großen Herausforderungen der kommenden Elektrifizierung des Heizens und der Mobilität. Denn sollten in Zukunft Hunderttausende Österreicher gleichzeitig am frühen Abend ihre Elektroautos aufladen und die Heizung höherstellen, würden auf einmal extrem große Strommengen verbraucht. Das könnte zu ernsthaften Problemen im Netz führen – von Spannungsabfällen bis hin zu Stromausfällen.

„Wir konnten ein Vorarlberger Niederspannungsnetz simulieren und einfache Lösungen finden, die das Netz stabil halten und keine privaten Daten von Kunden benötigen“, so Muhandiram. Hilfreich war die Kollaboration mit dem Netzbetreiber Vorarlberger Energienetze, der reale Daten zur Verfügung stellte und an der FHV die Illwerke VKW Stiftungsprofessur für Energieeffizienz mitfinanziert.

„Am besten funktioniert unser Optimierungsansatz, wenn wir vom Netzbetreiber Echtzeitdaten über das Netz bekommen und dann jeweils die Großverbraucher leicht drosseln.“ Die gesetzliche Grundlage wurde dafür in Deutschland heuer schon geschaffen. Neu installierte Verbraucher wie Wärmepumpen oder Ladestationen müssen dort in Zukunft vom Netzbetreiber regelbar sein. „Dieses neue Gesetz ist für uns sehr spannend“, sagt Muhandiram und hofft, dass Ähnliches auch in Österreich bald verabschiedet wird. So könnten die Netzbetreiber die smarten Algorithmen der FHV erstmals testen, zum Wohle aller Nutzer.

Offene Grenzen in Europa: Fantastisch!

Die Forscherin selbst lädt ihre Batterien am liebsten beim Reisen und Kochen auf. „Wenn man in Vorarlberg sri-lankisch essen will, dann muss man zu mir kommen, das nächste Restaurant ist nämlich in Salzburg“, lacht sie. Außerdem nützt sie die zentrale Lage Vorarlbergs für Reisen in ganz Europa. „Die offenen Grenzen in der EU sind fantastisch, vor allem für jemanden, der von einer Insel kommt.“

Arbeiten wird sie aber weiterhin in Dornbirn. Als Postdoktorandin will sie versuchen, mit künstlicher Intelligenz die Zeitpunkte, an denen es zu Problemen im Netz kommen wird, verlässlich vorherzusagen und die optimalen Maßnahmen vorzuschlagen, um das Netz zu stabilisieren. „Professor Keplingers Team ist ein fantastisches Umfeld für meine Forschung. Außerdem habe ich mich in Vorarlberg verliebt – wenn es geht, möchte ich bleiben.“
Wir wollen z. B. die Ladezeiten von Elektroautos optimieren.

Zur PersonIreshika Muhandiram (38) studierte Elektro- und Informationstechnologie an der Universität Ruhuna in Sri Lanka. Nach einem Master in Erneuerbarer Energie an der Universität Agder in Norwegen kam sie 2018 für ihr Doktorat an die Fachhochschule Vorarlberg (FHV), wo sie an optimalem Energieverbrauchsmanagement forscht.

von Julia Riedl

Die Presse