Ein Stresstest des österreichischen Stromnetzes soll Ängste vor großflächigen Ausfällen im Winter zerstreuen. Selbst bei tiefen Temperaturen und im Fall einer Gasmangellage sei die Versorgung sicher.
Nun liegen die Ergebnisse des Stresstests für Österreichs Energieversorgung im Winter vor. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) suchte, Ängste zu zerstreuen: „Es besteht in keinem Szenario eine echte Gefahr für Österreichs Stromversorgung.“ Die Versorgungssicherheit im Winter werde wohl eine Herausforderung, aber Strommangel oder gar ein Blackout halte der Übertragungsnetzbetreiber des Verbund-Konzerns, die Austrian Power Grid (APG), für „sehr unwahrscheinlich“.
Eine Entbindung vom Energiesparen bedeute dies aber keineswegs, denn „je sparsamer wir mit Energie umgehen, desto stabiler ist das Netz“, betonte Gewessler und verwies auf das Energiesparprogramm Mission 11. Im realistischsten Szenario komme es „zu keiner einzigen Stunde zu einer Lastunterdeckung, also einer Situation, wo es zu wenig Stromangebot für die Stromnachfrage gäbe“.
Auch Gerhard Christiner, als Technikchef der für Netze zuständigen Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG; ehemals „Bundeslastverteiler“) für die Stabilität des Übertragungsnetzes zuständig, sieht sich durch den Stresstest bestätigt. Der Kraftwerkspark verfüge über eine Netzreserve von 3000 Megawatt – exklusiv für die APG.
Simuliert wurden für den Stresstest drei Referenzszenarien, bei denen Störungen wie die seit Monaten halbierte Stromproduktion französischer Atommeiler (von 61 Gigawatt Produktionsleistung werden im Jänner knapp 40 GW verfügbar sein) oder die neuerliche Verspätung des finnischen AKW Olkiluoto 3 ebenso unterlegt sind wie Probleme mit Kohle und Gas sowie die EU-Ausnahme, dass Stromexporte aus Polen ausgesetzt sind.
QSzenario 1 ist das wahrscheinlichste. Es wird angenommen, dass es weder Probleme mit Kohle in Deutschland noch Verbrauchszuwachs noch limitierte Gaslieferungen für Stromerzeugung gibt.
QSzenario 2 geht davon aus, dass es in Deutschland Probleme mit Kohle gibt (etwa im Transport wegen Niedrigwassers) und Gaslieferungen auf 80 Prozent limitiert sind. In diesem „Kombinationsszenario kritisch“ könnte es in Österreich 479 Stunden mit Lastunterdeckung geben, das entspricht rund 1,2 Terawattstunden (TWh) oder drei Prozent des Verbrauchs.
QSzenario 3 Im dritten Szenario, dem „Kombinationsszenario sehr kritisch“, geht man von bis zu 815 Stunden Lastunterdeckung aus, das entspricht fünf Prozent oder 2,3 TWh des Verbrauchs. Diese Kombinationsszenarien hätten aus heutiger Sicht geringe oder sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten im Winter 2022/2023 – dabei sei die Verfügbarkeit der drei bis April 2023 verlängerten deutschen AKWs noch gar nicht berücksichtigt.
Die energiewirtschaftliche Lage nannte Christiner „durchaus angespannt“. Entscheidend für die Versorgungssicherheit sei Gas. Knapp ein Fünftel, 18 Prozent, des Strombedarfs in Europa werde in diesem Winter mit Strom aus Gas gedeckt. Erdgas ist im Strombereich also unverzichtbar. Ein Drittel der verfügbaren Gasspeicherkapazitäten ist deshalb für Verstromung reserviert. Etwa 27 Prozent des Strombedarfs im Winter werden in Europa aus AKWs gedeckt. Der Stresstest sei kein Indikator für ein Blackout, einen unerwarteten, unkontrollierten Netzausfall, betonte Christiner. Einem Strommangel hingegen könne man gezielt gegensteuern. In Österreich werden im Winterhalbjahr rund 16 Prozent des Stroms importiert, ein Fünftel kommt aus Gaskraftwerken und 62 Prozent aus Wasserkraft und anderen Erneuerbaren.
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