Das Treibhausgas Methan ist nach CO₂ die größte Klimagefahr -und die Emissionen nehmen rasant zu. Dabei ließe sich das Problem rasch entschärfen.
Als Thomas Lauvaux die ersten Ergebnisse sah, traute er kaum seinen Augen. Mithilfe eines europäischen Erdbeobachtungssatelliten hatte der Klimaforscher von der Universität Paris-Saclay mit seinem Team systematisch nach großen Methanquellen gesucht, aus denen zumindest zeitweise enorme Mengen des starken Treibhausgases ungehindert in die Atmosphäre strömen. „Wir haben erwartet, zehn, 15 oder vielleicht 20 wirklich große Quellen zu finden“, sagt Lauvaux. Doch schnell waren es Dutzende, bald Hunderte, am Ende zählten die Forschenden fast 1800 massive Methanquellen, die jeweils mindestens 25 Tonnen des extrem klimaschädlichen Gases pro Stunde ausstießen. Zwei Drittel davon stammten aus unmittelbarer Nähe von Infrastruktur der Öl-und Gasindustrie: von Pipelines, Ölförderstätten oder Frackinganlagen. „Es war wirklich beängstigend“, sagt Lauvaux.
Unsichtbarer Löwenanteil
Allein aus diesen vom Erdorbit aus beobachteten Quellen dürften acht Millionen Tonnen Methan in die Luft gelangen -pro Jahr, berichtete das Forschungsteam. Und das ist nur ein Bruchteil der gesamten Methanemissionen durch fossile Brennstoffe: Die Genauigkeit des Satelliteninstruments reichte nur für die Suche nach den allergrößten Lecks aus. Lauvaux schätzt, dass es in Wirklichkeit zehnmal mehr sein dürften. Die alarmierenden Ergebnisse, die der Forscher mit seinen Kolleginnen und Kollegen Anfang Februar im Fachblatt Science veröffentlichte, sorgten kurzzeitig für mediales Aufsehen und warfen neues Licht auf die dunkle Seite des Erdgases, das als klimafreundlichere Alternative zur Kohle gilt. Nur Wochen später überfiel Russland die Ukraine und veränderte damit nicht nur die geopolitische Lage gewaltsam, sondern führte Europa auch seine Abhängigkeit von russischem Erdgas drastisch vor Augen. Drängende Fragen der Energiesicherheit ließen klimapolitische Überlegungen in den Hintergrund rücken, so eng diese Themen eigentlich miteinander verbunden sind. „Die aktuelle Situation ist schrecklich, in jeder Hinsicht“, sagt Lauvaux. Und doch ist der Wissenschafter überzeugt, das wir gerade jetzt viel tun können, um den Methanausstoß erheblich zu verringern.
Kurzfristige Klimakurbel
Methan (CH₄) ist nach Kohlendioxid (CO₂) das zweitwichtigste Treibhausgas, das bei der Erderwärmung mitmischt. Dass diese weitverbreitete, farb-und geruchlose chemische Verbindung nicht den ersten Platz unter den klimawirksamen Schadstoffen einnimmt, liegt an ihrer Kurzlebigkeit: Methan ist zwar kurzfristig rund 80-mal schädlicher als Kohlendioxid, wird in der Atmosphäre aber viel schneller wieder abgebaut. Im Durchschnitt 9,1 Jahre beträgt die Lebensdauer des Gases in der Luft, während von emittiertem Kohlendioxid noch nach 1000 Jahren 15 bis 40 Prozent übrig sind. Langfristig spielt CH₄ deshalb eine viel geringere Rolle im Klimawandel als CO₂, nur eine Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen kann diesen nachhaltig einbremsen. Über kürzere Zeiträume kann Methan den Treibhauseffekt jedoch sehr stark ankurbeln -und genau das ist aufgrund stetiger und steigender Emissionen seit Beginn der Industrialisierung in zunehmendem Ausmaß der Fall: Nach jüngsten Angaben des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) ist Methan für rund 0,5 Grad Celsius der bisherigen durchschnittlichen Erderwärmung von etwa 1,1 Grad seit Beginn des industriellen Zeitalters verantwortlich.
