Strompreisbremse hemmt Energiegemeinschaften

22. Jänner 2024, Salzburg

Im Süden Salzburgs formiert sich eine neue Energiegemeinschaft. Ein Wasserkraftwerk sorgt auch in den Nachtstunden für den eigenen Strom.

Selbst Strom mittels Wasserkraft zu produzieren ist für Barbara Praxmayer-Müller eine Selbstverständlichkeit. 1952 nahm das Kleinwasserkraftwerk am Salzburger Almkanal im Stadtteil Gneis den Betrieb auf. „Meine Familie waren Müller und haben am Almkanal die Praxmayermühle betrieben.“ Bis zur Schließung im Jahr 2002 zählte diese zu den letzten Mühlenbetrieben am Almkanal.

Beruflich baute sich Praxmayer-Müller mit dem Handel von Futtermitteln ein neues Standbein auf. Was in Betrieb blieb, ist das Wasserkraftwerk am Almkanal. „Mein Vater, Mathias Praxmayer, kümmert sich und kennt das Kraftwerk in- und auswendig“, sagt die Gneiserin. Auch an diesem Vormittag wirft der 83-Jährige ein kritisches Auge auf das Kraftwerk und seine mechanische Funktion. 220.000 Kilowattstunden werden im Jahr produziert. Das entspricht dem Jahresverbrauch von 62 Haushalten mit einem Durchschnittsverbrauch von 3500 kWh. „Drei Wochen im Jahr steht das Kraftwerk still – während der traditionellen Almabkehr im September –, dann werden die Instandhaltungsarbeiten vorgenommen“, sagt Walter Müller, Barbara Praxmayer-Müllers Gatte und kaufmännischer Angestellter bei einer Salzburger Bausparkasse. Arbeit bereitet das Wasserkraftwerk der Familie täglich. „In der Früh und am Abend müssen Schmutz und Äste entfernt werden – das geht nur händisch mit einem Rechen“, sagt Walter Müller. 150.000 Kilowattstunden der Produktion von 220.000 Kilowattstunden verkaufte die Familie bis zuletzt an die regionale Energieversorgerin Salzburg AG – ähnlich wie bei einer Photovoltaikanlage wurde der nicht verbrauchte Strom ins Netz eingespeist. Der Vorteil bei der Wasserkraft ist, dass auch in der Nacht und an sonnenarmen Tagen Strom produziert wird.

Künftig geht man mit dem Wasserkraftwerk in Gneis neue Wege: Der Strom wird innerhalb einer neu gegründeten Energiegemeinschaft verkauft. Als Obmann steht dieser Erik Schnaitl vor, der auch Geschäftsleiter der Ökostrombörse Salzburg ist: „Wir haben viele Interessenten, die Teil der Energiegemeinschaft werden möchten, und mit dem Ökohof Feldinger und dem Gemüsebau Steinerbauer zwei große Abnehmer.“ Angestrebt werden zwischen 50 und 100 Mitglieder. Diese agieren in der Funktion als Energielieferant, wenn sie überschüssige Energie aus Wasserkraft, Sonnenenergie (PV) oder Biomasse den Abnehmern der Energiegemeinschaft zur Verfügung stellen, oder eben als Stromkundinnen und -kunden.

Die neu gegründete Energiegemeinschaft verfolgt jedoch auch noch ein anderes Ziel: Neben dem Energiehandel sind Schwerpunkte der Nachhaltigkeit geplant. Zu diesen zählen Mobilität, Ernährung und Raumwärme. „Wir möchten innerhalb der Energiegemeinschaft ein Carsharingmodell anbieten, gemeinsam Gemüse anbauen und uns gegenseitig unterstützen, wenn es um die Errichtung von PV-Anlagen beziehungsweise den Heizungstausch geht“, sagt der Mediziner, Landwirt und Mitgründer Willi Schwarzenbacher.

Die Bildung von Energiegemeinschaften wurde mit Inkrafttreten des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes im Sommer 2021 möglich. 54 wurden seither laut der Salzburg Netz GmbH im Bundesland gegründet. Mitglieder der Energie Salzburg Süd können Haushalte und kleine Gewerbebetriebe werden, die im Umspannwerk Eichet zusammengefasst sind. Das Netz umfasst den Süden der Stadt Salzburg, die Gemeinden Elsbethen, Gaißau, Krispl und große Teile von Siezenheim. „Auch das Wasserkraftwerk der Sturm-Mühle in Wals-Siezenheim steht für die Einspeisung zur Verfügung“, sagt Schnaitl.

Den Preis für die Kilowattstunde vereinbaren sich die Mitglieder der Energiegemeinschaft selbst und sind damit unabhängig von den Großhandelsmärkten. Zurück nach Gneis: Zwischen zehn und zwölf Cent netto bekommen die Energielieferanten in der neuen Energiegemeinschaft. Im Vergleich dazu: Bei der OeMAG, Abwicklungsstelle für Ökostrom, wird es im Jänner zwischen 5,78 und 9,63 Cent pro Kilowattstunde geben.

15,6 bis 18 Cent brutto zahlen jene für den Arbeitspreis, die den Strom von der Energiegemeinschaft beziehen. Im Vergleich dazu: 23,88 Cent brutto kostet eine Kilowattstunde – reiner Arbeitspreis – bei der Energieversorgerin Salzburg AG. Der Bund bremst die hohen Stromkosten weiter bis Ende 2024. Für die ersten 2900 Kilowattstunden werden zwölf Cent brutto pro kWh für die Haushalte fällig. Dieser günstige Kilowattstundenpreis setzt die Energiegemeinschaften unter Druck: Theoretisch würden deren Mitglieder nämlich weniger zahlen als beispielsweise bei der Salzburg AG und somit wäre das Modell Energiegemeinschaft noch attraktiver. „Die Strompreisbremse des Bundes bremst die Energiewende“, sagt Schnaitl. Eine punktuelle Entlastung für Härtefälle wäre aus der Sicht Schnaitls sinnvoller.

Aus dem Klimaschutzministerium heißt es dazu: „Die Grundidee der Energiegemeinschaften ist, gemeinsam Strom zu produzieren und zu verbrauchen – und damit auch von den niedrigeren Kosten zu profitieren.“ Die Stromkostenbremse richte sich zentral an private Stromverbraucher und sei damit für Energiegemeinschaften, die ja eigenen Strom produzieren und nutzen, nicht wirklich geeignet. „Energiegemeinschaften verfolgen dabei ja nicht den Zweck, Gewinn zu erwirtschaften, sondern, den Mitgliedern günstigen, grünen Strom zur Verfügung zu stellen.“

Mitglieder einer Energiegemeinschaft profitieren von günstigeren Netztarifen (–28 Prozent) – für jenen Strom, der verteilt wird. Die Elektrizitätsabgabe und der erneuerbare Förderbeitrag entfallen für Energiegemeinschaften dauerhaft. Im Moment wurden diese zur Abfederung der Teuerung generell reduziert.

Die Gründer der Energiegemeinschaft möchten trotzdem viele Mitglieder für sich gewinnen. Schwarzenbacher: „Wer nur zu einer Energiegemeinschaft geht, um ein paar Cent zu sparen, ist dort falsch – es geht um einen Nachhaltigkeitsgedanken und um den Wunsch, energieunabhängiger zu werden.“

von Marco Riebler

Salzburger Nachrichten

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