Angesichts der verschärften Klimaziele und des Verzichts auf Öl oder Gas rechnet die deutsche Regierung nun mit einem höheren Strombedarf bis 2030. Der Verbrauch werde einer aktuellen Studie zufolge um rund 10 Prozent höher liegen als bisher angenommen, erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Dienstag in Berlin. Das Prognos-Institut gehe jetzt von einem Verbrauch von 645 bis 665 Terawattstunden aus.
Eine Studie von Anfang 2020 im Auftrag des Ministeriums war noch von rund 590 Terawattstunden ausgegangen, die offizielle Regierungsprognose lag bei 580 Terawattstunden. Da der Strom in den nächsten Jahren großteils aus Erneuerbaren Energien erzeugt werden muss, bedeutet die neue Prognose auch einen beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarenergie. Zahlen nannte Altmaier hierzu nicht. Dies wird Aufgabe der neuen Regierung ab Herbst sein. Dann soll auch die endgültige Prognose der Studie vorliegen.
Altmaier sagte, der höhere Stromverbrauch in Deutschland werde auch durch den beschleunigten Ausbau der Elektromobilität ausgelöst. Bis 2030 würden jetzt 14 Millionen Autos auf den Straßen erwartet statt wie zuletzt maximal 10 Millionen. „Wir sind damit zum Vorbild in der Europäischen Union geworden“, sagte der CDU-Politiker. Zudem würden etwa sechs Millionen Wärmepumpen in Gebäuden installiert, die ebenfalls mehr Strom benötigten. Einen starken Anreiz bildeten hier die von Union und SPD aber auch von weiteren Parteien in den Wahlprogrammen verankerten Entlastungen beim Strompreis.
Daneben gehe man jetzt davon aus, dass man für 19 statt für 14 Terawattstunden Wasserstoff bis 2030 erzeugen werde. Dieser ist insbesondere für Industrie, See- und Luftverkehr wichtig, um Öl, Kohle und Gas zu ersetzen. Klar ist jedoch, dass weit mehr Wasserstoff benötigt wird als in Deutschland erzeugt werden kann. Die Regierung hat daher bereits zahlreiche Projekte mit Staaten weltweit angestoßen, um den Import zu sichern.
Die bisherige Verbrauchsprognose des deutschen Wirtschaftsministeriums stand seit längerem in der Kritik. Der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) geht von 700 Terawattstunden im Jahr 2030 aus. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hält auch den bisher geplanten Anteil erneuerbarer Energien von 65 Prozent für zu niedrig. Sie verlangt daher schon jetzt höhere Ausbauziele für Wind- und Solarenergie.
Altmaier hält eine Anhebung zwar ebenfalls für nötig. Als Grundlage müsse man sich aber noch auf eine präzisere Stromverbrauchs-Menge verständigen. Zudem müssten die Flächen vorhanden sein. Er forderte daher das Umweltministerium zu Änderungen auch bei Umwelt- und Artenschutzbestimmungen auf.
APA/ag