Rekordanstieg des Treibhausgases
Würde der Methanausstoß schnell zurückgehen, ließe auch die positive Wirkung nicht lange auf sich warten: Der Anteil des Gases in der Atmosphäre und damit sein erwärmender Effekt würden rasch abnehmen. Doch eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil: Erst Mitte April 2022 veröffentlichte die US-amerikanische Ozean-und Atmosphärenbehörde NOAA aktuelle Messdaten für das Vorjahr – und musste einen neuerlichen Negativrekord vermelden: Die CH₄-Konzentration in der Atmosphäre erhöhte sich demnach 2021 um 17 parts per billion (ppb). Das sei der höchste Anstieg seit Beginn der Aufzeichnungen, teilte die Behörde mit. Insgesamt liegt die Methankonzentration heute bei rund 1900 ppb, Mitte des 18. Jahrhunderts waren es noch 700 ppb. Woher also kommt das ganze Methan, und wieso nimmt der Ausstoß des extrem klimaschädlichen Gases aktuell sogar noch weiter zu?
Euan Nisbet beschäftigt sich mit diesen Fragen seit Jahrzehnten. Der Professor für Erdwissenschaften an der Royal Holloway University of London verfolgt die Spur des Methans, wo immer sie zu finden ist: von gefrorenen Böden der Arktis über tropische Feuchtgebiete, von gigantischen Müllhalden in Afrika über riesige Rinderherden bis zu amerikanischen Ölfeldern, australischen Kohlebergwerken und russischen Erdgasleitungen. Im Gespräch mit Nisbet wird schnell klar: Obwohl die Wissenschaft sehr viel über das schädliche Treibhausgas weiß, gibt es auch eine erschreckend große Unbekannte. Weshalb genau die Methankonzentration derzeit so stark zunimmt, ist nicht wirklich klar.
Fossiler Faktor
Fest steht, dass das Methan in unserer Luft sowohl aus natürlichen Quellen wie auch von menschlichen Aktivitäten stammt, wobei Letztere lange unterschätzt wurden, sagt Nisbet: „Rund 600 Millionen Tonnen Methan werden jährlich freigesetzt. Wir Menschen sind für etwa 60 Prozent dieser Emissionen verantwortlich, 40 Prozent stammen aus natürlichen Quellen. Wobei die Trennung nicht ganz einfach ist.“ Denn die erstmals 1776 vom italienischen Physiker Alessandro Volta isolierte chemische Verbindung entsteht im Prinzip überall, wo Biomasse unter Luftabschluss verrottet: in Sümpfen und Mooren etwa, auf Mülldeponien oder in den Mägen von Rindern und Schafen. Mikroorganismen spielen bei der Methanbildung eine entscheidende Rolle. Bei der Freisetzung des Gases kommt hingegen allzu oft der Mensch ins Spiel.
Den größten Anteil am anthropogenen Methanausstoß haben fossile Brennstoffe und die Landwirtschaft. Durch Förderung, Verarbeitung, Transport und Nutzung von Gas, Öl und Kohle entweichen jährlich mindestens 120 Millionen Tonnen des Treibhausgases. Hier schlägt besonders das Erdgas zu Buche, dessen Hauptbestandteil Methan ist: Undichte Pipelines, fehlende Überwachung, aber auch die absichtliche Freisetzung bei Wartungs-und Reparaturarbeiten sind enorme Emittenten. Forscherinnen und Klimaschützer warnen seit langem, dass dieses Problem viel zu wenig berücksichtigt wird. Aber auch bei der Ölförderung, bei Bohrungen und im Kohlebergbau entweichen erhebliche Mengen CH₄. Methan aus, das beim Verdauungsprozess in den Vormägen der Tiere entsteht. An die 300 Liter können das pro Kuh und Tag sein. Daneben sind auch der Nassreisanbau, Brandrodungen und das Abbrennen von Ernteabfällen, das in armen Weltregionen bis heute umfangreich praktiziert wird, große Methanquellen. Aus Mülldeponien entweichen weltweit zusätzliche 70 Millionen Tonnen Methan pro Jahr.
Dem stehen jährlich etwa 200 Millionen Tonnen CH₄-Emissionen gegenüber, die aus natürlichen Feuchtgebieten kommen -aus tropischen Sümpfen ebenso wie aus Mooren und auftauenden Permafrostböden. Letztere bereiten Forschenden besonders große Sorgen: In den gefrorenen Böden des Nordens schlummern gigantische Mengen an Kohlenstoff. Durch steigende Temperaturen tauen immer mehr und tiefere Schichten auf und setzen Klimagase frei. „Im Moment ist die Arktis relativ ruhig, aber die Gefahr ist groß“, sagt Nisbet. Ein Problem für die Forschung ist, dass diese natürlichen Methanquellen in sehr abgelegenen Regionen liegen, aus denen es oft nur wenig Messdaten gibt.
