Sonnenfinsternis

5. Dezember 2025

Zwischen überzogenen Förderungen und chinesischer Dumpingkonkurrenz: wie der kleinstrukturierten Photovoltaikbranche in Österreich der Stecker gezogen wurde und sie nun verzweifelt den Anschluss sucht.
Eigentlich sollte in dem Reich die Sonne nicht untergehen. Gefördert, gefordert, politisch hofiert – und wirtschaftlich überhitzt. In Rekordtempo wurden Dächer eingedeckt, Solarparks aus dem Boden gestampft, Montagebetriebe gegründet und Produktionslinien erweitert.


Heute weiß man: Der Boom der PV-Branche war eher eine Art Solarblase, gespeist aus großzügigen Subventionstöpfen, ehrgeizigen Ausbauzielen und weltpolitischem Rückenwind. Jetzt gibt es durchaus hohe installierte Kapazitäten zur grünen Stromerzeugung (8,2 Gigawatt, das Vierfache aller Donaukraftwerke) – aber wirtschaftlichen Sonnenbrand nach dem Sonnenbad. Statt einer Welle von Green Jobs schwappt eine Pleitewelle über Projektbetreiber und Komponentenhersteller in Österreich. Es geht um sinkende PV-Stromerlöse, gekappte Förderungen – und besonders um die Konkurrenz durch chinesische Dumpingimporte.


Peter Prasser, Miteigentümer und Geschäftsführer von Modulproduzent Sonnenkraft (Kioto): „Ich verstehe Europa nicht. Wir hatten die PV-Kompetenz, dann haben sich die Chinesen mit ihrer Diskontstrategie selber übernommen. Und nun macht sich die EU zum Mistkübel der Welt, indem sie alles zu Dumpingpreisen übernimmt, was China zu viel produziert. So wird der letzte Rest an PV-Know-how bei uns auch zerstört.“


Was heute als Krise sichtbar wird, ist ein unerwünschter Nachzieheffekt aus den Vorjahren, als sich Bund, Länder und EU mit Förderinstrumenten überboten, die eines einte: Sie sollten schnell wirken. Die Devise lautete: bauen, bauen, bauen – und zwar sofort. Die Kapazitäten wuchsen schneller, als ein langfristig robuster Markt entstehen konnte. Hersteller verdoppelten oder verdreifachten ihre Fertigung, Installateure stellten massenhaft Personal ein. Selbst branchenfremde Unternehmen und Investoren wagten den Einstieg, angelockt durch scheinbar sichere staatliche Zuschüsse und Einspeisetarife.


Das Strohfeuer an Projekten war jedoch nur von kurzer Dauer. Mit der Kürzung der Förderung 2025 brach die Nachfrage abrupt weg, laut Branchenradar Photovoltaik in Österreich schrumpft der Markt für PV-Paneele heuer voraussichtlich um knapp 18 Prozent, der Rückgang bei der installierten PV-Kapazität ist im ersten Quartal 2025 mit minus 27,9 Prozent noch höher, er betrifft zum überwiegenden Teil Einfamilienhäuser.


Viele PV-Anbieter sitzen nun auf hohen Lagerbeständen, Fixkosten, Personalständen und Maschinenparks, die für eine Zeit ausgelegt waren, die es so nicht mehr gibt. PV-Pionier Rene Battistutti, einer der Gründer des Modulherstellers Energetica, der bereits 2023 Insolvenz anmelden musste: „Die Branche war den Förderungen ausgeliefert, jetzt bleiben viele auf der Ware sitzen. Es wäre besser gewesen, niedrigere Förderungen für einen langsamen Marktaufbau einzurichten, das dafür aber konstant. Jetzt sind es die großen Energieversorger, die sich den Markt wieder zurückholen.“


CHINAWARE. Parallel dazu rollt eine Welle chinesischer Solarmodule über Europa, sie machen 95 Prozent aller in Österreich verbauten Teile aus, schätzt die Branche. Durch chinesische Planwirtschaft, riesige Produktionsvolumina und aggressiv subventionierte Preisstrategien sind sie oft um bis zur Hälfte billiger als europäische – obwohl die EU laut ihrem Clean Industrial Deal 40 Prozent der PV-Lieferkette selber herstellen will.
Prasser: „Es ist schon tragisch, dass Europa erst dann aufwacht, wenn es darum geht, dass uns die Chinesen nun auch bei der Autoherstellung ausbremsen. Da beginnen nun erstmals alle zu verstehen, dass es schlicht um den Industriestandort Europa geht.“


Besonders bitter ist für KMU die Rolle großer Energieversorger. Während kleine Installationsfirmen mühsam versuchen, den lokalen Produktionsstandort zu verteidigen, decken sich die Stromkonzerne in öffentlichem Besitz oft selbst mit chinesischen Modulen ein und bieten Komplettanlagen an, die preislich kaum zu unterbieten sind, heißt es.
Ein klassischer Verdrängungseffekt – allerdings in einem Markt, der ohnehin schon übersättigt ist. Viele kleine Marktteilnehmer berichten, wie sie unterboten werden. Battistutti: „Das Schräge an der Sache ist ja, dass wir beim Einkauf der Rohware aus China höhere Zölle zahlen, als wenn das gleiche Material in einem Modul aus China bereits eingebaut ist.“


