Steckdose statt Zapfsäule

13. Juni 2022

Das EU-Parlament stimmte für ein Ende neuer Verbrennungsmotoren ab 2035. Der Energiebedarf sinkt damit deutlich, die Stromnetze stehen aber vor großen Herausforderungen.

Am Mittwochabend haben sich die EU-Parlamentarier in Straßburg auf ein Ende des Verbrennungsmotors ab dem Jahr 2035 geeinigt. Ab dann sollen nur noch private Nutzfahrzeuge neu zugelassen werden, die keine Treibhausgase ausstoßen. Diese sind verantwortlich für die fortschreitende Erderwärmung und sollen stark reduziert werden. Ziel ist nun eine Umstellung auf Elektromobilität.

Durch ist das Vorhaben noch nicht. Bevor die Regelung in Kraft treten kann, muss das EU-Parlament mit allen Mitgliedsstaaten verhandeln. Und diese sind sich beim Verbrenner-Aus alles andere als einig.

Der Gesetzesentwurf ist Teil des EU-Klimapakets „Fit for 55“, das darauf abzielt, klimaschädliche Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu drosseln, sind weitreichende Energieeinsparungen und eine radikale Reduktion des CO2-Ausstoßes notwendig.

Und langfristig ist die Ökobilanz von E-Autos gegenüber Benzin- oder Diesel-Pkw deutlich besser. Einer Studie des deutschen Autofahrerklubs ADAC zufolge ist ein E-Auto nach 127.000 Kilometern klimaschonender unterwegs als ein Benziner. Nach 219.000 Kilometern hat es auch den Dieselmotor überholt.

Strombedarf steigt

„Wir sehen die Entscheidung des EU-Parlaments positiv. Der Energieverbrauch wird dadurch ganz deutlich sinken“, sagt Christian Zwittnig, Sprecher von „Österreichs Energiewirtschaft“ im Gespräch mit der „Wiener Zeitung“. „Auch wenn der Strombedarf dadurch steigt.“

Wie die Umsetzung tatsächlich erfolgen wird, ist noch offen. Und in jedem EU-Land anders. Frankreich hat zum Beispiel mit gut 70 Prozent einen sehr hohen Anteil an Atomstrom. In Deutschland kommt derzeit die Hälfte des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen. Allerdings baut das Land diesen Anteil auch vor dem Hintergrund des Energiepreisschocks rasant aus.

In Österreich wiederum beträgt der Anteil an Ökostrom dank Wasserkraft derzeit 84 Prozent. „Wir sehen den Mehrbedarf an Strom nicht problematisch – vorausgesetzt, der Erneuerbaren-Ausbau findet wie geplant statt. Tatsächlich sind die Stromnetze das Problem. Hier muss man jetzt rasch ausbauen“, meint Zwittnig.

Derzeit sind von 5,1 Millionen zugelassenen Pkw in Österreich neuesten Zahlen zufolge knapp 100.000 Elektrofahrzeuge. Bei einem Anteil von 10 Prozent an E-Autos rechnet die E-Wirtschaft mit einem Mehrbedarf an Strom von einer Terawattstunde (TWh), bei 100 Prozent sind es zehn TWh. Der heimische Jahresverbrauch liegt derzeit bei 74 TWh.

Steckdose nicht gerüstet

Unsere Stromnetze sind allerdings noch nicht auf diese Mehrbelastung ausgelegt. Oder anders formuliert: Unsere Steckdosen sind auf Handmixer und Kühlschränke ausgelegt, nicht aber auf das Laden von leistungsstarken Batterien.

Bei einem Anteil von 10 Prozent E-Mobilität sind laut E–Wirtschaft bis 2030 zusätzliche Investitionen für den Netzausbau in der Höhe von 900 Millionen Euro notwendig. Bei 30 Prozent sind es 4,3 Milliarden – zusätzlich zu den Regelinvestitionskosten.

Das Tempo beim Ausbau ist derzeit aber eher schleppend. Hinzu kommt, dass es schwierig vorauszusehen ist, wie schnell und wo sich die E-Autos zuerst durchsetzen. Also ob in den Städten, wo die Verlegungsdistanzen der Leitungen kürzer sind, oder am Land, mit teils mangelhafter Elektroinfrastruktur.

Künftig soll der Treibstoff aus der Steckdose kommen, nicht aus der Zapfsäule. Foto: apa / Barbara Gindl

von Marina Delcheva

Wiener Zeitung

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