Nach monatelangem Gezerre hat sich die Regierung darauf geeinigt, wie sie das EU-Klimaziel erreichen will. Laut Grünen soll es auch dem Dieselprivileg an den Kragen gehen – die ÖVP sieht das aber anders.
Es sind Worte, die Erleichterung für die einen und Anspannung für die anderen bedeuten. „Wir gehen Themen wie das Dieselprivileg und den Tanktourismus ernsthaft an“, verkündete Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Dienstagvormittag feierlich. Sichtlich gut gelaunt trat sie vor die Presse, um den Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) zu präsentieren. Er zeigt, wie Österreich das EU-Klimaziel erreichen will: Bis 2030 soll Österreich die Emissionen nahezu halbieren.
Der Plan kommt um Monate zu spät. Österreich hatte als einziges EU-Land jede Deadline zur Übermittlung des Plans nach Brüssel verpasst. „Am Ende zählt, dass ein gutes Ergebnis vorliegt. Es ist uns gelungen, der NEKP ist fertig“, rechtfertigte sich Gewessler. Doch was genau steht drinnen?
Es scheinen harte Verhandlungen gewesen zu sein. Die Grünen konnten dem großen Koalitionspartner wohl die Abschaffung der klimaschädlichen Subventionen abringen – zu solchen zählen etwa das Dieselprivileg und Steuervorteile für Dienstwägen. Das Aus solcher Förderungen soll mehr als zwei Millionen Tonnen CO₂ jährlich einsparen. Die ÖVP wiederum konnte neben einem „massiven Ausbau“ der Wasserstoffproduktion auch den Einsatz der CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) im Klimaplan verankern. (Details dazu weiter unten.)
Sanierung fördern
Weniger hart umkämpft dürfte die geplante Verlängerung der staatlichen Förderungen für den Heizungstausch und die Sanierung von Gebäuden bis 2030 gewesen sein. Schließlich geht es dabei vornehmlich um Maßnahmen, die bereits jetzt auf Schiene sind. Dazu zählen etwa der Tausch von Ölkesseln gegen erneuerbare Heizsysteme wie Wärmepumpen oder auch die thermische Sanierung von betrieblichen, kommunalen und privaten Gebäuden.
Im Klimaplan wird dabei auf die Fördertöpfe des Umweltförderungsgesetzes verwiesen. Demnach werden betriebliche und kommunale Heizungsumstellungen zwischen 2023 und 2027 mit 751 Millionen Euro gefördert. Spätestens mit Ende des Förderzeitraumes soll die Raumwärme- und Warmwasserbereitung in öffentlichen Gebäuden des Bundes zur Gänze durch Fernwärme oder erneuerbare Energieträger erfolgen.
Im Zuge der „Sanierungsoffensive“ sollen bis 2027 zusätzlich 2,445 Milliarden Euro für thermische Sanierungen für Betriebe, Kommunen und private Haushalte bereitgestellt werden. Letztere können aus dem Topf auch Geld für den Heizungsumtausch schöpfen.
Wie bewerten Experten den vorliegenden Klimaplan?
„Das Wichtigste ist: Es gibt einen Plan“, sagte Sigrid Stagl, Umweltökonomin der Wirtschaftsuniversität Wien, dem STANDARD. „Auch deshalb, weil Unternehmen und die Industrie Planungssicherheit brauchen.“
Klimaökonom Karl Steininger vom Wegener Center der Universität Graz stellte nüchtern fest: „Mit dem vorliegenden Plan sollte es gelingen, die Inlands-Treibhausgasemissionen bis 2030 um 48 Prozent zu senken.“ Das bedeutet: knapp 30 Millionen Tonnen weniger an CO₂-Emissionen gemessen am Referenzwert des Jahres 2005. Zwei Prozent des Einsparungszieles könnten in den Emissionshandel verschoben werden. Diese Option will die Regierung auch nutzen. Heißt auf gut Deutsch: Energieversorger und Industrie, die im Rahmen des Emissionshandelssystems Verschmutzungsrechte kaufen müssen, müssen noch mehr CO2 einsparen.