MISSMANAGEMENT. Nicht nur die Modulhersteller geraten in Schwierigkeiten. Die Insolvenzen häufen sich auch bei Projektbetreibern, Beratern und Planungsunternehmen, gerade im zweiten Halbjahr 2025, von 10hoch4, einem PV-Planer, der gemeinsam mit der Burgenland Energie auf dem Dach des XXXLutz-Zentrallagers im Burgenland die größte Dachanlage Österreichs errichtet hatte, bis hin zu Sun Contracting, einem PV-Finanzierungsdienstleister, der für die voestalpine tätig war. Auch Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Lobbyingverbands PV-Austria, klagt: „Dieses politische Missmanagement und die damit verbundene Verunsicherung haben zusätzliche Insolvenzen befeuert, die mit klaren Rahmenbedingungen und Planungssicherheit vermeidbar gewesen wären.“

GEGENSTRATEGIE. Jetzt ist guter Rat teuer. Eine Alternative ist, die Wertschöpfung innerhalb der Unternehmen zu erhöhen, wie etwa Fronius, der oberösterreichische Hersteller von Wechselrichtern, jenen Geräten, die den PV-Gleichstrom in den im Stromnetz üblichen Wechselstrom umwandeln.


CEO Elisabeth Engelbrechtsmüller-Strauß ist eben dabei, eine eigene Batteriefertigung aufzubauen, um unabhängiger von Fremdlieferanten zu werden. Vor einem halben Jahr hat man den PV-Batteriespeicher Reserva gelauncht und wird damit zum Komplettanbieter für Sonnenstromproduzenten.

Der Schweißtechnik- und PV-Spezialist hat durchaus turbulente Zeiten hinter sich. Schon 2024 musste das Unternehmen mit seinem hohen Exportanteil einen massiven Einbruch hinnehmen: Die Gründe sind rückläufige Nachfrage, übervolle Lager in ganz Europa, Preisverfall bei Wechselrichtern, verschobene Großprojekte. Über 1.000 Mitarbeiter aus der PV-Sparte mussten das Unternehmen verlassen, statt 156 Millionen Euro Gewinn wie im Jahr 2023 verbuchte Fronius einen Verlust von 173 Millionen Euro. 2025 sollte besser laufen, hofft Engelbrechtsmüller-Strauß.
Andere Marktteilnehmer verlegen sich auf Marktnischen, an denen die Chinesen wenig Interesse haben, wie etwa PV-Pionier Battistutti, der nach dem Aus für Energetica mit Trigoo gleich sein nächstes PV-Unternehmen gründete. Im Unterschied zu früher hat er sich diesmal auf Spezialmodule für fassadenintegrierte Anlagen konzentriert.


Ähnliches versucht die Kärntner Sonnenkraft. Auch hier reduzierte sich der Umsatz 2024 um mehr als die Hälfte, man rutschte tief in die roten Zahlen. Das laufende Restrukturierungsprogramm gibt dem Unternehmen noch ein halbes Jahr Zeit: Im Export nach Italien, wo es einen ausgeprägten „Made in Europe“-Bonus auf Solarmodule gibt, sowie nach Frankreich will man so weit wieder Fuß fassen, dass gar das übergeordnete Unternehmensziel wieder in greifbare Nähe rückt, Europas größter PV-Modul-Produzent zu werden.


SPITZENKAPPUNG. Wenig Hilfe erwartet sich die Branche mittlerweile von den politischen Rahmenbedingungen. Der heimische „Made in Europe“-Bonus ist zu wenig, und trotz offiziellem staatlichem Ausbauplan mit PV-Zielen für einzelne Bundesländer bleibt die Umsetzung hinter den Erwartungen zurück. Weitere Gesetze, die den Ausbau beschleunigen könnten und der Branche die notwendigen Impulse verleihen würden, wie das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, kurz EABG, lassen noch auf sich warten.


Besonders kritisch bewertet man den Entwurf zum neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG oder auch Günstiger-Strom-Gesetz), der eben präsentiert wurde. Die dort auch vorgesehenen neuen Netzeinspeisetarife für große PV-Anlagen könnten den Kostendruck gar weiter erhöhen. Gleiches gilt für die neue Möglichkeit, dass die Netzbetreiber bei Bedarf Ertragsspitzen der PV-Kraftwerke extern kappen können.


Da andererseits die Einspeisetarife in Zukunft stärker marktbasiert berechnet und die Erlöse potenziell niedriger ausfallen werden, rechnen viele Projektentwickler mit einer geringeren Profitabilität großer Anlagen. Für die Branche bedeutet das: weniger Großaufträge, noch mehr Konkurrenz bei kleineren Projekten – und eine weitere Verschärfung der Marktbereinigung.


Die sonnigen Zeiten für KMU sind vorbei. Es sei denn, man schließt sich an große Energieversorger an, wie Solavolta aus dem Burgenland, das nach schwierigen Jahren Ende 2024 von Verbund übernommen wurde. Es wird nicht das letzte Unternehmen gewesen sein. „Es wäre besser gewesen, niedrigere Förderungen für einen langsamen Marktaufbau einzurichten, das dafür aber konstant.“ Rene Battistutti, PV-Pionier, Trigoo-Fassadenmodule.

trend