Mini-Österreich sucht nach Klimalösung

14. Jänner 2022

Am kommenden Wochenende erarbeitet der Klimarat in seiner ersten Sitzung Vorschläge an die Regierung.

Schwere Hagelschäden, ein Tornado, zerstörerische Hochwasser und im Rax-Gebiet einer der größten Waldbrände der Geschichte Österreichs: „Die Klimakrise, die ist da“, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstag. Um dieser entgegenzuwirken, werde am kommenden Wochenende der erste Klimarat Österreichs seine erste Sitzung abhalten: 100 per Zufallsprinzip aus dem Melderegister ausgewählte Bürgerinnen und Bürger, von Vorarlberg bis zum Burgenland, von studierend über selbständig bis hin zu arbeitssuchend. Der Jüngste sei 17, der Älteste 79 Jahre alt, sagte Gewessler. Sie spiegelten ein Mini-Österreich wider und werden nun an insgesamt sechs Wochenenden in Wien und Salzburg zusammenkommen, um konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Deren Ziel: Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Die Ergebnisse sollen Mitte dieses Jahres der Bundesregierung übergeben werden.

Dass sich dieser Klimarat formierte, ist eine Reaktion auf das Klimavolksbegehren, das 2020 insgesamt 380.590 Unterschriften erhielt, woraufhin es zwingend im Parlament behandelt wurde. Dafür sind mindestens 100.000 Unterschriften notwendig. Ein Entschließungsantrag im März 2021 im Nationalrat war die Folge, er wurde mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und Neos angenommen. Die FPÖ sieht durch den Klimarat indes ein Schattenkabinett geschaffen, wie es hieß, „das ohne jegliche demokratische Legitimation weitreichende Empfehlungen abgeben soll“.
Der Klimarat, dessen Fahrt- und Übernachtungskosten das Ministerium übernimmt, werde von einem Team aus 15 Wissenschaftern begleitet und zudem moderiert, so Gewessler weiter. Es soll um die Beantwortung zentraler, klimarelevanter Zukunftsfragen gehen wie Verkehr, Energie oder Ernährung.

Denn das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden – also nur so viel CO2 zu erzeugen, wie man auch verbraucht –, sei nur durch ein koordiniertes Zusammenspiel von Bürgerinnen und Bürgern, Wissenschaft und Politik zu erreichen. Zudem werde das Klimaschutzgesetz, das die Klimaziele rechtlich verankert, „zeitnah“ in Begutachtung gehen.

„Dinge auf den Boden bringen“

Katharina Rogenhofer, Initiatorin des Klimavolksbegehrens, ist ob der Einrichtung des Klimarates hochzufrieden, formulierte am Dienstag allerdings weitere Forderungen, „um die Dinge auf den Boden zu bringen“, wie sie sagte. Denn nur, wenn die Vorschläge des Klimarates von „denen da oben“ auch gehört werden, wenn man Politiker und Bürger noch näher zusammenbringt, nur dann könne man die Basis für eine klimagerechte Zukunft schaffen. Und: Ein erfolgreicher Klimarat könne „auch unsere Demokratie stärken“.

Unabdingbar sind auf diesem Weg laut Rogenhofer die Qualität, Transparenz, Sichtbarkeit und schließlich die politische Wirksamkeit des Klimarates. Vor allem, was Letztere betrifft, fordert Rogenhofer, dass eine vollständige Ablehnung einzelner Vorschläge vonseiten der Politik „ausgiebig begründet werden muss“.
Global 2000 möchte indes schon an der Wurzel ansetzen: Die Regierung solle vorab klar signalisieren, dass die Ergebnisse ernst genommen und in die Ausarbeitung von Gesetzen einfließen werden, hieß es von der Umweltschutzorganisation in einer Aussendung.

„Wenn es uns nicht gelingt, die Bürgerinnen und Bürger an Bord zu holen, können wir auch die Klimakrise nicht meistern“, sagte dazu der Tullner Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP). Klimaschutz bedeute zwar eine Abkehr von Gewohnheiten und damit Verzicht, was freilich schwierig sei –mit den richtigen Bürgerbeteiligungsprozessen könne man aber jedem Einzelnen bewusst machen, dass er etwas bewirken kann. In Tulln (Niederösterreich) etwa habe man auf diese Weise einen Gratis-Parkplatz in einen Wohlfühlraum mit viel Grün, Bänken und Springbrunnen umwandeln können.

Österreichs Gemeinden setzen insgesamt zunehmend auf Maßnahmen zum Klimaschutz. Von den 2.095 Gemeinden sind 1.000 Klimabündnis-Gemeinden. Das Klimabündnis ist das größte, kommunale Klimaschutz-Netzwerk des Landes, über das Gemeinden betreut, beraten und begleitet werden. Zudem sind 254 Städte und Gemeinden E5-Gemeinden, die zum Beispiel auf E-Mobilität setzen. 950 Gemeinden gehören den Klima- und Energie-Modellregionen (KEM) an, die Klimaschutzprojekte umsetzen und gezielt auf erneuerbare Energien oder nachhaltiges Bauen setzen.

Immer mehr regionale Projekte

Die KEM sind ein Programm des Klima- und Energiefonds, ein Instrument der Regierung, über das die regionalen Klimaschutzprojekte und das Regionsmanagement kofinanziert werden. Auch die Klimawandel-Anpassungsmodellregionen (KLAR!) laufen über diesen Fonds: Zu den KLAR! zählen 601 Gemeinden, deren Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel der Fonds wissenschaftlich begleitet und finanziell unterstützt. „Das können trockenheitsresistentere Baum- oder Weinsorten sein, oder auch Bewässerungssysteme“, sagt dazu Katja Hoyer vom Fonds. Die Nachfrage sei „sprunghaft angestiegen“: Seit Sommer 2020 hat sich die Anzahl der teilnehmenden KLAR!-Gemeinden verdoppelt.

Nähere Infos unter:
https://klimarat.org/
In Tulln wurde mit Bürgerbeteiligung ein Parkplatz in einen Wohlfühlraum mit viel Grün umgewandelt. Foto: apa / Herbert Pfarrhofer

von Petra Tempfer

Wiener Zeitung