Eine planungssichere Regulierung lockt Investoren aus dem Ausland mit Energieprojekten an – auch aus Österreich. Der teilstaatliche Verbund-Konzern will seine Photovoltaikkapazitäten von 300 auf knapp 2000 Megawatt ausbauen.
Als die Energiepreise in Europa infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine in die Höhe schnellten, war Spanien jenes Land, auf das alle Augen gerichtet waren. Weil sich die linke Regierung in Madrid die geografisch bedingte Eigenständigkeit des iberischen Energiemarkts zunutze machte und einen Deckel auf Strom- und Gaspreise einführte, kam das Land vergleichsweise ungeschoren davon. Ein halbes Jahr lang lag man weit unter den Börsenpreisen aller anderen EU-Länder, die allgemeine Teuerungsrate lag bereits unter dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), als Österreich noch mit 7,8 Prozent kämpfte.
Mittlerweile greift ob gesunkener Marktpreise der staatliche Preisdeckel kaum noch – die Blicke auf die Iberische Halbinsel sind aber geblieben. 2023 war Spanien das Land mit den meisten aus dem Ausland finanzierten Erneuerbaren-Projekte weltweit. Auch aus Österreich fließen Abermillionen, vor allem Österreichs größter Stromerzeuger, die Verbund AG, setzt auf das sonnenreiche Spanien, um seine Konzernziele für den Ausbau von Wind- und Solarenergie zu erreichen.
„Wir sind ein starker Wasserkrafterzeuger“, weiß Dietmar Reiner, Geschäftsführer von Verbund Green Power und dessen spanischer Tochter Green Power Iberia mit Sitz in Madrid. „Und wir sind zur Überzeugung gekommen, unser Geschäftsfeld diversifizieren zu müssen.“ Das heißt: mehr Solar- und Windparks, etwa in Deutschland, Italien, Rumänien und Albanien. „Unser größter Auslandsmarkt ist aber Spanien.“ 680 Megawatt (MW) an Leistung sind hier ans Netz angeschlossen. 300 davon werden von PV-Anlagen erzeugt, der Rest aus Wind.
Eine der Solarflächen befindet sich in Manzanares, einer Kleinstadt südlich von Madrid. Bis zu 50 MW können hier aus Sonnenkraft erzeugt werden. In einer Region, deren Landschaftsbild von heißen, trockenen Sommern und kahlen Feldern geprägt ist. Steht man auf dem 108 Hektar großen Gelände „Calatrava II“, sieht man vor allem eines: viele Solarpaneele. Rund 76.600 Stück liefern hier seit Juni bis zu 100 Gigawattstunden Strom, der über eine drei Kilometer lange unterirdische Leitung zum Umspannwerk fließt, wo die Spannung von 30 auf 400 Kilovolt (kV) transformiert wird, bevor die elektrische Energie ins öffentliche Höchstspannungsnetz eingespeist wird.
34 Millionen Euro hat Verbund in die Entwicklung investiert, 30.000 Haushalte könnten mit der erzeugten Strommenge versorgt werden. Theoretisch. Praktisch will die Verbund-Tochter Industriekunden mit langfristigen Liefervereinbarungen zu vorab vereinbarten Konditionen an sich binden. Das kommt nicht von ungefähr. Die tagesaktuellen Strompreise schwanken teils gewaltig, im April verzeichnete der iberische Mibel-Strommarkt ein historisches Tief. Das drückt auf die Margen der Windkraft- und Solaranlagenbetreiber – umso stärker, je kurzfristiger die Produktionsmengen an der Börse verkauft werden. Strategische Abnehmer können so rentableres Wirtschaften ermöglichen – vor allem aber für Planungssicherheit sorgen.
Das zeigen auch Daten der Energiesektion des Unternehmensberaters EY Spain. Demnach lag die Volatilität in den vergangenen vier Jahren bei diesen sogenannten Power-Purchase-Agreements (PPA) bei nur einem Zehntel der kurzfristigen Spotpreise.
Planungssicherheit ist es auch, die den Verbund nach Spanien lockte, sagt Reiner. 2020 verabschiedete die Regierung in Madrid zwei verknüpfte Gesetze, die genau nach einem solchen PPA-System funktionieren. In einer Auktion ersteigern Betreiber von Wind- und PV-Projekten Kapazitäten im Stromnetz. Dabei verpflichten sie sich, gewisse Meilensteine zu erreichen, etwa eine Baubewilligung für die neue Anlage innerhalb von zwölf Monaten. Dafür wird eine Sicherheit hinterlegt, 40.000 Euro pro Megawatt an angemeldeter Leistung. Der Energieerzeuger hat damit einen Anreiz, Projekte umzusetzen und bekommt den Netzanschluss.
In Österreich läuft dieser Prozess anders, erklärt der Chef von Verbund Green Power Iberia. Hierzulande kaufe man zuerst das Grundstück, trete dann in Kontakt mit dem Netzbetreiber, ehe es in lange Behördenverfahren gehe. Weil mit Netzbetreibern keine fixen Vereinbarungen getroffen würden, bevor es die behördliche Genehmigung gebe, „kann es im schlimmsten Fall passieren, dass man mit einem genehmigten Projekt dasteht, wofür man keinen Netzanschluss hat“.
Grenzen in Österreich
Die angepasste Regulatorik soll Spanien dabei helfen, die selbstgesteckten Ausbauziele zu erreichen. Schätzungsweise 117 Milliarden Euro werden bis 2030 benötigt, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung von 50 auf 81 Prozent hochzuschrauben. Im Gegenzug sollen nicht nur Öl und Gas zurückgedrängt, sondern auch die aktuell noch sieben Kernkraftwerke vom Netz genommen werden. Aktuell liefert die Atomkraft noch ein Viertel der Stromproduktion Spaniens. Der jährliche Ausbau von PV muss sich verdoppeln, jener für Windkraft verdreifachen.
Damit gewann die Regierung in Madrid den Verbund für Investitionen. 19 Solaranlagen mit einer maximalen Gesamtleistung von 1600 MW sollen in eineinhalb Jahren aufgestellt werden plus zwei Pumpspeicher- und ein Wasserstoffprojekt.
Für den teilstaatlichen Wasserkraftriesen geht es um nicht weniger als das Erreichen der selbstgesteckten Ziele. Bis 2030 soll ein Viertel der Stromproduktion aus Wind- und Solarparks stammen. Aktuell dominiert die Wasserkraft mit einem Anteil jenseits der 90 Prozent. Auf österreichischem Boden lässt sich dieses Vorhaben nicht stemmen – umso wichtiger werden strategische Märkte mit großen Freiflächen wie Spanien.
Die Reise erfolgte auf Einladung von Oesterreichs Energie und Verbund.
Der Standard