Staat verdient gut am CO2-Handel

9. Mai 2023

Klima. Im Vorjahr mussten Österreichs Unternehmen so viel Geld für ihre Emissionen an die Republik zahlen wie nie zuvor. Die Millionen landen im Budget. Eine Zweckbindung würde auch die Inflation treiben, warnt
das Finanzministerium.

Österreichs hohe Treibhausgasemissionen sind ein Problem. Aber sie sind auch eine ganz gute Einnahmequelle — zumindest für den Finanzminister. Denn obwohl der heimische CO2-Ausstoß im Jahr der Energiekrise laut Umweltbundesamt um fünf Prozent gesunken ist, stiegen die Einnahmen der Republik aus dem Emissionshandel auf ein neues Rekordniveau. Nach Daten des BMF gaben österreichische Unternehmen 2022 in Summe 381,6 Millionen Euro für ihre Emissionsrechte aus. Das ist mehr als doppelt so viel wie vor zwei Jahren.

Der europäische Emissionshandel (ETS) deckt bekanntlich rund 40 Prozent aller ausgestoßenen Treibhausgase in der EU ab. Seit 2005 sind große Energieproduzenten und Industriebetriebe in der EU verpflichtet, am Handel mit Zertifikaten teilzunehmen. Seit 2012 müssen auch Airlines für ihre innereuropäischen Flüge bezahlen.

Emissionen sinken stetig

Anders als im Verkehrssektor sinken Österreichs Emissionen, die im ETS erfasst sind, seit Jahren konstant. Dass der Fiskus dennoch Rekordeinnahmen verbuchen kann, liegt an der Preisentwicklung der jüngeren Vergangenheit. Seit 2021 hat sich der Preis auf über hundert Euro verdreifacht. Aktuell kostet das Recht, eine Tonne Kohlendioxid zu emittieren, 90 Euro.

Seit Beginn des Systems ist eine Frage heftig umstritten: Wofür sollen die Hunderten Millionen der Industrie verwendet werden? EU-weit wurden im Schnitt 75 Prozent der Einnahmen aus dem CO2-Handel für „grüne Investitionen“ ausgegeben, heißt es bei der Europäischen Umweltagentur. In Österreich fließen die Einnahmen direkt ins Budget, decken dort aber nur ein Zehntel der Ausgaben für Klimaschutz und Dekarbonisierung ab, heißt es im Finanzministerium. Eine klare Zweckbindung der Gelder, wie es der grüne Koalitionspartner und die einzahlende Industrie seit Langem fordern, lehnt die ÖVP ab. Würde das Geld etwa für eine Förderung wie den Kesseltausch zweckgebunden, treibe das angesichts des Facharbeitermangels nur die Projektkosten und damit die Inflation in die Höhe.

System wird nachjustiert

Die Debatte dürfte so rasch nicht abebben, da die nationalen Einnahmen aus dem Zertifikatehandel weiter steigen dürften. Zwar ist der Emissionshandel so konzipiert, dass die Zahl der CO2-Rechte sinkt. Erst kürzlich einigte sich die EU darauf, die Höchstzahl der Zertifikate doppelt so schnell wie bisher aus dem Markt zu nehmen, um die Emissionen aus dem ETS-Bereich bis 2030 um 62 statt 43 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Gleichzeitig müssen aber immer mehr Unternehmen in Europa für ihre Emissionen zahlen. Ab 2024 soll erstmals auch der Schiffsverkehr zu Kasse gebeten werden. Zugleich erhält die Schwerindustrie immer weniger freie Zertifikate zugeteilt, bis es 2034 gar keine mehr gibt. Bis dato wurden für den Großteil der Industrieemissionen kostenlose CO2-Rechte verteilt, um dem Abwandern der Fabriken (und ihrer Emissionen) in andere Länder entgegenzuwirken.

CO2-Handel für Private

2027 soll dann ein zweiter CO2-Markt (ETS2) eingeführt werden, der die Treibhausgasemissionen von privaten Konsumenten umfassen wird. Wer dann mit Kohle, Öl und Gas heizt oder sein Auto tankt, muss mehr bezahlen. Österreich bepreist diese (und weitere private) Emissionen bereits auf nationaler Ebene. Aktuell kostet der Ausstoß einer Tonne CO2 für Private 32,5 Euro. Der Preis soll schrittweise auf 55 Euro je Tonne ansteigen und dann in den neuen europäischen Zertifikatehandel übergeführt werden. Wie das genau passieren soll, ist allerdings noch unklar. Derzeit ist weder definiert, was passiert, wenn der europäische Preis 2027 deutlich unter oder über dem österreichischen liegt. Noch herrscht in der Koalition Einigkeit darüber, welches Ministerium für den neuen Emissionshandel letztverantwortlich sein wird. Klar scheint nur eines: Auch die Einnahmen aus dem CO2-Markt für Private werden „dringend als Querfinanzierung“ künftiger Ausgaben im Klima- und Energiebereich benötigt.

von Matthias Auer

Die Presse

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