Geheimnisvolle Erdgasspeicher

20. September 2022
Erdgas-Lecks könnten eine Ursache für Methan-Anstieg sein - Kiel, APA/dpa

Im liberalisierten Gasmarkt gleichen Anschaffung und Vorratshaltung einer Geheimwissenschaft. Dutzende Lieferanten speichern in Österreich ein. Die E-Control ermittelt, wie viel davon für Österreichs Versorgung zur Verfügung steht.

Langsam füllen sich die Erdgasspeicher. Zu 71,5 Prozent seien die Lager in Österreich inzwischen gefüllt, wird die Regierung nicht müde zu betonen. Wie viel davon für die privaten Haushalte zur Verfügung steht und wie viel für Energieerzeuger und Unternehmen, lässt sich so einfach nicht feststellen. Denn die mit der Lieferung beauftragten Händler können und müssen weder Mengen noch Auftraggeber nennen. Lediglich der Regulierungsbehörde E-Control muss dies auf Anfrage mitgeteilt werden.

Genau damit ist die E-Control laufend beschäftigt. Sie ermittelt dies quasi wie den täglichen Wasserstand. Daraus ergibt sich ein sehr diversifiziertes Bild. Denn als physisch geliefert gilt das Erdgas erst dann, wenn es zum vereinbarten Stichtag tatsächlich geliefert wird. Je nach Terminkontrakt reifen die Lieferverträge ab.

Fest steht, dass von der strategischen Reserve, die die Republik Österreich im Volumen von 20 Terawattstunden (TWh) erstmals anlegt, bis dato vier TWh physisch eingelagert wurden. Das klingt nach wenig, ist aber nur bedingt aussagekräftig, weil eben besagte Lieferverträge mit Gashandelsunternehmen geschlossen wurden, die erst zum Stichtag gezählt werden können. Die dafür notwendigen Transportkapazitäten im Gasnetz hat sich die OMV gesichert. Sie bekommt dafür vom Staat die Maut bezahlt. Besteller ist die AGGM, der Marktgebietsmanager im heimischen Gasmarkt.

Grundsätzlich gilt: Das Gas gehört immer dem, der es kauft und einspeichern lässt. Dazu gehören auch Kunden aus Nachbarländern wie Deutschland, die etwa im Gasspeicher im oberösterreichischen Haidach im großen Stil einlagern.

Vorratshaltung

Eingelagert wird von nationalen und internationalen Gashändlern, darunter die OMV, die ihrerseits Strom- und Gasversorger, Industriekunden beliefern – oder das Erdgas wird zu gegebener Zeit auf dem österreichischen Marktplatz, also der „Gasbörse“ verkauft.

Ein bedeutender Brocken des sohin geschaffenen, geheimnisumwitterten Vorrats entfällt auf Energieversorger, die Endverbraucher in Österreich mit Gas und Wärme versorgen. Denn Energieversorgungsunternehmen (EVU) sind verpflichtet, einen Vorrat für dreißig bis sechzig Tage anzulegen, um im Ernstfall, also einer Gasnotlage, bestimmte Zeit auszukommen, damit es nicht kalt wird in Häusern, Wohnungen und öffentlichen Gebäuden.

Von den rund 90 Terawattstunden Jahresbedarf in Österreich waren diese Woche knapp 69 TWh oder knapp 72 Prozent eingespeichert. 21 TWh wurden von der RAG Austria, dem größten Energiespeicherunternehmen Österreichs eingelagert, 23 TWh entfallen auf die OMV (als Händler) und elf auf Uniper, zählt man bei der OMV auf. Wem welcher Anteil am heißbegehrten Brennstoff im Detail gehört, bleibt, wie bereits erwähnt, ein Staatsgeheimnis – ebenso, wie viel Gas welchen Unternehmen im Fall einer Gasnotlage zugeteilt wird.

Viel Zeit, die Speicher voll zu bekommen, bleibt nicht mehr. Denn am 1. November beginnt die Heizsaison, und dann ist es vorbei mit Einspeichern. Dann kommt nicht mehr viel zum Speichern, sondern der Vorrat wird laufend verbraucht.

Dass aus Russland seit Wochen nur noch vergleichsweise wenig Gas kommt, sollte nicht unbedingt Anlass zur Sorge sein, denn nach Europa kommt auch Gas aus Norwegen oder Algerien (über Italien).

Die strategische Reserve werde im November in vollem Umfang eingespeichert sein, betont man im Energieministerium.

Der Standard

Ähnliche Artikel weiterlesen

Europas Energiedilemma

27. Dezember 2021

EU-Kommission will Gasmarkt reformieren

17. Dezember 2021

Mehr Gas aus Russland kann Preise stabilisieren

3. November 2021

Der Gaspreis hebt ab – diese Konzerne freut’s

21. September 2021