
Heimische Firmen erzeugen zentrale Bauteile für Windräder. Die Branche gewinnt an Bedeutung, ärgert sich in Österreich aber über eine Bremse der Regierung.
EU-weit steigt der Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung: auf 17,4 Prozent 2023, 128 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Am Trend ändert sich nichts, im Gegenteil: Europa profiliert sich nicht nur als ambitionierter Produzent von Windstrom, sondern auch in der Herstellung von Windkraftanlagen. Anders als in Technologien, in denen chinesische Unternehmen Europa den Rang ablaufen (Photovoltaik), führt Europa in der Windkraftindustrie.
Weltweit befindet sich die Branche im Aufwind, das wurde bei der Leistungsschau „Wind Europe 2025“ deutlich. Selbstbewusst vergewisserte sich die Branche dort ihrer Stärke. Gastgeber ist die europäische Hauptstadt der Windkraft, Kopenhagen. 56 Prozent des dänischen Strombedarfs werden aus Windenergie gedeckt.
Hohe Strompreise beschäftigen die Industrie in ganz Europa, vor allem in Deutschland. Neben dem Stellenwert der Windkraft als erneuerbare Energie rückt daher die Bedeutung der Branche als Stärkefeld Europas im internationalen Wettbewerb in den Fokus. Die Kapazitäten werden europaweit ausgebaut. Deutschland verfolgt eine ambitionierte Offshore-Windkraft-Strategie und will bis 2040 allein offshore 70 Gigawatt (GW) Leistung neu ans Netz anschließen, 30 GW davon bis 2030, sagt Stefan Kapferer, CEO des großen deutschen Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz.
Deutschlanderlebte einen Boom beim PV-Ausbau, sagt Kapferer, doch das bringt Stress ins System.. „Wir brauchen für die Balance deutlich mehr Ausbau der Windkraft, denn Wind weht auch nachts und wenn sich Wolken vor die Sonne schieben.“ Bei Onshore-Windkraftanlagen – also auf Land – erlebt Deutschland einen extremen Anstieg der Genehmigungen, seit zwei Prozent der Fläche jedes Bundeslandes für den Windkraft-Ausbau reserviert wurden. Man habe den Rückstand aufgeholt, Genehmigungsverfahren wurden vereinfacht, die Regelung, dass Standortgemeinden mit 0,2 Cent pro kWh Strom partizipieren, schaffe Akzeptanz. Deutschland sei damit Vorreiter in Europa, sagt Benjamin Seifert von Enercon, die in Österreich auf Onshore-Anlagen spezialisiert ist.
Beim gigantischen Windkraft-Event in Kopenhagen drehte sich viel um riesige Windparks vor den Küsten. Mittendrin das Binnenland Österreich: Palfinger Marine steuert heute bereits zehn Prozent zum Umsatz des Salzburger Kran-Riesen bei. Palfinger-Kräne sind integraler Bestandteil Hunderter Windräder auf hoher See. Die für die speziellen Bedingungen am Meer erzeugten Kräne kommen etwa bei Turbinen, auf Plattformen und in Booten zum Einsatz. Iavor Markov ist Segment-Manager, er vergleicht die aktuelle Situation mit den ersten Enthusiasmus-Jahren der Windenergie. Offshore-Großprojekte sprießen derzeit überall aus dem Meer, von Vietnam über Japan bis zum Baltikum bis nach Griechenland. Vor allem aber im nördlichen Europa.
Kein österreichisches Unternehmen errichtet „ganze“ Windräder, doch einige sehr erfolgreiche gelten als „Hidden Champions“ beim Bau von Komponenten. Ein Drittel der 150.000 Windräder weltweit ist mit Steuerungsanlagen des Feldkircher Produzenten Bachmann ausgerüstet. 15.000 Windkraftanlagen in Europa und den USA werden von Bachmann zudem überwacht, um Fehlfunktionen früh zu erkennen, sagt Gabriel Schwanzer. Das „Gehirn“ von Windkraftanlagen wird zur Gänze in Österreich erzeugt. Ein wachsender Zweig ist „Retrofit“, die Verlängerung der Lebensdauer von Anlagen.
Zwei heimische Betriebe wollten keine Einzelkämpfer mehr sein und schlossen sich mit drei europäischen Partnern zu den „Big 5“ (B5) zusammen: Linsinger aus Steyrermühl erzeugt Spezialmaschinen zur Vorbereitung von Blechplatten, erzielt 15 Prozent des Umsatzes von 100 Millionen Euro im Wind-Geschäft. Miba kennt man aus dem Automotive-Bereich und erzeugt 27 Tonnen schwere Sondermaschinen für die Vorbereitung von Schweißnähten. Im Offshore-Bereich ist Miba damit Weltmarktführer, erzählt der Managing Director von Miba Automation Systems, Klaus Weberndorfer.
Was viele in der Windbranche beschäftigt: der Stopp von Windkraftprojekten durch US-Präsident Donald Trump. „Die USA sind für den Windmarkt in den nächsten vier Jahren tot“, sagt Weberndorfer. Statt in neue Anlagen zu investieren werden alte revitalisiert, bei Bachmann freut man sich über einen Retrofit-Auftrag für 180 US-Windräder. In der Zwischenzeit dreht sich das Rad im Rest der Welt weiter. Die Zukunft im Offshore-Bereich seien schwimmende Windräder, sagt Iavor Markov von Palfinger Marine. Die nächste Generation habe Spannweiten bis zu 236 Meter, Gesamthöhen bis zu 270 Meter. Solche Giganten sind aber nicht die Regel: Drei Viertel der neuen Windräder werden in Europa an Land errichtet.
In Österreich ist die Pipeline mit Investitionen zwar gut gefüllt, dennoch plagen Florian Maringer, den Geschäftsführer der IG Windkraft, Sorgen. Die Vertrauensbasis zur Politik sei vergiftet, Projekte eingefroren, Investitionen „on hold“. Maringer: „Wir könnten ein paar Milliarden Euro investieren, zwei Gigawatt wären in den nächsten drei Jahren baureif.“ Was die Windkraft-Branche verunsichert: Die Belastung durch den Energiekrisenbeitrag und höhere Netzgebühren. Zudem irritiere die Regierung mit Evaluierungs-Ansagen. Lieber wäre Maringer, die Bremsen würden gelöst: „Es bräuchte gesetzliche Mengenvorgaben zur Windkraft an die Länder, ein Bekenntnis zum Ausbau und keinen Eingriff in die Substanz. Die Branche will nicht mehr als Bittsteller behandelt werden.“
Die Teilnahme an der Reise erfolgte auf Einladung IG Windkraft.
70Gigawatt Leistung aus Windkraft in Küstennähe (offshore) will allein Deutschland bis zum Jahr 2040 ans Netz anschließen, 30 Gigawatt bis 2030. Auch im Land nehmen die Genehmigungen zu.
von Uwe Sommersguter
Neue Vorarlberger Tageszeitung