
Ohne finanziellen Ausgleich für die CO2-Bepreisung sehen Wissenschafter negative soziale Folgen. Dazu kommt: Zum Erreichen der Klimaziele müsste der CO2-Preis viel höher sein.
Wenn Ende März der Klimabonus für das Vorjahr in den verbliebenen Haushalten eingetroffen ist, erfolgt in Österreich bis auf weiteres keine Kompensation für die CO2-Bepreisung. Damit fehlen je nach regionaler Lage zwischen 145 und 290 Euro pro Erwachsenen in der Haushaltskasse – Geld, das aus Budgetnöten eingespart wird. Sehr wohl muss die Bevölkerung weiterhin den CO2-Preis stemmen, der heuer 55 Euro pro Tonne beträgt. Ungerechnet auf einen Liter Benzin ergibt das eine Mehrbelastung von 12,5 Cent.
Effektiv und effizient
Für Thomas Leoni, der an der FH Wiener Neustadt lehrt, ist „die Bepreisung von CO2 ein effektiver und ökonomisch effizienter Ansatz, um Emissionen zu senken“. Allerdings gibt er zu bedenken: „Für die gesellschaftliche Akzeptanz spielt die Frage der sozialen Gerechtigkeit eine große Rolle.“ Daran hakt es ohne finanzielle Kompensation wie den Klimabonus: Von Arm bis Reich stiegen die Lebenshaltungskosten, wobei der Zuwachs bei finanzschwachen Haushalten prozentual am stärksten ausfällt. Dazu kommen negative ökonomische Effekte durch die geringere Kaufkraft der Bevölkerung.
Anders sieht es mit der Kompensation aus: Wird diese pro Kopf verteilt, sinken die Lebenshaltungskosten der Ärmsten sogar, während der Anstieg bei den Reichsten nur gedämpft wird. Wird der Preisausgleich nur an niedrige und mittlere Einkommen ausgeschüttet, „sieht man ein ähnliches Muster, nur deutlich stärker“. Das hat auch Auswirkungen auf die Ungleichheit im Land, die in der Variante ohne Klimabonus zunehmen würde. „Ohne Rückvergütung erhöhen sich die Lebenshaltungskosten, wobei der Anstieg am Land stärker ausfällt als in der Stadt“, sagt Judith Köberl, die bei Joanneum Research forscht, in einer Onlineveranstaltung des Wissenschaftsnetzwerks Diskurs.
Wie wichtig sozialer Ausgleich für die CO2-Steuer ist, macht auch die nationale Klimarisiko-Einschätzung aus Deutschland deutlich. Die Uni der Bundeswehr München veröffentlichte sie im Februar, auch das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) waren beteiligt. Darin warnen die Sicherheitsexperten, dass der soziale Zusammenhalt innerhalb der EU-Staaten bröckeln könnte, wenn die Politik Klimamaßnahmen unsozial umsetzen würde. Als Beispiel führen sie explizit eine CO2-Bepreisung ohne sozialen Ausgleich an.
Aber sind solche Überlegungen, den Klimabonus beizubehalten, in Zeiten der Budgetkrise realistisch? Joanneum-Forscherin Köberl glaubt zwar nicht daran, würde aber zumindest eine Kompensation für vulnerable Haushalte empfehlen.
Die EU erachtet den CO2-Preis als eines der wirksamsten Mittel, um die Emissionen zu senken. Vor zwanzig Jahren führte sie ein Emissionshandelssystem ein, seither müssen unter anderem Energie- und Industrieunternehmen zahlen, wenn sie CO2 verursachen. Übernächstes Jahr wird die Union ein weiteres Emissionshandelssystem einführen, das auch die Sektoren Verkehr und Wohnen umfasst. Schließlich will die EU die Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent drosseln. Köberl verweist darauf, dass ab dann Kompensationsfonds vorgesehen sind, die den am stärksten betroffenen Haushalten zugutekommen sollen.
Tatsache ist, dass Kohlendioxid angesichts des zunehmenden wirtschaftlichen Risikos durch die Klimakrise noch nicht das kostet, was es kosten müsste. In Schweden liegt der Preis mittlerweile bei rund 125 Euro pro Tonne. Aber selbst das ist zu niedrig, die Kosten müssten „mindestens auf 200 bis 300 Euro steigen, um tatsächlich die derzeit bekannten, konservativ berechneten Kosten des Klimawandels zu reflektieren“, sagt Klimaökonom Gernot Wagner von der Columbia Business School.
668 Euro pro Tonne CO2
Im September berechnete die OeNB, wie hoch der CO2-Preis sein müsste, damit die Eurozone dieses Ziel erreicht – sofern es sonst keine Klimaschutzmaßnahmen gäbe. Das Ergebnis: Eine Tonne CO2 müsste 668 Euro kosten. „Das klingt angesichts unserer aktuellen CO2-Steuer in Österreich ziemlich hoch“, sagt Wolfgang Pointner, Mitautor der Studie. „Aber trotz dieser enormen Verteuerung von CO2-Emissionen bleiben die makroökonomischen Effekte recht überschaubar.“ Die Verbraucherpreise im Euroraum würden bis 2030 durch den höheren CO2-Preis um 6,4 Prozentpunkte steigen, das Bruttoinlandsprodukt wäre um 2,2 Prozent niedriger. „Diese Effekte treten kumuliert über sechs Jahre auf, das heißt, in jedem einzelnen Jahr liegen sie deutlich darunter“, erklärt Pointner.
Pointner betont allerdings, dass man das Klimaziel in der Realität nicht allein mit einer CO2-Steuer erreichen werde. „Wir wissen natürlich, dass der CO2-Preis nicht das einzige Instrument der Klimapolitik ist, um Emissionen zu reduzieren, dass es ein umfangreiches Maßnahmenbündel braucht, um dieses Ziel zu erreichen, und dass daher ein CO2-Preis von 668 Euro sehr unrealistisch ist.“ Der Preis wäre dann zwölfmal höher als derzeit in Österreich. Das würde pro Liter Benzin zusätzliche Kosten von 1,50 Euro bedeuten, wodurch sich der Gesamtpreis verdoppeln würde.
Der Standard