Photovoltaik bringt Stromnetz an seine Grenzen

31. Dezember 2025

Österreich will bis 2030 komplett auf Ökostrom setzen. Die größte Herausforderung liegt nicht bei der Erzeugung, sondern im Stromnetz. Ein präzises Lastmanagement könnte helfen.

Grüner Strom statt fossiler Energie: Österreich plant einen massiven Ausbau erneuerbarer Quellen. Trotz Budgetkrise und Sparzwang investiert die Bundesregierung weiterhin in den Ausbau nicht-fossiler Energiequellen. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz gibt konkrete Zahlen als Zielwerte vor. Schon jetzt entstammen fast 90 Prozent der Stromproduktion in Österreich aus erneuerbaren Quellen. Bis 2030 soll dieser Wert auf 100 Prozent gesteigert werden. Um das zu erreichen, sollen bis dahin weitere 27 Terrawattstunden (TWh) Ökostrom dazukommen.


Zum Vergleich: Laut Daten der unabhängigen Regulierungsbehörde E-Control betrug der gesamte Stromverbrauch in Österreich im Jahr 2024 knapp 75 TWh. Geplant ist also ein beträchtlicher Ausbau mit grünem Strom.


Bei den 27 Terawattstunden hat mittels Photovoltaik (PV) aus Sonne erzeugter Strom die Nase vorne. Geplant ist, dass bis zu elf TWh Strom aus PV-Anlagen kommen sollen, gefolgt von zehn TWh aus Windkraft, fünf TWh aus Wasserkraft und mindestens ein TWh aus Biomasse.


„Ehrgeiziges Ziel“
Wie schätzen Experten die Machbarkeit ein? „Das ist ein ehrgeiziges Ziel“, sagt Christian Kurz, Research and Development-Manager im Green Energy Lab. Die in Wien ansässige Forschungsinitiative beschäftigt sich mit angewandter Forschung im Bereich erneuerbarer Energielösungen.


Ehrgeizig sei das Ziel deshalb, weil an einigen technischen Stellschrauben gedreht werden müsse, um ein Mehr von elf TWh Sonnenenergie zu erreichen.


Der größte limitierende Faktor bei der Nutzbarmachung von PV-Strom sei derzeit nicht im Ausbau der Erzeugungskapazitäten zu suchen, sondern im Stromnetz, erklärt Kurz. Weil Sonnenstrom nur tagsüber erzeugt werden kann, ist die Einspeisung in dieser Zeit am höchsten, während in der Nacht kein Strom produziert wird. Diese ungleichmäßige Energieeinspeisung belastet die Netze enorm. Parallel zum Ausbau von PV-Anlagen müsse deshalb vor allem sichergestellt werden, dass die heimischen Stromnetze mit so viel Ökostrom überhaupt umgehen können. Das Green Energy Lab forscht an möglichen Lösungen.


Intelligente Nutzung
Eine davon ist die intelligente Nutzung von Stromspeichern. Gerade in der Mittagszeit produzieren Haushalte, die über PV-Anlagen verfügen, mehr Strom, als gebraucht wird. Am Abend hingegen steigt der Verbrauch meist wieder, dann scheint aber keine Sonne mehr. Hier kommen Batteriespeicher ins Spiel. Die derzeit verwendeten Speicher werden aber häufig ineffizient betrieben. Sobald die Sonne morgens aufgeht, wird die Batterie geladen und ist zu Mittag, wenn die höchste PV-Leistung erreicht wird, häufig schon voll.


Die Folge: Der überschüssige Strom wird ins Netz eingespeist und belastet dieses zu Mittag, am Abend steht dennoch zu wenig selbst produzierte Energie für den Endverbraucher zur Verfügung. Fallen die Lastspitzen durch die gleichzeitige Einspeisung vieler Haushalte zu Mittag zu hoch aus, muss die Einspeisung vielleicht sogar begrenzt und Anlagen vom Netz genommen werden. Potenziell verfügbarer Strom wird somit vergeudet. Ein vorausschauender Einsatz von Batterien soll hier helfen und das Netz entlasten.


Ein Lösungsansatz könnten sogenannte Redox-Flow-Batterien sein, die eine Alternative zu den üblichen Lithium-Ionen-Akkus darstellen. Redox-Flow-Batterien erleiden beim täglichen Laden und Entladen keine Kapazitätsverluste. Außerdem trägt die längere Lade- und Entladezeit dazu bei, dass die Batterien nicht bereits zu Mittag vollständig gefüllt sind. Damit soll die Problematik der zu hohen Einspeisung zur Tagesmitte abgefedert werden.
Ein noch effizienterer Hebel sei laut Kurz jedoch das prognosebasierte Lastmanagement. Der Hintergrund: PV-Anlagen sind stark vom lokalen Wetter abhängig. Eine einzelne große Wolke kann dazu führen, dass ein gesamter PV-Park innerhalb von Sekunden von totaler Auslastung auf praktisch keine Stromproduktion herunterfällt. Sobald die Wolke vorbeigezogen ist, steigt die Einspeisung sprunghaft wieder an.


Starke Wetterabhängigkeit
Der übliche Wetterbericht, der angibt, dass in einem Zeitfenster von mehreren Stunden Wolken in einem Gebiet auftreten, ist für PV-Anlagen-Betreiber zu grob. Genau hier setzt das prognosebasierte Lastmanagement an. „Wesentlich ist es, die kurzfristige Prognosequalität von Wetterereignissen zu erhöhen, dann können PV-Parks Lastspitzen sinnvoll managen“, erklärt der Forscher.


Präzise kurzfristige Prognosen, die einen Zeitraum von ein bis zwei Stunden abdecken, könnten helfen. „Wenn ich sagen kann: in einer Stunde breitet sich hier ein Wolkenfeld aus, kann ich in Echtzeit darauf reagieren. Daher sprechen wir von Nowcasting im Gegensatz zum viel gröberen Forecasting.“


Um das möglich zu machen, müssen lokal viele Daten gesammelt und mit den verfügbaren meteorologischen Daten gekoppelt werden. Den Forschern vom Green Energy Lab schwebt vor, dass PV-Parks künftig selbst zu einzelnen lokalen Datenpunkten in einem Gesamtnetzwerk werden. „So wird ein kleinräumiges Nowcasting der aktuellen Wetterentwicklung in einem Gebiet möglich“, sagt Kurz.


„Aus der Vernetzung von PV-Parks kann dann etwa prognostiziert werden, dass die Produktion aufgrund einer vorbeiziehenden Wolke um 10:30 einbrechen, aber um 10:38 wieder voll da sein wird, wenn die Wolke vorbeigezogen ist. Werden die Daten geteilt, kann sich ein benachbarter PV-Park darauf einstellen, dass die Wolke später bei ihm ankommen wird.“ Strom kann dann zwischengespeichert werden und steht zur Verfügung, solange die Produktion durch das Wolkenfeld reduziert wird. Bis dies im großen Stil möglich ist, wird aber noch die ein oder andere graue Wolke den heimischen PV-Ausbau eintrüben.

Der Standard