Schwerer Abschied vom Russengas

2. März 2023

Die OMV verweist auf Bezugsverträge, die noch bis 2040 laufen, die aber selbst im Unternehmen nur wenige kennen. Die Regierung will Einblick nehmen, was aber nur mit einem Gesetz ginge.

Es war ein ungewöhnlich warmer Sommer. Donald Trump war Präsident in den USA, in Frankreich gab es Protestaktionen der Gelbwesten. Und noch etwas gab es 2018: Wladimir Putin kam Anfang Juni auf Staatsbesuch nach Österreich, nicht ganz zufällig. Schließlich wurde mit großem Tamtam das 50-jährige Bestehen des Liefervertrags gefeiert, der russisches Gas nach Mitteleuropa fließen lässt.

In einem Aufwasch wurden damals die Gaslieferverträge bis 2040 verlängert. Dieser Akt fällt Österreich nun auf den Kopf, und das nicht nur wegen des Kriegs, den Russland vor gut einem Jahr in der Ukraine begonnen hat. 2018 war Sebastian Kurz (ÖVP) Bundeskanzler einer türkis-blauen Koalition. Seit Dezember 2021 sitzen die Grünen statt den Blauen im Regierungsboot, der Kanzler heißt Karl Nehammer (ÖVP), und die Koalition hat sich im Regierungsprogramm auf den Ausstieg aus russischem Gas ab 2027 verständigt.

Noch im Herbst wurde als Erfolg gefeiert, dass die Abhängigkeit Österreichs von russischen Gaslieferungen von 80 Prozent auf etwas mehr als 20 Prozent gefallen sei – etwas voreilig, wie sich herausstellen sollte. Denn seit Dezember liegt der Anteil von russischem Gas im österreichischen Verbrauchsmix wieder bei etwa 70 Prozent. Das hat nicht nur, aber auch mit den Gaslieferverträgen zu tun, die die OMV mit Gazprom Export abgeschlossen hat.

Bekannt ist, dass der Liefervertrag eine Take-or-Pay-Klausel enthält. Das Gas muss jedenfalls bezahlt werden, auch wenn die OMV dieses aus welchen Gründen auch immer nicht benötigen sollte. Bekannt sind auch die Laufzeit (bis 2040) und die Menge (fünf Milliarden Kubikmeter (m3) pro Jahr, die im Herbst 2018 um eine Milliarde auf insgesamt sechs Milliarden m3 aufgestockt wurde. Über die restlichen Details ist nach Angaben der OMV Vertraulichkeit mit dem Lieferanten Gazprom vereinbart. Das stieß schon damals auf Kritik, schließlich steht die OMV zu 31,5 Prozent im Eigentum der Republik Österreich.

Kanzler Nehammer will nun die Langfristverträge prüfen lassen. Im Nationalrat hat der Regierungschef eingeräumt, dass man möglicherweise gesetzliche Verbesserungen vornehmen müsse. Der Koalitionspartner, die Grünen, wollen sich dem nicht verschließen. Das Aktienrecht bietet diesbezüglich keine Instrumente, um Transparenz in die Frage zu bringen, wie die Lieferverträge gestaltet sind und was der OMV möglicherweise blüht, wenn sie dagegen verstößt. Laut österreichischem Aktienrecht hat der Vorstand eines Unternehmens eine besonders starke Stellung, „er leitet die Gesellschaft in eigener Verantwortung“, sagte Susanne Kalss, Gesellschaftsrechtsexpertin an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, im Ö1-Mittagsjournal. Der Vorstand habe Geheimhaltungspflichten und müsse dem Aktionär, selbst wenn es sich dabei um die Republik Österreich handle, den Vertrag nicht vorlegen – zumal es sich um Sachen handle, die der Geheimhaltung unterliegen.

Keine Bevorzugung

Ähnlich argumentiert Wolfgang Berndt, der von 2019 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender der OMV war, Vorstandschef war damals Rainer Seele. Warum weiß Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) als Eigentümervertreter über die Beteiligungsholding Öbag nicht Bescheid über die Details des Gasvertrags? „Weil das nicht Aufgabe des Aufsichtsrats ist“, sagt Berndt im Gespräch mit dem STANDARD. „Das Geschäft zu führen ist Sache des Vorstands. Einzelne Aktionäre können nicht bevorzugt werden in der Informationsversorgung. Wenn man der Öbag diese Information geben würde, müssten das auch alle anderen Aktionäre bekommen.“

Vertraulichkeit, die Teil solcher Verträge sei, komme darüber hinaus auch der OMV zugute. „Wenn der Käufer einen besonders guten Deal vereinbart hat, will er nicht, dass diese Information möglicherweise zu Konkurrenten kommt.“
Dass die Verträge vorzeitig verlängert wurden, sei ebenfalls nichts Ungewöhnliches. Berndt: „Der Vertrag, der bis 2012 gegangen wäre, wurde beispielsweise 2006 bis zum Jahr 2018 verlängert. Es war immer so, dass dann, wenn die Preise am Spotmarkt besonders niedrig waren, versucht wurde, davon für die Langfristverträge zu profitieren.“

Ob die Regierung über die Details des OMV-Vertrags nun informiert wird oder nicht: Notwendig seien diese Details für die Diversifizierung der Gasversorgung in Österreich nicht, sagt ein mit dem Öl- und Gasgeschäft vertrauter Manager. Die Politik müsse festlegen, aus welchen Märkten die Anbieter, Österreichs Energieversorger und Industrie nichts beziehen dürfen. Der Gazprom-Vertrag sei Sache der OMV, sie sei Vertragspartner und werde mit der Situation umzugehen wissen.

„Wird vom Markt weniger Gas aus Russland abgenommen, wird die OMV verhandeln müssen mit Gazprom.“ Das werde nicht immer so schwierig sein wie momentan, aber wenn es in Europa keine Abnehmer für das Importgas gibt, wird die OMV mit ihrem Partner reden können und auch müssen. Das Problem werde sich lösen lassen, gibt sich der Insider überzeugt.

Kein Staatseigentum

Grundsätzlich wäre die Politik gut beraten, die OMV nicht als Staatseigentum zu betrachten. Denn sie gehöre ihr nur zu einem Drittel. Was der Miteigentümer aus Abu Dhabi (hält 24,9 Prozent an der OMV und hat seine Anteile mit der Öbag syndiziert) dazu sagt, stehe sowieso auf einem anderen Blatt.

Eine Kündigung des bis 2040 laufenden Gasvertrags seitens der OMV halten renommierte Aktienrechtler für nicht opportun, „der OMV-Vorstand wäre blöd, würde er dies tun“. Die aktuelle Fokussierung auf diesen Vertrag mit Gazprom bringe die Politik keinen Schritt weiter. Der Fehler sei Anfang der 1990er-Jahre gemacht worden, als die OMV privatisiert wurde und ihr trotzdem Österreichs Gasversorgung anvertraut wurde. Bereits damals wäre eine Diversifizierung angeraten gewesen.

Und wenn die EU ein Gasembargo verhängt? Dann dürfte die OMV kein Gas aus Russland mehr importieren – Vertrag hin oder her.

Der Standard

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