Sondersteuer soll Milliarden bringen

23. November 2022, Wien

Zufallsgewinne. Lob und Kritik gibt es für die Regierung, die Zufallsgewinne von Energieunternehmen abschöpfen und so Antiteuerungsmaßnahmen finanzieren will. Heute, Freitag, wird das Modell präsentiert.

Es geht sich gerade noch aus. Heute, Freitag, wird die Regierung ihr Modell für die Abschöpfung von Zufallsgewinnen präsentieren. Das ist der letztmögliche Termin für den Fristenlauf. Denn nur wenn das Vorhaben noch heuer beschlossen wird, können die Gewinne auch vom Jahr 2022 abgeschöpft werden.

Es geht, wie berichtet, darum, die Gewinne, die die Stromerzeuger derzeit aufgrund der hohen Energiepreise machen, abzuschöpfen. Die Preise haben sich aufgrund des hohen Gaspreises mehr als verzehnfacht, die Herstellungskosten von Strom aus Wasserkraft sind aber gleich geblieben. Das beschert den Unternehmen hohe Zufallsgewinne. Auch andere Energieunternehmen, etwa die OMV, sollen über einen Solidarbeitrag zur Kasse gebeten werden.
ÖVP und Grüne erhoffen sich von der Sondersteuer Einnahmen in Milliardenhöhe. Genaue Zahlen gibt es noch nicht, weil es bei den möglichen Maßnahmen eine große Bandbreite gibt.

Für das Vorhaben gibt es Lob und Kritik. Sehr harsche Kritik kommt von Franz Schellhorn, dem Chef der Agenda Austria. „Der Staat soll die Bürger vor Willkür schützen und nicht selber einen Akt der Willkür setzen“, kritisiert er. Denn ab wann es sich um einen Zufallsgewinn handelt, lege nun der Staat willkürlich fest. Willkürlich sei ja auch, dass nur der Energiesektor eine derartige Steuer zahlen muss. Steuersätze sollten eine allgemeine Gültigkeit haben und nicht für einzelne Bereiche gelten, sagt der Chef des liberalen Thinktanks.

Schellhorn erinnert an die Pandemie, als viele Unternehmen ebenfalls Zufallsgewinne erwirtschaftet haben. Hersteller von Desinfektionsmitteln, die Pharmabranche, Apotheken und viele mehr. Müssen diese künftig ebenfalls fürchten, vom Staat noch stärker zur Kasse gebeten zu werden? Oder aktuell die vielen Installateure, die auf Fotovoltaik und Wärmepumpen spezialisiert sind und von der Krise ähnlich profitieren wie Energiekonzerne, die auf erneuerbare Energie gesetzt haben.

Schellhorn stößt sich am gern verwendeten Begriff „Übergewinn“ und fragt, ob der Staat künftig auch bei „Überverlusten“ etwa in Folge der Rezession einspringen werde. Der Staat könne bei staatlichen und teilstaatlichen Konzernen die unverhofften Zusatzgewinne in Form von Sonderdividenden abschöpfen. Davon würden auch andere Aktionäre wie etwa Pensionsfonds profitieren. So aber verschaffe sich der Staat als Aktionär eine Sonderstellung.
Die neue Steuer sei ein klares Signal an Investoren, sich nicht in Österreich zu engagieren. „Es schadet dem Standort“, sagt Schellhorn und wirft der Regierung „Steuerpopulismus“ vor.

Sondersteuern gab es immer

Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaftsbund (ÖGB) haben schon vor einiger Zeit ein Modell vorgestellt, wie eine Steuer auf Zufallsgewinne — die beiden Organisationen sprechen von „Übergewinnen“ — funktionieren könnte. Demnach sollen die, die über den durchschnittlichen Gewinn der Jahre 2019 bis 2021 hinausgehen, abgeschöpft werden. Und zwar für die Jahre 2022 bis 2024 „zu 60 bis 90 Prozent“. Für Investitionen in erneuerbare Energieträger soll es einen Sonderabzug geben.

Die kumulierten Einnahmen von 2022 bis 2024 schätzen AK und ÖGB auf etwa zehn Milliarden Euro, zieht man die Investitionen für Erneuerbare ab, blieben fünf Milliarden Euro. Das wäre also ein recht ordentlicher Betrag, um damit Antiteuerungsmaßnahmen zu finanzieren.

Eine Abschöpfung der Zufallsgewinne ist für AK und ÖGB eine notwendige Maßnahme. Die Energieunternehmen würden „enorme Übergewinne“ verbuchen, während viele Bürger nicht mehr wüssten, wie sie ihre Rechnungen oder ihre Einkäufe bezahlen sollen. Die Energieunternehmen würden dabei nicht nur importierte Preissteigerungen weitergeben, sondern auch ihre Gewinnmargen steigern, etwa beim Treibstoff. Das sei „untragbar“.

Arbeiterkammer und ÖGB haben rechtliche Gutachten eingeholt und glauben, dass eine Besteuerung der Zufallsgewinne des Jahres 2022 verfassungskonform wäre. Sofern das entsprechende Gesetz eben heuer noch beschlossen wird. Daher auch die Eile in der Koalition beim Einbringen eines Antrags auf Abschöpfung.
Das gewerkschaftsnahe Momentum-Institut befürwortet eine Steuer auf Zufallsgewinne und verweist auf Sondersteuern in der Geschichte, deren Einnahmen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurden. In Großbritannien seien Übergewinne während des Ersten Weltkriegs mit 50 und später mit 80 Prozent besteuert worden. In den USA lag die Steuer zwischen 20 und 60 Prozent.

In Großbritannien habe es ebenfalls in der Hochzinspolitik 1981 Sondersteuern gegeben, als die Banken große Gewinne gemacht hätten, gleichzeitig aber die Arbeitslosigkeit im Land massiv angestiegen ist. (rie/g.h.)

Die Presse

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