Um herauszufinden, woher bereits emittiertes Methan stammt, nutzen Forschende die Isotopenverhältnisse. Methan besteht aus einem Kohlenstoffatom (C) und vier Wasserstoffatomen (H₄). Das Kohlenstoffatom kann in zwei stabilen Formen mit unterschiedlicher Masse vorliegen, sogenannten Isotopen: dem leichteren 12 C und dem schwereren 13 C. Zusätzlich gibt es das noch schwerere, radioaktive Kohlenstoffisotop 14 C, das in der Archäologie zur Altersbestimmung von kohlenstoffhaltigen Materialien verwendet wird. Für die Fahndung nach Methanquellen sind aber die stabilen Isotope 12 C und 13 C wichtig. Denn das Treibhausgas weist je nach Herkunft eine charakteristische Signatur auf, erklärt Nisbet. Methan aus fossilen Brennstoffen hat einen höheren Anteil an 13 C, während Emissionen aus biologischen Abbauprozessen, wie sie in Feuchtgebieten, Deponien oder Rindermägen stattfinden, reicher an 12 C sind. Aus dem Verhältnis dieser Isotope kann also grob abgeschätzt werden, woher das Methan in der Luft kommt -aus fossiler oder aus biologischer Quelle.
Dank eingeschlossener Luftbläschen in Eisbohrkernen lässt sich so auch weit in die atmosphärische Vergangenheit zurückblicken. So konnte nachgewiesen werden, dass über zwei Jahrhunderte lang die weltweiten Emissionen von 13 C-reichem Methan stetig zunahmen. Das darf angesichts der Industriegeschichte nicht verwundern: Die Nutzung fossiler Brennstoffe explodierte seit dem 19. Jahrhundert regelrecht, der Ausbau der Öl-, Gas-und Kohleindustrie nahm rapide zu. „In den 1990er-Jahren stabilisierte sich die Methankonzentration in der Atmosphäre dann“, sagt Nisbet. Auf hohem Niveau, aber immerhin.
Doch seit 2007 steigen die Emissionen wieder: Anfangs um sieben parts per billion jährlich, 2013 waren es schon mehr als zehn ppb -und nun stehen wir bei 17 ppb. Anders als in den Jahrzehnten zuvor spielt bei diesen zusätzlichen Emissionen 12 C eine gewichtigere Rolle -ein Hinweis darauf, dass nun mehr Methan aus biologischen Prozessen in Böden, Mülldeponien oder der Landwirtschaft in die Luft gelangt. Doch die genaueren Hintergründe des Anstiegs ab 2007 sind umstritten.
„Wir wissen nicht eindeutig, was dafür verantwortlich ist, höchstwahrscheinlich sind es aber viele Faktoren gleichzeitig“, sagt Euan Nisbet. „Was mich dabei wirklich besorgt, ist die Möglichkeit, dass bereits positive Rückkopplungseffekte im Gange sind -dass also die Erderwärmung selbst den Methanausstoß antreibt.“
Forschende befürchten, dass etwa die Permafrostregionen an einen solchen Kipppunkt geraten könnten: Wenn durch die steigenden Temperaturen immer mehr Treibhausgase aus den auftauenden Böden entweichen, heizen diese den Klimawandel weiter an und beschleunigen die Emissionen zusätzlich. Ein Teufelskreis, der sich nicht mehr aufhalten ließe.
Ähnliche Effekte sind auch in anderen Regionen der Erde zu befürchten: Die Daten der NOAA deuten darauf hin, dass insbesondere die Tropen und die Subtropen beim aktuellen Methananstieg eine große Rolle spielen dürften. „In bedeutenden Teilen der Tropen verursachen höhere Temperaturen mehr Regen, Wärme und Feuchtigkeit beschleunigen die biologischen Abbauprozesse, und all das kurbelt die Methanproduktion an“, sagt Nisbet.
