Winter soll mehr Windkraft bringen

30. Jänner 2025

Statt große Mengen überschüssigen Solarstroms im Sommer teuer zwischenspeichern zu müssen, drängen Fachleute darauf, die typischen Wetterverhältnisse in der kalten Jahreszeit besser auszunutzen.

Der Befund ist eindeutig und seit langem bekannt: Der Weg zur Erreichung der Klimaneutralität, die Österreich 2040 und damit zehn Jahre früher als von der EU-Kommission vorgegeben erreichen will, führt einzig und allein über einen kräftigen Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Setzung energiesparender Maßnahmen. War in den bisher vorgelegten Szenarien aber von einem mehr oder weniger ausgewogenen Ausbau von Windkraft und Photovoltaik (PV) die Rede, plädiert Österreichs Energieagentur nun für ein Abgehen davon. Windkraft sollte deutlich stärker gewichtet werden, heißt es nun.

Unstrittig sei, dass die Stromerzeugung aus sauberen Quellen insgesamt stark ansteigen müsse, sollten fossile Energien, die beim Verbrennen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freisetzen, auf breiter Front zurückgedrängt werden. Christoph Dolna-Gruber, Günter Paurisch und Corina Schwarz haben mit weiteren rund 30 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Energieagentur ein Szenario erstellt. Sie kommen in ihrer Sicht der Energiewelt von morgen auf eine Verdoppelung des Strombedarfs von derzeit etwa 75 Terawattstunden (TWh) auf rund 149 TWh im Jahr 2040. In diesem Szenario müssen alle sauberen Energieformen ausgebaut werden, mehr als alle anderen aber die Windkraft.

Problem Winterschwäche

Warum das? Die Erklärung, die aus dem von der Energieagentur gezeichneten und am Mittwoch vorgestellten Szenario „Unsere Energiewelt 2040“ hervorgeht, klingt plausibel. Gerade im Winter, wenn die Sonne nur schwach scheint und die Wasserführung der Flüsse für gewöhnlich niedrig ist, sind Windräder vergleichsweise verlässliche Stromlieferanten.
Ein kräftiger Ausbau der Windkraft habe zudem den Vorteil, dass man sich teure Speicherlösungen erspare, um Überschussstrom aus dem Sommer in den Winter zu transferieren. Im Szenario der Energieagentur entfällt demnach der Löwenanteil, respektive 35 Prozent der 2040 erforderlichen 149 TWh auf Windkraft. 33 Prozent soll die Wasserkraft zur Gesamterzeugung beitragen, 22 Prozent PV und zehn Prozent thermische Kraftwerke.

Letztere sollen 2040 aber nicht mehr mit Gas befeuert werden, sondern mit grünem Wasserstoff (H2). Durch den Wandel zu einer fast vollständig CO2-freien Energieerzeugung – von derzeit 40 auf dann 97 Prozent erneuerbar – sei zugleich eine massive Reduktion der energiebedingten Treibhausgasemissionen möglich. Diese könnten gemäß Modellierung bis zum Jahr 2040 um nicht weniger als 96 Prozent gedrückt werden.

Zugleich sei das Energiesystem deutlich effizienter als heutzutage: Der Gesamtenergieverbrauch sinkt nach Berechnungen der Energieagentur um 21 Prozent, und das bei gleichzeitigem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Laut Statistik Austria, auf deren Prognosen sich das Szenario der Energieagentur stützt, werden in Österreich im Jahr 2040 sieben Prozent mehr Menschen leben; und die Wirtschaft wird bis dorthin im Schnitt um 1,5 Prozent pro Jahr wachsen.

Im Bereich Verkehr geht die Energieagentur von einer weitgehenden Elektrifizierung der gesamten Fahrzeugflotte aus – mit entsprechend starkem Effizienzgewinn. Der Energieverbrauch soll in diesem Bereich den Berechnungen zufolge von 96 TWh im Jahr 2023 auf nur noch 33 TWh im Jahr 2040 sinken.

Grüner Wasserstoff

Wo Elektrifizierung noch keine Option ist, wie in der Luft- und Schifffahrt beziehungsweise im Schwerverkehr, sollen grüner, mithilfe erneuerbarer Energien hergestellter Wasserstoff sowie erneuerbare Kraftstoffe Diesel und Benzin ersetzen. Fossile Brennstoffe zur Erzeugung von Raumwärme spielen in dem skizzierten Szenario ebenfalls kaum mehr eine Rolle: 38 Prozent der österreichischen Bevölkerung haben dann statt eines Öl- oder Gaskessels einen Fernwärmeanschluss, ein Drittel heizt mit Wärmepumpen, rund ein Fünftel mit Biomasse.

Österreichs Energieagentur hat auch die Industrie in ihre Überlegungen mit einbezogen. Als Ersatz für fossile Energieträger spiele in dem Bereich die Verfügbarkeit von erneuerbaren Gasen wie Wasserstoff und Biomethan, aber auch von synthetischen flüssigen Grundstoffen eine entscheidende Rolle. Insgesamt geht man von einem Bedarf von 19 TWh Wasserstoff bis 2040 aus. Rund ein Drittel davon könne realistischerweise im Inland erzeugt werden, der überwiegende Teil müsste und sollte über adaptierte bzw. neu zu bauende Pipelines aus Ländern bezogen werden, wo die Produktionskosten aufgrund günstiger geografischer Bedingungen niedriger sind als in Österreich. Dazu gehöre etwa Spanien mit deutlich mehr Sonnenstunden als Österreich.

Ein Umbau des Energiesystems, der mit gesetzlichen Regelungen und finanziellen Anreizen unterstützt werden müsse, sei auch volkswirtschaftlich ein Gewinn, sagte Dolna-Gruber, Leiter des Bereichs Strategy & Business bei der Energieagentur. Laut den letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2023 hat Österreich in Summe zwölf Milliarden Euro für fossile Energien ans Ausland bezahlt – 7,4 Milliarden für Erdöl, das hauptsächlich aus Kasachstan, Libyen und dem Irak importiert wurde; 4,3 Milliarden für Erdgas, das überwiegend aus Russland kam. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren bleibe die Wertschöpfung überwiegend im Land.

Der Standard