Kennzeichnung. Strom- und Gaskunden wird am Jahresende stets mitgeteilt, woher ihre Energie kam. Dabei ist ganz Europa vernetzt, und es lässt sich nicht leicht durchschauen, wie die Angaben zustande kommen Harald Proidl Ökoenergieexperte E-Control
Wenn man Ökostrom oder Biogas bezieht, möchte man sich sicher sein können, bei der Herkunft seiner Energieträger nicht übers Ohr gehauen zu werden. In Österreich herrscht deshalb eine Kennzeichnungspflicht. Strom- und Gaslieferanten müssen nachweisen, aus welchen Quellen sie ihre Energie beziehen. Ganz so eindeutig kann man aber dennoch nicht sagen, woher eine soeben verbrauchte Kilowattstunde Strom oder Gas eigentlich stammten.
Alles im „Stromsee“
„Der Strom hat kein Mascherl“ ist ein oft gehörter Spruch, der ausdrückt, dass die physikalische Erscheinung des Stroms immer gleich ist, egal ob dieser in einem Gas-, Wasser- oder Atomkraftwerk erzeugt worden ist. Der heimische Energieregulator E-Control liefert dazu das Bild vom Stromnetz als „Stromsee“. Einmal darin eingeflossen, ist Strom nicht mehr unterscheidbar.
Dieser Einförmigkeit versucht man mit Herkunftsnachweisen entgegenzuwirken. Speist ein Windrad Strom in das Netz ein, stellt der Netzbetreiber für die Strommenge einen Herkunftsnachweis – kurz HKN – aus und macht einen Eintrag in der HKN-Datenbank der E-Control. Aber auch einen HKN kann man keiner Strommenge als Mascherl umhängen. Man kann damit nur sicherstellen, dass z. B. eine gewisse Menge Strom eines Windrads im „Stromsee“ schwimmt.
Europaweit gehandelt
Am Ende landen Herkunftsnachweise auf den Jahresendabrechnungen für Kunden von Energieversorgern. Damit sind sie entwertet. HKN können gemeinsam mit einer spezifischen Strommenge verkauft werden, müssen es aber nicht. Sie können europaweit unabhängig vom Strom gehandelt werden. Im Endeffekt könnte ein Energieversorger also Strom in einem Gaskraftwerk erzeugen, aber HKN für Solarstrom von anderen Energieversorgern kaufen und seinen Kunden damit Ökostrom liefern. Das hat dem System auch Kritik eingebracht. Österreich kann davon nicht abweichen, es ist eine EU-Vorgabe.
Zusatzinformation
„Die wesentliche Idee ist, dass der Herkunftsnachweis nur einmal zur Verfügung steht“, sagt Harald Proidl von der E-Control. Wenn ein Energieversorger einen HKN für erneuerbare Energie verkauft, steht er ihm selbst nicht mehr zur Verfügung. Die Bilanz bleibt gleich.
Um der Kritik entgegenzuwirken, dass HKN „Greenwashing“, also Schönfärberei, ermöglichen, wird seit 2024 auf den Stromrechnungen genau ausgewiesen, wie viel Strom ein Energieversorger gemeinsam mit HKN erworben hat und wie viel HKN getrennt erworben wurden. Eine Auswertung aller Energieversorger findet sich im jährlichen Strom- und Gaskennzeichnungsbericht der E-Control.
Aufholen bei Gas
Wie viel Wert Energieversorger darauf legen, welche HKN sie ihren Kunden vorlegen, hängt von deren Umweltbewusstsein ab. „In Österreich sind Menschen generell sehr interessiert daran, woher ihr Strom kommt. In anderen Ländern wird das als nicht so wichtig erachtet“, sagt Proidl.
Während für HKN im Strombereich alle europäischen Länder vernetzt und aktiv beteiligt sind, gibt es im Gasbereich noch viel Nachholbedarf. Aufgrund der geringen Menge an Biogas in den Gasnetzen ist der Bedarf dafür noch nicht sehr ausgeprägt. In Österreich beträgt der Anteil derzeit gerade einmal 0,12 Prozent.
Auf Basis der HKN könne derzeit auch nicht bestimmt werden, ob Erdgas aus Russland geliefert worden ist, erklärt Proidl. Hier sei also international noch einiges an Arbeit notwendig.
Energieumwandlung
Durch die Energiewende kommt es immer öfter vor, dass HKN umgewandelt werden müssen. Wenn etwa mit Ökostrom per Elektrolyse aus Wasser grüner Wasserstoff produziert wird, geht der HKN von Strom auf Gas über. Genauso läuft es bei der Umwandlung von Biogas in Fernwärme. Die E-Control hat dafür bereits ein Verfahren etabliert.
In Zukunft wird die Angelegenheit noch ein wenig komplexer, prophezeit der Experte. Dann müssten auch Dinge wie Batteriespeicher und neue Geschäftsmodelle in das System integriert werden. An diesem orientieren sich immer mehr Länder, etwa am Balkan oder am Kaukasus. Wer am gemeinsamen Markt der EU teilnehmen will, bereitet sich auch auf diese Art darauf vor.
„In Österreich sind Menschen generell sehr interessiert daran, woher ihr Strom kommt“
Harald Proidl Ökoenergieexperte E-Control
Fakten
84,73Prozent
des 2023 in Österreich verbrauchten Stroms stammen laut Herkunftsnachweisen aus erneuerbarer Energie. In der Energiestatistik liegt der Wert bei 93 Prozent. Der Unterschied ergibt sich aus dem Export von Herkunftsnachweisen
10,91Prozent
der 2023 in Österreich eingesetzten Herkunftsnachweise stammen aus Norwegen, 9,15 Prozent aus den Niederlanden, 1,89 Prozent aus Schweden. Insgesamt wurden HKN aus 22 Ländern in Europa verwendet. 68,02 Prozent der HKN stammen aus dem Inland
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