Vom Schnee zum Strom

9. Feber 2024

Seilbahnvertreter sehen Potenzial, künstliche Speicherseen in Skigebieten im Sommer für die Speicherung und Erzeugung von Strom zu nutzen. Damit sollen künftig auch Stromschwankungen ausgeglichen werden. In der Praxis gibt es jedoch einige Hürden.

Hundert Prozent Schneesicherheit“ verspricht das Kitzsteinhorn in Kaprun in Salzburg. Zwar liegen die Pisten auf bis zu 3000 Meter Höhe und noch dazu auf einem Gletscher. Ohne künstliche Beschneiung geht aber auch hier nichts. Das Wasser für die 161 Schneekanonen kommt von Speicherteichen wie jenem am Langwiedboden auf rund 1900 Meter Höhe: eingebettet zwischen den umliegenden Bergen und einer 15 Meter hohen Staumauer, die bis zu 26 Millionen Liter Wasser im See hält. „Mit diesem Wasser beschneien wir ungefähr 40 bis 45 Tage im Jahr“, sagt Günther Brennsteiner, technischer Leiter der Gletscherbahnen Kaprun.

Kaum ein Skigebiet kommt heutzutage ohne die wertvollen Wasserspeicher aus. Rund 450 Speicherseen gibt es in Österreich – Tendenz steigend. Sie versorgen im Herbst und Winter die rund 33.000 Schneekanonen im Land mit Wasser für die Beschneiung der Pisten. Die meiste Zeit des Jahres, vor allem im Frühling und Sommer, sind die Speicherbecken jedoch kaum in Verwendung. Dann sind sie allenfalls Kulisse von Wanderwegen oder Aussichtspunkten.

Energiekreislauf

Geht es nach einigen Vertretern der Seilbahnwirtschaft und der Kleinwasserkraft, könnte sich das in Zukunft ändern. Sie sehen in Speicherseen ein großes Potenzial für die Energiewende, denn sie könnten ganzjährig genutzt werden. Die Idee: Im Winter können die Speicherseen wie jetzt Wasser für die Schneekanonen liefern, im Frühling und Sommer dann – gefüllt mit Schmelzwasser -je nach Bedarf Strom produzieren oder Strom speichern.

Im Skigebiet in Kaprun geschieht das bereits zum Teil. Dort wandelt ein Kraftwerk im Sommer das Schmelzwasser vom Speicherteich am Langwiedboden in Strom um. „Damit können wir circa 50 Prozent des Stroms der Beschneiungsanlagen abdecken“, sagt Brennsteiner. Im Herbst und im Winter, wenn die Schneekanonen Wasser brauchen, wird das Wasser von den Wasserbecken des Kraftwerks Kaprun wieder in den Speicherteich auf dem Langwiedboden gepumpt. „Dadurch entsteht ein Energiekreislauf“, sagt Brennsteiner.

Schwankungen ausgleichen

Theoretisch könnten Speicherseen aber auch als Energiespeicher fungieren. Steht beispielsweise im Sommer viel Strom aus Photovoltaik oder Windkraft zur Verfügung, könnte Wasser mithilfe eines Pumpspeicherkraftwerks nach oben gepumpt werden. Wird dann beispielsweise in der Nacht oder an bewölkten Tagen Strom benötigt, kann das Wasser vom Speichersee wieder nach unten fließen, Turbinen antreiben und damit Strom produzieren.

„Skigebiete könnten damit nicht nur schneller energieautark werden, sondern auch maßgeblich zur Netzstabilisierung beitragen“, sagt Erik Wolf, Geschäftsführer des Seilbahnenfachverbands der Wirtschaftskammer. Betriebe könnten Strom genau dann produzieren, wenn er am meisten gebraucht wird und wenn er am teuersten ist – sogenannten Spitzenstrom -, und ihn regional in die Netze einspeisen.

Schon vor einiger Zeit habe eine Studie für Salzburg ergeben, dass 47 der 102 Speicherteiche im Bundesland auch als Energiespeicher geeignet wären. „Sofern man das auf den Rest des Landes umlegen kann, hieße das, dass wir knapp die Hälfte aller Speicherseen auch für die Stromspeicherung und Stromerzeugung nutzen könnten“, sagt Wolf.
Laut einer Studie der TU Graz könnten in den Speicherseen in Tirol und Salzburg durch geringe Umbauten zwischen 49 und 85 Gigawattstunden Strom gespeichert werden. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Strombedarf von 15.000 bis 25.000 Haushalten. Die Speicherbecken würden damit zwar nur einen vergleichsweise kleinen Beitrag zur Energiewende leisten. „Gerade wenn es um die Bereitstellung von Spitzenstrom geht, wäre dieser Beitrag aber besonders wertvoll“, sagt Wolf.

Noch stecken solche Projekte allerdings in den Kinderschuhen. Denn für die Umfunktionierung der Speicherteiche auf Stromspeicher und Stromerzeuger gibt es einige Hürden. Im Idealfall gibt es bereits zwei annähernd gleich große Speicherteiche, die in unterschiedlichen Höhenlagen liegen und die mit einer Leitung verbunden sind. Gerade bei älteren Speicherteichen reichen die Durchmesser der Rohre, die für die Wasserversorgung der Schneekanonen konzipiert wurden, allerdings nicht aus, um auch genügend Wasser für die Stromerzeugung durchfließen zu lassen, sagt Wolf. Es müssten also neue, größere Rohre am Berg verlegt werden.

Zudem braucht es für die Nutzung der Speicherseen als Energiespeicher neue Genehmigungen. Aus Landschaftsschutzgründen müssen Speicherteiche auch im Sommer gefüllt sein. Einen Teil des Wassers für die Stromproduktion abzulassen ist nicht ohne weiteres möglich.

„Speicherteiche beanspruchen große Flächen“, sagt die Salzburger Landesumweltanwältin Gishild Schaufler. Diese befinden sich oftmals in ökologisch besonders sensiblen Lebensräumen. Schon in den vergangenen Jahren habe es durch Speicherteiche große Eingriffe in die Berglandschaft gegeben.

Mehr Speicherteiche nötig

Skigebiete brauchen aufgrund des Klimawandels und des steigenden Beschneiungs-und Wasserbedarfs immer mehr und größere Speicherteiche, sagt Schaufler. Hinzu kommen die Eingriffe durch die Leitungen, für deren Verlegung Trassenbreiten von acht bis zehn Metern benötigt werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien müsse naturverträglich gestaltet werden. „Denn wenn wir Moore oder natürliche Wälder zerstören, dann haben wir kein Problem gelöst, sondern ein neues geschaffen.“

Die große Lösung für die Energiewende werden kleine Wasser-und Pumpspeicherkraftwerke in Skigebieten aber nicht sein. „Auf gesamtösterreichischer Ebene ist deren Beitrag eher vernachlässigbar“, sagt Gerald Zenz, Wissenschafter am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU Graz.

Allerdings könnte es für einzelne Betriebe durchaus reizvoll sein, solche Pumpspeicherkraftwerke zu installieren. Gibt es zusätzlich PV-Anlagen oder Windkraftwerke rund um das Skigebiet, könne der überschüssige Strom daraus dezentral gespeichert und bei größerem Bedarf wieder genutzt werden -und somit auch die Energiebilanz des Skigebiets ein wenig aufbessern.

Der Standard

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