Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs, darunter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), sind am Freitag in Prag zu einem informellen Gipfel zusammengekommen, um Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise zu diskutieren. Strittig ist weiterhin, wo der Preis geregelt werden soll. 15 EU-Staaten hatten zuletzt gefordert, den Gaspreis sowohl am europäischen Großhandel zu deckeln als auch den Preis für Importe. Nehammer warnte vor einem „Embargo gegen russisches Gas durch die Hintertür“.
„Österreich spricht sich für einen Gaspreisdeckel aus“, sagte Nehammer vor dem Gipfeltreffen. Ziel müsse aber sein, die Stromproduzenten zu unterstützen, das Angebot an Gas dürfe nicht knapper werden. „Wir brauchen gescheite Verträge, ordentliche Verhandlungen“, betonte der Kanzler.
Eine Möglichkeit der EU wäre, mit Staaten wie Norwegen „Mengengerüste“ zu verhandeln, Gas zu einem festgelegten Preis einzukaufen und dann den stromerzeugenden Unternehmen zur Verfügung zu stellen, führte Nehammer aus. Auf die Frage, ob sich das auch ärmere Staaten leisten könnten, antwortete der Kanzler: „Die solidarische Leistung der Europäische Union liegt darin, wenn wir 27 haben, dann haben wir mehr Schultern, auf denen wir die Last verteilen können.“
EU-Ratspräsident Charles Michel betonte, die hohen Energiepreise setzten Haushalte und Unternehmen gewaltig unter Druck. Vom Gipfel erwartet Michel außerdem weiterhin eine geeinte Unterstützung der EU für die Ukraine.
Der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell sagte, die hohen Energiepreise seien auch unter dem Aspekt der Sicherheit zu sehen. Russland „spielt ein Spiel“ mit den Preisen, so Borrell. Er verwies auf die Entscheidung der Ölallianz OPEC, die Ölproduktion zurückzufahren. Borrell kündigte außerdem an, er werde die EU-Staaten um eine weitere Tranche zur Aufstockung der Militärhilfe an die Ukraine sowie um eine gemeinsame EU-Militärausbildungsmission für Kiew ersuchen. Damit würde die gemeinsame EU-Militärhilfe auf drei Milliarden Euro steigen.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte, die EU-Staaten seien bereit, einen Gaspreisdeckel zu diskutieren. Verschiedene Modelle lägen auf dem Tisch. „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden.“ Beschlüsse seien in Prag noch nicht vorgesehen, es gehe um eine Vorbereitung von Entscheidungen für den EU-Gipfel in Brüssel in zwei Wochen.
„Wir müssen den Gaspreis in Europa nach unten bringen“, forderte etwa der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins. „Ein Preisdeckel wäre großartig.“ Die Obergrenze dürfe aber nicht so niedrig sein, dass die Lieferanten ihr Gas nicht mehr nach Europa verkauften. Diese Sorge hat Deutschland im Hinblick auf Lieferländer wie Norwegen, die USA oder Algerien.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz traf gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf der Prager Burg ein. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte begleitete sie.
Litauens Präsident Gitanas Nauseda rief die EU-Partner zu einem noch stärkeren Engagement für die Ukraine auf. Nauseda zeigte sich insbesondere offen für die Forderung nach weiteren Waffenlieferungen. Sie wurde am Rande des EU-Treffens in der Prager Burg auch von Demonstranten vorgebracht. Sie forderten auch die Abschaffung von Vetomöglichkeiten im EU-Rat.
APA/ag