Kulturkampf um das Verbrenner-Aus

3. Mai 2024

Zukunft des Autos. Die ÖVP wirbt im EU-Wahlkampf gegen das für 2035 beschlossene Verbot von Neuwagen mit Verbrennermotor. Auch die FPÖ und die Mehrheit der Bevölkerung sind dagegen

In ihrem Wahlprogramm für die EU-Wahl im Juni fordert die ÖVP unter anderem die „Neuverhandlung sämtlicher Regulierungen, die zu stark in die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit eingreifen. Dazu zählen beispielsweise das Lieferkettengesetz oder auch Bereiche des European Green Deal, wie das Aus der Verbrenner bei Neuzulassungen ab 2035.“ Die Forderung sorgt für Wirbel und wirft einige Fragen auf.

Wann war das Verbrenner-Aus? Wer hat wie gestimmt? Ende März stimmte auch der EU-Ministerrat dem weitgehenden Verbrenner-Aus für Neuwagen ab 2035 zu. Zuvor hatte das EU-Parlament mit einer Mehrheit zugestimmt, von den österreichischen Abgeordneten stimmten die FPÖ-Mandatare, und alle ÖVP-Mandatare bis auf Othmar Karas gegen diese Regelung. Alle anderen Mandatare stimmten dafür (vier von der SPÖ, drei von den Grünen, eine der Neos).

Wie stehen die Parteien heute zum Verbrenner-Verbot?Die FPÖ war immer dagegen, die ÖVP ist dagegen, SPÖ, Grüne und Neos sind für das Verbrenner-Verbot.

Wie wird dieses Verbrenner-Aus in der Bevölkerung gesehen? Der KURIER publizierte jüngst eine Umfrage, wonach die Regelung von mehr als jedem zweiten Autofahrer abgelehnt wird, in der Altersgruppe von 51 bis 70 Jahren waren es sogar 65 Prozent. Ähnlich in Deutschland, dort sprachen sich vor einem Jahr zwei Drittel (67 Prozent) der Befragten gegen das Vorhaben aus.

Was bedeutet Verbrenner-Aus? Die EU-Regeln sehen schrittweise bis 2035 immer niedrigere Emissionen für Neuwagen vor. Auch 2035 wird es kein absolutes Verbot von neuen Verbrenner-Fahrzeugen geben: Verbrenner dürfen auch danach zugelassen werden, sofern sie mit E-Fuels betrieben werden. Offen ist, wie teuer diese künstlich hergestellten, klimaneutralen Treibstoffe sein werden – und ob es sie bis dahin überhaupt geben wird. Das ist aber derzeit nicht sehr wahrscheinlich.

Handelte Ministerin Gewessler (Grüne) eigenmächtig, als sie im EU-Verkehrsministerrat für das Verbrenner-Aus stimmte? Nein, es gab eine abgestimmte Position der Bundesregierung. Der Volkspartei war demnach wichtig, dass einerseits der „grüne Verbrenner“ erlaubt bleibt (neue Verbrenner mit E-Fuels als klimaneutrale Treibstoffe sind auch nach 2035 erlaubt) und andererseits 2026 erneut evaluiert wird, ob das Verbrenner-Aus umsetzbar bleibt. Kanzler Nehammer meinte direkt nach der Entscheidung im März 2023: „Der Verbrennungsmotor hat Zukunft, wenn wir ihn zum ,grünen‘ Verbrenner machen und Technologien wie ,E-Fuels‘ oder Wasserstoffantriebe weiterentwickeln.“

Also könnte die Regelung durch die Evaluierung 2026 fallen? Ja, das wäre möglich, wenn sich eine „qualifizierte Mehrheit“ in der EU dafür findet. Dazu müssen mindestens 15 EU-Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen. Beim Beschluss 2023 stimmte nur ein Land, Polen, gegen das Verbrenner-Aus. Bulgarien, Italien und Rumänien enthielten sich.

Betrifft das Verbrenner-Aus auch bereits zugelassene Autos?Nein. Kein Pkw, der vor 2035 zugelassen wurde, ist von der Regelung betroffen, und auch nicht der Gebrauchtwagen-Markt. Es ist aber davon auszugehen, dass Sprit (Benzin, Diesel) 2035 eher teuer sein wird. Denn ab 2027 sind alle Treib- und Brennstoffe Teil des Emissionshandelssystems II der EU, in dem ein Marktplatz für CO₂-Emissionszertifikate geschaffen wird.

Die Anzahl der verfügbaren Zertifikate ist begrenzt (Cap) und wird jedes Jahr geringer – und damit teurer.
Und warum will die ÖVP E-Autos aus China höher besteuern? Damit soll die EU-Autoindustrie protektionistisch geschützt werden. China wird industriell immer mehr zur Großmacht – siehe Grafik.

Kurier

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