Seit dem Neujahrstag, sechs Uhr früh, fließt kein russisches Gas mehr durch die Ukraine nach Österreich – erstmals seit mehr als fünf Jahrzehnten. Gravierende Auswirkungen werden allgemein keine erwartet.
Im Jahr 2022 hätte das, was sich heute abspielt, noch als Horrorszenario gegolten – mit drastischen Auswirkungen auf Haushalte wie Unternehmen: Seit Mittwoch, sechs Uhr morgens, fließt kein Gas mehr aus Russland durch die Ukraine in Richtung Westen, auch nicht nach Österreich. Die älteste Gasverbindung aus Russland ist somit blockiert. Der Schritt erfolgt auf Betreiben der Ukraine, die – wie allgemein erwartet und angekündigt – den Transitvertrag mit Russlands Staatskonzern Gazprom mit 1. Jänner 2025 nicht mehr verlängert hat.
„Wir haben den Transit von russischem Gas gestoppt“, sagte der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko. Das sei „ein historisches Ereignis“.
Für Österreich bedeutet der Schritt den vorerst letzten Akt einer Abkopplung von russischer Energie, die sich in mehreren Schritten vollzog. Nach Beginn des Kriegs in der Ukraine im Februar 2022 hatte zunächst Russland seine Gaslieferungen auch nach Österreich reduziert, um Druck aufzubauen. Im November 2024 stellte dann Gazprom die Lieferungen an Österreichs OMV vollständig ein, nachdem die OMV ein Schiedsgerichtsverfahren eben wegen der reduzierten Lieferungen angestrengt und gewonnen hatte – es floss aber weiter Gas an andere Lieferanten. Im Dezember schließlich kündigte die OMV dann den Gasliefervertrag mit Russland, der bis zum Jahr 2040 gelaufen wäre.
Heute werden durch das Ende der Durchleitung keine wesentlichen Auswirkungen auf die Gaspreise erwartet, schätzt die Mehrheit der Experten. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) meinte, Österreich sei „gut vorbereitet“ und die Ukraine habe lange im Voraus klargestellt, den Transitvertrag nicht zu verlängern. Österreich hat in den vergangenen Jahren stark diversifiziert, etwa durch die Erschließung von Gasrouten zum Hafen von Rotterdam, um Flüssiggasimporte zu beziehen.
Zwar büßt Russland durch den Transitstopp laut Reuters jährlich knapp fünf Milliarden Euro an Gaseinnahmen ein – dennoch ist der Schritt auch für die Ukraine eine ambivalente Angelegenheit: Denn das Land bezog stets hohe Transitgebühren vom Kriegsgegner, konkret jährlich rund 770 Millionen Euro. Für Moskau indes ist der Weg nach Europa noch nicht völlig versperrt: Über die Turkstream-Pipeline im Schwarzen Meer fließt weiterhin russisches Gas in den Westen.
Nicht alle europäischen Länder können den Transitstopp so gut wegstecken wie Österreich und die EU-Staaten. Die Republik Moldau, die hochgradig von russischem Gas abhängig ist, muss den Gasverbrauch mit Einschränkungen reduzieren, etwa bei der Straßenbeleuchtung. Besonders hart trifft es das russlandnahe Transnistrien, das sich von Moldau abgespalten hat: Dort wurde am Mittwoch gar die Heizungs- und Warmwasserversorgung für die Haushalte eingestellt.
Für Österreich jedenfalls geht mit der Entscheidung in Kiew – eher still – eine Ära zu Ende. Im Jahr 1968 hat das Land als erstes westliches überhaupt Gas aus Russland bezogen. Damit ist es mit Beginn des Jahres 2025 endgültig vorbei.
Der Standard