Dazu kommen das rasante Bevölkerungswachstum, die wachsenden Müllberge und die weltweit steigende Zahl an Rindern. „Kühe sind Feuchtgebiete auf vier Beinen -und wir können das Methan, ob es im Tier oder in einem Sumpf entsteht, in unseren Messungen nicht unterscheiden.“ Doch woher genau das zusätzliche Methan auch stammt: Der größte Teil davon geht definitiv auf menschliche Aktivitäten zurück. Die Bemühungen zur Reduktion des potenten Treibhausgases seien viel zu lange vernachlässigt worden, sagt Nisbet. „CO₂ ist das Hauptproblem, das wir lösen müssen, das dürfen wir nie aus den Augen verlieren. Nur leider haben wir darüber völlig auf Methan und seine Besonderheiten vergessen. Im Moment ist es das, was uns die Einhaltung der Pariser Klimaziele kosten könnte.“
Erste Hilfe, und zwar schnell
Beunruhigt von den neuesten NOAA-Daten zeigt sich auch der Klimaforscher Thomas Lauvaux, auch wenn er vom Rekordanstieg nicht überrascht ist:“Wir hatten überall Höchsttemperaturen, auch in den nördlichen Breiten, die den natürlichen Methankreislauf ankurbeln. Dazu kommt der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Einbruch durch die Corona-Pandemie, der sich in den fossilen Emissionen ebenfalls bemerkbar macht.“ Die jüngsten Satellitendaten würden zeigen, dass die großen Methanlecks aus der Gas-und Ölindustrie 2020 zwar zurückgegangen waren, seit 2021 aber wieder zunehmen -und inzwischen das Niveau vor Beginn der Pandemie übertreffen. „Wir rechnen damit, dass es bald sogar noch mehr sein werden, weil die aufgrund des Ukraine-Kriegs steigende Nachfrage Europas nach Flüssiggas die Produktion in Ländern wie den USA ankurbeln dürfte.“
Doch bei allem Grund zur Sorge ist Lauvaux hoffnungsvoll: „Im Grunde ist es großartig, dass wir den Einfluss des Menschen auf den Methanausstoß unterschätzt haben. Denn gegen viele dieser Emissionen können wir schnell etwas tun, und anders als bei der CO₂-Reduktion sparen wir dabei sofort Geld.“ Im Gegensatz zu Kohlendioxid ist Methan schließlich selbst ein Energieträger -es ungenutzt ausströmen zu lassen und damit auch noch die Erderwärmung anzuheizen, sei absurd, sagt der Klimaforscher. „Das ist, als ob jemand noch extra dafür bezahlen würde, den Klimawandel zu beschleunigen.“ Und anders als bei Kohlendioxideinsparungen hat ein Rückgang der CH₄-Emissionen schon nach einem Jahrzehnt spürbare Klimaeffekte -„kurzfristig ist Methan also der Schlüssel“, sagt Lauvaux. Das Schloss, das sich damit am leichtesten öffnen lässt, sei die Öl-und Gasindustrie.
Absurde Pipeline-Praxis
Ein gewaltiger Teil des Methans aus fossilen Quellen stammt aus Lecks und undichten Förder-und Transportanlagen, wie der Wissenschafter mit seinen Kolleginnen und Kollegen zeigen konnte. Maßnahmen dagegen sind keine Hexerei: Bessere Instandhaltung und strenge Wartungsprotokolle würden schon einen großen Unterschied machen. Wobei auch die Wartung gänzlich anders verlaufen müsse als in der bisherigen Praxis vieler Gasunternehmen üblich, sagt Lauvaux: „Zu unserem Entsetzen stellte sich bei unseren Beobachtungen heraus, dass erhebliche Mengen gar nicht durch Unfälle oder beschädigte Leitungen ausströmen, sondern mit Absicht freigesetzt werden.“
Wenn aktive Pipelines repariert oder gewartet werden sollen, muss aus Sicherheitsgründen zunächst das Gas im betreffenden Abschnitt abgeleitet werden. Dafür wird häufig die schnellste und einfachste Variante gewählt: Die Druckventile werden geöffnet, und das Gas entweicht in die Luft. Das geht schneller, als es zu verbrennen, was deutlich klimafreundlicher wäre. Und bei den niedrigen Gaspreisen der vergangenen Jahrzehnte war der finanzielle Anreiz für ein aufwendigeres Auffangen der Ressource gering. Auch bei der Suche nach und der Förderung von Öl wird Gas freigesetzt und meist nicht weiter genutzt. Das könnte sich angesichts der aktuellen Energiekrise in Europa und der gestiegenen Gaspreise ändern, hofft Lauvaux.