Offen bleibt jedoch, ob sich die skizzierten Maßnahmen bis 2030 umsetzen lassen. Kritische Stimmen kommen auch vonseiten der Opposition und Interessensvertretungen. Insbesondere das Fehlen von sektorspezifischen Zielen erweist sich als Streitthema. Auch nach Übermittlung des Klimaplans nach Brüssel wird gerungen werden, ob im Verkehr mehr Treibhausgasemissionen einzusparen sind oder beim Hausbrand. Ganz zu schweigen davon, wie die nächste Regierung damit umgeht. Denn: Zwar ist das Ziel ebenso verpflichtend wie die Einreichung der Maßnahmen. Letztere lassen sich aber auch austauschen, sofern neue präsentiert werden, mit denen man das Ziel erreichen kann.
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Ende des Dieselprivilegs?
Klimaschädliche Subventionen sollen stark gekürzt werden
Durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen sollen jährlich zwei Millionen Tonnen an CO₂ eingespart werden. Darunter fallen etwa Steuervorteile für Dienstwägen und das Dieselprivileg. Aktuell ist Diesel um 8,5 Cent pro Liter geringer besteuert als Benzin. Bei Streichung der steuerlichen Begünstigung könnte man dem Einsparungsziel einen großen Schritt näher kommen, so die Hoffnung, weil weniger Menschen mit dem Auto fahren. Auch die Ökologisierung der Pendlerpauschale sei notwendig.
Die konkrete Umsetzung bleibt aber offen, zuständig ist das Finanzministerium. Entgegen den Darstellungen der Klimaschutzministerin, teilte die ÖVP via Aussendung mit, blieben Pendlerpauschale und Dieselprivileg „unangetastet“.
Ausbau des Wasserstoffs
Die Wasserstoffproduktion in der Industrie soll angekurbelt werden
Die Industrie hängt am Tropf der fossilen Energieträger. Damit sie klimafreundlich produzieren kann, soll Österreich laut Klimaplan die Wasserstoffproduktion ankurbeln. Denn Wasserstoff ist klimafreundlich, sofern man ihn mithilfe erneuerbarer Energie erzeugt.
Im Klimaplan sind mehrere Maßnahmen enthalten, darunter das Wasserstoffförderungsgesetz, die Umsetzung der Wasserstoffstrategie und die Entwicklung von Importmöglichkeiten für klimaneutralen Wasserstoff. Für Umweltökonomin Sigrid Stagl von der WU Wien bleibt offen, ob sich das Vorhaben bis 2030 ausgeht. „Derzeit haben wir dafür noch viel zu wenig Infrastruktur“, sagt Stagl. „Da hinken wir hinterher.“ Der Plan sei nicht unmöglich, aber „sehr ambitioniert“.
CO₂-Speicherung als Notlösung
Nicht vermeidbare Emissionen sollen abgeschieden werden
Nicht überall ist die Vermeidung von Treibhausgasen so leicht umsetzbar wie erwünscht. Für betroffene Sektoren sieht der Klimaplan vor, emittiertes CO₂ abzufangen und anschließend geologisch zu speichern. Anwendung könnte Carbon Capture and Storage, kurz CCS, etwa in der Land- und Abfallwirtschaft, vor allem aber in der Industrie finden.
Kritik kommt von Umweltschutzorganisationen. Greenpeace etwa spricht von „enormen Umweltrisiken“ und einem „kaum erprobten Verfahren“. Zur Erklärung: Aktuell ist CCS in Österreich noch verboten, das Verfahren wird bislang nur in Pilotprojekten zu Forschungszwecken angewandt. Ob sich eine Hochskalierung bis 2030 überhaupt ausgeht, ist jedenfalls fraglich.
Salzburger Nachrichten