Theoretisch müssen ab Juli alle Unternehmen für ihre CO2-Emissionen zahlen. In der Praxis werden die Kosten vielen rückerstattet.
Ab Juli ist, abgesehen von Industrieanlagen und Kraftwerken, die schon im EU-Emissionshandel (ETS) für Verschmutzungsrechte zahlen, kein Unternehmen von der neuen CO2 -Abgabe von zunächst 30 Euro je Tonne ausgenommen. So sieht man es jedenfalls im Klimaschutzministerium. Ganz so ist es nicht, wie ein Blick in die Details der ökosozialen Steuerreform zeigt, die den klimaschonenden Umbau der Wirtschaft antreiben soll.
Denn für besonders betroffene Sektoren im internationalen Wettbewerb ist die Rückerstattung von 65 bis 95 Prozent der Zusatzkosten vorgesehen. Auch für die Landwirtschaft gibt es Entlastungsmaßnahmen. Darüber hinaus ist eine Härtefallregelung für Unternehmen geplant, deren Energiekosten 15 Prozent der Gesamtkosten übersteigen. Nicht nur diese Regel lässt noch viele Fragen offen, die in eigenen Verordnungen geklärt werden sollen.
Die Wirtschaftskammer (WKO) spricht von einem insgesamt ausgewogenen Paket, das auf die Betriebe zukomme, und lobt, dass ein ähnlicher Weg wie in Deutschland gewählt werde. Die Kompensation für energieintensive Produktionsbereiche – aufgelistet im Anhang des Gesetzes – soll verhindern, dass klimaschädliche Emissionen in weniger umweltbewusste Länder verlagert werden (Fachbegriff: „Carbon Leakage“). Die Liste kann auf Antrag der Wirtschaftskammer noch verlängert werden. Wo Jürgen Streitner, Leiter der umweltpolitischen Abteilung in der WKO, Probleme sieht, ist die Schwelle von 15 Prozent für Härtefälle. „Das ist deutlich zu hoch“, sagt er. Denn selbst eine Handvoll Sektoren wie etwa der Kies- oder Sandabbau komme in der Praxis auch nur auf durchschnittlich rund zehn Prozent Energiekostenanteil. Im Dienstleistungsbereich liegen sie bei kaum der Hälfte. „Nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf, wird es kaum Härtefälle geben“, sagt Streitner, und wenn, werde der Kompensationsbetrag minimal sein. Die Maßnahmen müssten aber dort ansetzen, wo es noch keine Alternativen zu fossilen Brennstoffen gebe, wie etwa bei Mittel- und Hochtemperaturprozessen oder Treibstoffen für den Schwerverkehr.
Die Arbeiterkammer (AK) vermisst vor allem klare Regeln für die Millionen, die die Unternehmen zurückbekommen. Laut Gesetz müssen in den ersten beiden Jahren 50 Prozent, dann 80 Prozent davon in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden. „Was das ist, wird aber erst per Verordnung festgelegt“, sagt Florentin Döller, Experte in der Steuerabteilung. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum es für den Agrarsektor, der die CO2 -Abgabe ähnlich wie beim Agrardiesel pauschal zurückbekommt, keine Klima-Auflagen gebe. Ebenso kritisch sieht er die Bestimmungen für „Härtefälle“: Sie müssen nur Empfehlungen aus einem – verpflichtenden – Energieaudit umsetzen, wenn sich diese binnen drei Jahren amortisieren.
„Was wir gut finden, ist die Deckelung für die Rückerstattungen“, betont Döller, und die Tatsache, dass jedes Unternehmen nur in einem Bereich Entlastung beantragen kann. Laut Gesetz dürfen die Kompensationen 2023 (im ersten vollen Jahr mit CO2 -Preis) je 100 Millionen für Härtefälle bzw. Carbon Leakage sowie 35 Mill. Euro für Landwirtschaft nicht übersteigen. Sollten die Anträge höher sein, sind aliquot Kürzungen geplant. „Wir haben das sehr eng gefasst“, heißt es aus dem Klimaministerium. „Das Ziel ist klar, es geht darum, einen Lenkungseffekt zu erzielen.“ Eine Evaluierung der Regeln wird es 2025 geben.
Abwickeln wird die Zertifikatsausgabe und Kontrollen vorerst ein neu zu gründendes Amt für Nationalen Emissionshandel. Es wird beim Zollamt eingerichtet. Auch hier müssen die Details per Verordnung von Finanz- und Klimaschutzministerium festgelegt werden. Bis 2025 ist kein Handel mit Zertifikaten möglich, sie können nur zum Ausgabepreis an die Behörde zurückgegeben werden. Spätestens 2026 soll die nationale CO2 -Bepreisung in ein EU-System übergehen.
von Monika Graf
Salzburger Nachrichten