Ohne strenge gesetzliche Vorgaben sei dies aussichtslos, sagt Lena Höglund-Isaksson. Die Wissenschafterin vom Forschungsprogramm Luftqualität und Treibhausgase am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg fürchtet ansonsten einen gegenteiligen Effekt: Die aktuell hohen Preise seien für Firmen vielmehr ein Anreiz, so viel Brennstoffe so schnell wie möglich zu fördern -ohne Rücksicht auf Verluste. „Es ist immer noch profitabler, neue Öl-und Gasbohrungen durchzuführen als in die Kontrolle von Gaslecks zu investieren -selbst wenn auch dies Gewinne bringt.“
Auch für den Kohlebergbau gebe es längst Technologien zur Eindämmung der Emissionen, doch ohne Vorschriften werde es nicht gehen, sagt Höglund-Isaksson. „Dieser Sektor wird nicht von sich aus sauberer werden.“
Mülldeponien im Visier
Ein anderer Bereich, in dem rasche Erfolge im Kampf gegen den Methanausstoß erzielt werden könnten, ist die Abfallwirtschaft – gerade in den Weltgegenden, in denen der Methanausstoß im Steigen begriffen ist. Während es in der EU längst Vorschriften gegen die Ablagerung organischer Abfälle auf Deponien gibt und Abfallgas nach Möglichkeit als Energiequelle verwertet wird, wachsen Mülldeponien in vielen Ländern Afrikas und auf dem indischen Subkontinent nahezu unkontrolliert. Um die Emissionen dieser Megahalden zu verringern, wäre in einem ersten Schritt schon eine einfache Abdeckung mit einer Schicht aus Erde wirkungsvoll, sagt Euan Nisbet. „Das wäre schnell und günstig machbar und würde auch die Luftqualität in diesen Regionen enorm verbessern.“
Deutlich schwieriger lassen sich rasche Methaneinsparungen dagegen in der Landwirtschaft erreichen: Das offensichtlichste Einsparungspotenzial, eine geringere Nachfrage bei Fleisch und Milchprodukten, wird sich kaum von heute auf morgen umsetzen lassen. Änderungen des Konsumverhaltens gehen bekanntermaßen langsam -und mit großen Widerständen -vonstatten. Dazu komme, dass die Viehwirtschaft gerade in den tropischen Weltregionen eine unverzichtbare Nahrungsquelle für eine schnell wachsende, verarmte Bevölkerung darstelle und auch eine große kulturelle Bedeutung habe, gibt Nisbet zu bedenken. Ein Ende der Verbrennung von Ernteabfällen und besseres Abfallmanagement wären in diesen Ländern ein realistischerer Weg, den Methanausstoß zeitnah zu drosseln.
Immerhin ist das weltweite Methanproblem inzwischen klimapolitisch stärker in den Vordergrund gerückt. Rund um die Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow schlossen sich 111 Länder dem sogenannten Global Methane Pledge an, einer Initiative der EU und der USA zur Senkung der Methanemissionen um mindestens 30 Prozent bis zum Jahr 2030. Wenn das gelingt, könnte die Erderwärmung bis Mitte des Jahrhunderts um 0,2 Grad Celsius gebremst werden. Dieses Ziel ist laut Lena Höglund-Isaksson definitiv erreichbar -kostengünstig und teilweise sogar mit Gewinnen, insbesondere durch Einsparungen im Gas-und Ölsektor.
Großemittenten wie China, Indien und Russland beteiligen sich an der Initiative bislang allerdings nicht. „Es bleibt zu hoffen, dass der neue Fokus auf Methan mehr Ländern klarmacht, dass die Verringerung dieser Emissionen eine billige und einfache Möglichkeit ist, die Auswirkungen der globalen Erwärmung schnell zu begrenzen“, sagt die Forscherin.
Für Thomas Lauvaux ist der künftige Umgang mit Methan richtungsweisend. „Wir haben es wirklich in der Hand, schnelle Fortschritte zu erzielen. Aber wenn wir es nicht einmal schaffen, diese vollkommen vermeidbaren Emissionen zu drosseln, sehe ich schwarz.“
REKORDLECKS ENTHÜLLT
Um besonders großen Methanquellen aus der Gas-und Ölindustrie auf die Spur zu kommen, nutzten Thomas Lauvaux und sein Team ein Instrument des europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-5P. Von 2019 bis 2020 suchten sie damit erstmals systematisch vom All aus nach Lecks, aus denen stündlich mindestens 25 Tonnen des Treibhausgases ausströmten.
Ganze 1800 „Ultraemittenten“ wurden auf diese Weise entdeckt, zwei Drittel davon ließen sich der fossilen Industrie zuordnen. Der Rest stammte größtenteils von landwirtschaftlichen Aktivitäten und Mülldeponien.
Wie viele kleinere Gaslecks es gibt, aus denen das Treibhausgas ungehindert ausströmt, ist noch völlig unklar. Das sollen künftig neue Satelliten mit genaueren Messinstrumenten zeigen.
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