Energiewende: Weshalb Nichtstun teuer werden kann

31. Juli 2024

Gastkommentar. Damit die Energiewende ihre volle Dynamik entfalten kann, braucht es passende Finanzierungsinstrumente.

Die Energiewende ist das Gebot der Stunde, heute mehr denn je. Aus Klimaschutzgründen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Aus ökonomischen Gründen, um aus der fossilen Abhängigkeit herauszukommen. Aus sicherheitspolitischen Gründen, um von unzuverlässigen Regierungen unabhängig zu werden. Neben wichtigen Gesetzen und Gesetzesänderungen wird derzeit noch immer zu wenig über die Kosten der Energiewende geredet. Die Investitionen für die Energiewende sind eine große Herausforderung. Nur: Nichtstun kann noch einmal deutlich teurer sein. Umso mehr braucht es die Auseinandersetzung damit, wie wir die Investitionen in die Energiewende bestmöglich finanzieren.

Der Aus- und Umbau der Stromnetze ist ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende. Sie sind das Rückgrat der Energieversorgung, insbesondere wenn für Österreichs Klimaneutralität aufgrund der dafür erforderlichen Dekarbonisierung bis 2040 doppelt so viel Strom gebraucht wird wie heute. Das bedeutet erstens mehr Strom aus Windkraft, Fotovoltaik, Wasserkraft und Biomasse; zweitens mehr Speicher, um den Strom verfügbar zu haben, wenn er auch gebraucht wird; und drittens leistungsfähige Netze, damit dieser Strom bedarfsgerecht bei den Haushalten und Unternehmen ankommt.Werden diese Netze nicht oder verzögert ausgebaut, werden sie zum „Bottleneck der Energiewende“. Und erneuerbarer Strom wird durch Abregeln „vergeudet“.

Die Netzbetreiber beziffern den Investitionsbedarf in die Netzinfrastruktur bis 2040 mit 53 Milliarden Euro – 34 Milliarden davon entfallen auf die Energiewende zur Integration von erneuerbarer Stromerzeugung sowie von Wärmepumpen, kleinen PV-Anlagen und zunehmender E-Mobilität. 19 Milliarden entfallen auf Ersatzinvestitionen, die ohnehin anfallen. Der hohe Investitionsbedarf erfordert eine erhebliche Kapitalzufuhr bei Netzbetreibern, was insbesondere kleinere und mittlere Stromnetzbetreiber an die Grenzen bringen könnte. Zugleich braucht es eine höhere Geschwindigkeit beim Netzausbau, um die Klima- und Energieziele rechtzeitig zu erreichen. Aktuell werden Investitionen in Stromnetze über Netzentgelte, die größtenteils durch Endverbraucher bezahlt werden, finanziert. Eine grobe Überschlagsrechnung zeigt dabei: Werden die Gesamtinvestitionen gleichmäßig auf den Verbrauch in Österreich aufgeteilt, dann würden sich die Netzentgelte bis 2030 verdoppeln.

Die wesentliche Frage für die Umsetzung der Energiewende lautet deshalb: Wie kann der Kapitalbedarf zur Finanzierung der Netzinvestitionen sichergestellt, die Belastung der Netznutzer gedämpft und die Energiewende rasch und gerecht umgesetzt werden?

Instrumente im Vergleich

Um Antworten zu finden, haben wir verschiedene Finanzierungs- und Regulierungsinstrumente verglichen: einen Fonds mit privatem Kapital, einen staatlichen Infrastrukturfonds Energie, eine Verlängerung von Abschreibungsdauern, ein Amortisationskonto, eine regionale Harmonisierung der Netzentgelte, „deep connection charge“, die G-Komponente und einen Zuschuss zu den Netzentgelten.

Das Ergebnis: Ein staatlicher Infrastrukturfonds Energie kann einen Beitrag zur fairen und raschen Umsetzung der Energiewende leisten. Gleichzeitig dürfen die verglichenen Regulierungs- und Finanzierungsinstrumente nicht als Entweder-oder, sondern müssen als Sowohl-als-auch gedacht werden. Und öffentliche Gelder für Infrastrukturen von öffentlichem Interesse sind in Österreich nichts Neues: Durch die Übernahme von Haftungen und/oder Zuschüsse mit öffentlichen Geldern werden die Straßennetze der Asfinag und die Schieneninfrastruktur der ÖBB finanziert. Der Stromnetzinfrastruktur als wichtigem Element der Energiewende kann ein öffentliches Interesse wohl nicht abgesprochen werden.

Ein Infrastrukturfonds Energie könnte den Netzbetreibern unterschiedliche Finanzierungsinstrumente zur Verfügung stellen. Beispielsweise erhöht die Zuführung von Eigenkapital die Eigenkapitalquote der Netzbetreiber und stärkt dadurch auch die Möglichkeit zur Außenfinanzierung durch Fremdkapital. Die Dotierung des Fonds kann über unterschiedliche öffentliche Mittel erfolgen. Gerade in Zeiten von budgetären Engpässen sind Diskussionen über neue öffentliche Schulden sicherlich nicht optimal. Doch hier kann eine gewisse „Entwarnung“ zur budgetären Belastung gegeben werden. Die Höhe der Dotierung des Fonds selbst ist eine politische Entscheidung, und bei den Finanzierungsinstrumenten für Eigen- und Fremdkapital erfolgen wiederum Rückflüsse zum Fonds. Möglich wäre auch, dass der Fonds teilweise auch für Kleinanleger möglich ist und somit Bürgerinnen und Bürger an der Finanzierung der Energiewende beteiligt und deren Akzeptanz erhöht.

Dabei muss klar sein: Es gibt nicht nur das eine Instrument, den Netzausbau und damit die Energiewende zu finanzieren. Für die Finanzierung des Netzausbaus ist nämlich auch die Mobilisierung von zusätzlichem privatem Kapital unumgänglich. Deshalb brauchen wir eine offene, konstruktive und ergebnisorientierte Debatte darüber, wie die Energiewende und ihre Bausteine finanziert werden sollen. Das ist eine dringende politische Frage, denn 2030 ist in der Zeitrechnung der Energiewirtschaft mit ihren Vorlaufzeiten für Investitionen eigentlich schon morgen. Nur wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Dr. Aria Rodgarkia-Dara ist Senior Associate beim ökonomischen Beratungsunternehmen Frontier Economics. Im Auftrag von Erneuerbare Energie Österreich, dem Dachverband aller Erneuerbaren, hat er sich mit Finanzierungsinstrumenten für den Stromnetzausbau beschäftigt.Die Studie finden Sie hier: https://www.erneuerbare-energie.at

von Aria Rodgarkia-Dara

Die Presse

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