Rekordmenge an russischem LNG landet in Europa

7. Jänner 2025

2024 ist so viel verflüssigtes Erdgas aus Sibirien in die EU gelangt wie noch nie. Das ist dennoch weniger, als Russland auf den Pipelinerouten verloren hat.

Das Ende des Gastransits durch die Ukraine bedeutet nicht das Ende russischer Gaslieferungen nach Europa. Wie aktuelle Daten zeigen, hat das wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine vielfach sanktionierte Russland seine Anstrengungen erhöht, Kapazitäten zur Verflüssigung von Erdgas auszubauen und mehr Gas mit Schiffen zu exportieren. Dies und die Tatsache, dass Erdgas im Gegensatz zu Rohöl und Kohle nicht sanktioniert ist, kommt Russland zumindest teilweise entgegen.

In dem soeben zu Ende gegangenen Jahr 2024 hat Europa so viel LNG aus Russland bezogen wie noch nie. Laut dem Datenspezialisten Kpler haben Händler in der EU allein bis Mitte Dezember 16,5 Millionen Tonnen russisches LNG eingekauft. In gasförmigen Zustand transferiert, sind das gut acht Milliarden Kubikmeter. Das ist mehr, als 2023 an verflüssigtem Erdgas aus Russland nach Europa gelangt ist (15,18 Millionen Tonnen. Das bisherige Rekordjahr war 2022. Damals kamen 15,21 Millionen Tonnen russisches LNG nach Europa.

Mehr Spot

Dennoch muss man die Kirche im Dorf lassen. Die 16,5 Millionen Tonnen russisches LNG respektive acht Milliarden Kubikmeter entsprechen in etwa einem Jahresverbrauch von Erdgas in Österreich.

Statt langfristiger Lieferbeziehungen, die nicht nur bei Pipelinegas, sondern auch bei LNG wegen der hohen Kosten für den Infrastrukturaufbau das Maß aller Dinge war, ist nun ein Schwenk zu mehr Kurzfristigkeit beobachtbar. Rund ein Drittel der LNG-Importe russischer Herkunft in die EU-27 erfolgte im Berichtsjahr im Rahmen sogenannter Spotverträge. 2023 wurden nach Angaben des Energieberatungsunternehmens Rystad Energy nur 23 Prozent der russischen LNG-Mengen nach der Devise „Jetzt kaufen, jetzt bezahlen“ beschafft.

Der Spothandel habe zugenommen, weil die Händler „ihre Ladung billiger (aus Russland) geliefert bekommen können“, zitiert die Financial Times Christoph Halser, Gasanalyst bei Rystad. Der Preis für verflüssigtes Erdgas, das vom russischen Jamal-Terminal nach Europa geliefert werde, sei „deutlich niedriger“ als jener für Gaslieferungen aus den USA.

Abhängigkeit gesunken

Lange Zeit hat Europa rund 40 Prozent seines Gasbedarfs aus Feldern in Sibirien bezogen, größtenteils über Pipelines. Länder wie Ungarn, die Slowakei oder Österreich waren zu 80 Prozent und mehr von russischen Gaslieferungen abhängig. Aktuell machen die gesamten Gasimporte aus Russland einschließlich Pipelinegas noch etwa 16 Prozent aus.
Und wie viel LNG gelangt insgesamt nach Österreich? „Dazu gibt es keine gesicherten Informationen“, sagte Stefan Wagenhofer, Geschäftsführer bei Gas Connect Austria, kürzlich dem STANDARD. Die Qualität sei ident, egal ob das Gasmolekül direkt in die Pipeline eingespeist werde oder zunächst in verflüssigter Form bei minus 162 Grad im Schiffsbauch transportiert und anschließend regasifiziert in das Pipelinesystem gelangt.

Gas Connect Austria ist ein Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber im Mehrheitsbesitz des Verbunds, der auch für den Gasknoten Baumgarten zuständig ist. Von diesem Ort an der slowakischen Grenze aus wurde jahrzehntelang einlangendes russisches Gas weiterverteilt. Damit ist seit den frühen Morgenstunden des 1. Jänner 2025 Schluss. Der Grund: Die Ukraine hat bereits vor Monaten angekündigt, den zuletzt Ende 2019 erneuerten Transitliefervertrag mit Russland nicht mehr zu verlängern. Der Ukraine entgehen dadurch Einnahmen von rund einer Milliarde Dollar pro Jahr, deutlicher sind aber die Einbußen für Russland. Einer Berechnung der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zufolge bedeutet der Lieferstopp durch die Ukraine für Russland einen jährlichen Verlust von 6,5 Milliarden Dollar. Das ist das, was die Regierung in Kiew mit der Nichtverlängerung des Transitvertrags bezweckt.

Versorgung gesichert

In Österreich sei die Versorgung auch ohne russisches Pipelinegas gesichert, heißt es in Expertenkreisen. Preisspitzen etwa während länger anhaltender Frostperioden seien dennoch möglich. Weil die allermeisten Haushalte aber langfristige Verträge mit ihren Lieferanten haben, sollten sie solche kurzfristigen Preisbewegungen nicht bemerken.

Der Standard