Geht uns das Erdgas aus und welche Rolle spielt es für die Energiewende? Diesen Fragen gingen Experten bei den Energiepolitischen Gesprächen in der Wirtschaftskammer nach.
Die jüngsten geopolitischen Spannungen, insbesondere der Lieferstopp von russischem Erdgas nach Österreich, haben erhebliche Auswirkungen auf die Kärntner Wirtschaft, vor allem auf die Industriebetriebe. Ein überstürzter Ausstieg würde nicht nur Produktionsabläufe gefährden, sondern auch den Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand zur Folge haben. Michael Velmeden, Obmann der WK-Sparte Industrie, macht deutlich: „Gas spielt eine zentrale Rolle in der Energieversorgung und ist für viele unserer industriellen Prozesse unverzichtbar.
Durch die Gasmangellage haben wir keine wettbewerbsfähigen Preise – die Wirtschaft zahlt also die Rechnung. Entscheidend für die Zukunft wird ein Technologiemix aus Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik, Biomasse, Wasserstoff und Speicherung sein.“
Dass Erdgas eine unverzichtbare Rolle als Standortfaktor einnimmt, unterstreicht auch Heinrich Pecina, Experte für Umwelt-und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich: „Eine sichere Energieversorgung ist für einen Wirtschaftsstandort unerlässlich. Es muss daher alles unternommen werden, um sicherzustellen, dass die Gasspeicher auch in Zukunft ausreichend gefüllt sind.“ Wettbewerbsfähige Energiepreise seien in Zeiten einer Rezession entscheidend, es dürfe nicht zu einer unnötigen Belastung für die Betriebe kommen. Doch gerade durch die Energiepreise sei die Belastung hoch: Alleine in den vergangenen zehn Monaten habe sich der Gaspreis verdoppelt, während der Preis in den USA bei etwa einem Fünftel liegt.
Johannes Benigni, Energieexperte und Geschäftsführer von JBC Vienna, skizziert die Auswirkungen geopolitischer Entwicklungen auf die Energieversorgung und betont, dass Alternativen wie Biogas und Wasserstoff zwar Potenzial bieten, aber Zeit und Investitionen benötigen, um im großen Stil marktfähig zu werden. „Wenn wir die CO₂-Ziele erreichen wollen, dann geht das nur gemeinsam im Gleichschritt mit den anderen Staaten. Europa hat sich gesetzlich verpflichtet, die Klimaziele mit dem Green Deal 2050 einzuhalten und hat den Zwischenschritt bis 2030 unter dem Motto ‚Fit for 55‘ verschärft. Während viele andere Länder sich zwar auch darauf verständigt haben, die CO₂-Emissionen einzuschränken, haben viele von ihnen die Klimaziele entweder nicht ratifiziert oder sich nur freiwillig dazu verpflichtet.“ Benigni sieht die Lösung nicht im Verbot fossiler Energieträger, sondern auch im Zulassen alternativer Lösungen wie Carbon Capture, also der Speicherung von CO₂-Emissionen. Der Zugang zur Energiewende müsse realistisch sein, während Steuern auf ein EU-Minimum gesenkt werden müssen, um „uns vom Wettbewerbsnachteil zu befreien“.
WK-Präsident Jürgen Mandl warnt vor einem überstürzten Ausstieg: „Erdgas ist in den nächsten Jahren unverzichtbar. Ein zu schneller Ersatz durch teure Alternativen würde die Wettbewerbsfähigkeit noch stärker gefährden und Betriebe zur Abwanderung ins Ausland zwingen.“
Mehr von Johannes Benigni gibt es im neuen Südpol-Podcast:
Kärntner Wirtschaft