Zu wenig Arbeitnehmer für die Energiewende

25. September 2023, Wien

Elektrobranche. Ohne Fachkräfte keine Energiewende, sagen Fachleute. Eine neue Kampagne will vor allem junge Menschen erreichen.

Es gibt große Pläne in Österreich für die Energiewende: Bis 2030 sollen tausende Solaranlagen und Windräder aufgestellt werden und bis 2040 sollen die Gebäude klimafit gemacht werden. Zum Problem wird es aber dann, wenn die Menschen fehlen, die die notwendige Arbeit machen.

Allein im Bereich der Energiewirtschaft fehlen bis zu 2000 Fachkräfte, bis zum Jahr 2030 sollen 2900 fehlen, gibt der Österreichische Verband für Elektrotechnik (OVE) an. Gerade der Bereich Energietechnik spiele eine „wesentliche Rolle“ in der Energiewende, sagt OVE-Präsident Kari Kapsch.

Die Zahlen würden zeigen, wohin die Richtung geht: „Bei der TU Graz hatten wir im Jahrgang 2020/2021 etwa 160 Neuzugänge in der Elektrotechnik, zwei Jahre später haben wir ein Drittel verloren.“ Ein Szenario, das es auch in anderen Bildungseinrichtungen gebe, sagt Kapsch. „Simpel abgeleitet, sind diese Ziele der Energiepolitik ohne Arbeitskräfte nicht leicht realisierbar.“ Derzeit fehlen in der gesamten Branche durch die Bank rund 14.000 Fachkräfte, „und die Tendenz steigt“, schlägt Kapsch Alarm. Bis zum Jahr 2030 könnte die Zahl auf 22.000 ansteigen, heißt es.

Arbeitsmigration reicht nicht

Zwar könne man über Bildungspolitik jammern, sagt Kapsch, aber er wolle lieber mit einer eigenen Initiative stärken. Die Brancheninitiative „Join the Future“ will vor allem Schülerinnen und Schülern ab zehn Jahren mittels Videos zeigen, wie sie Teil der Lösung werden können. Vor allem junge Frauen sollen damit angesprochen werden.
„Wir haben ein altvaterisches Image. Man lernt in der Schule vielleicht, wie man einen Trafo berechnet, aber das bildet nicht mehr ab, was die Branche heute noch alles macht.“ Sein Appell: „Klebt euch nicht auf die Straße, sondern lernt, die Probleme der Zukunft zu lösen.“

Die Berufe in der Branche sind eine Querschnittsmaterie aus beispielsweise Energietechnik, Robotik oder Mikroelektronik, die sich über die Landwirtschaft bis zur Autoindustrie zieht. Es wird zum Beispiel gelernt, wie ein Netzbetreiber Stromnetze aufbaut. Dabei geht es einerseits um Netzstabilität, aber andererseits auch darum, dezentrale Systeme – wie die Fotovoltaikanlage auf einem Haus – in das bestehende Stromnetz einzukoppeln.
Die Ausbildungsangebote, von der Lehre über die berufsbildenden höheren Schulen wie den Höheren Technischen Lehranstalten (HTL), den Technischen Universitäten (TU) und den Fachhochschulen (FH) in den verschiedenen Bundesländern, findet Kapsch grundsätzlich gut. Es fehle lediglich an der vorhandenen Quantität. Welche Berufe und wo in Österreich am meisten fehlen, kann man laut dem Unternehmer und OVE-Chef nicht sagen, denn es fehle überall und die Lücken zögen sich wie ein „Fleckerlteppich“ durch das Land.

Das Auftreiben von Arbeitskräften aus dem Ausland allein sei ebenso zu wenig. Zwar ist es leicht, Menschen aus Süd- oder Osteuropa zu gewinnen, weil Österreich mit besseren Gehältern und oft einer besseren Lebensqualität punkten kann. Aber mit Arbeitskräften aus zum Beispiel Deutschland werde es schon schwieriger, ein attraktiver Standort zu sein. „Da sind wir schlecht im Brutto-Netto-Vergleich, obwohl wir einen sehr attraktiven Kollektivvertrag haben.“ Mit einem Lehrlingsentgelt von 1750 Euro brutto pro Monat im vierten Lehrjahr und einem Bruttomindestlohn von 2300 Euro zahlt der Sektor überdurchschnittlich gut.

Wichtige Branche

Zu den KV-Verhandlungen wollte sich Kapsch nicht äußern, „schon gar nicht in meiner Rolle als OVE-Präsident“. Bei den Verhandlungen im Frühjahr werde er als stellvertretender Obmann des Fachverbands der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) nämlich selbst in den Verhandlungen sitzen. Die Branche ist eine treibende Wirtschaftskraft in Österreich: Sie ist mit etwa 300 Unternehmen und rund 72.000 Beschäftigten im Land vertreten und hat 2022 einen Produktionswert von 23,34 Mrd. Euro erwirtschaftet. Die Elektrotechnikbetriebe bilden 10.138 Lehrlinge aus, davon sind aber nur 656 weiblich.

„Klebt euch nicht auf die Straße, sondern lernt,die Problemezu lösen.“ Kari Kapsch, OVE-Präsident

von Melanie Klug

Die Presse

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