Wie kann der Diesel-Lkw ersetzt werden?

31. August 2021

In kaum einem anderen Bereich nehmen die CO2-Emissionen in Österreich so stark zu wie bei den Lkws. Auch dort gibt es saubere Alternativen. Der Weg ist aber noch weit.


Der Verkehr ist das Problemkind der österreichischen Klimapolitik. Während wegen üppiger Förderungen jedes zehnte neue Auto im Land elektrisch betrieben wird, ist diese Zahl bei den Lastkraftwagen beinahe noch bei null. Das ist ein riesiges Problem, denn die zigtausend Lkws im Land sorgen für massive Emissionen und damit Klimawandelschäden. Alternativen werden erforscht. Bis sie da sind, vergehen wohl noch Jahre. Wie kann es gehen?


Auf den letzten Metern sind Lkws unverzichtbar: wenn es etwa darum geht, die Tomaten in den Supermarkt zu bringen oder Holz auf eine Baustelle. Die meisten Kilometer legen sie aber im Fernverkehr zurück. Etwa wenn Rohstoffe aus Rumänien nach Österreich gebracht werden. Lkws verursachen elf Prozent der CO2-Emissionen in Österreich. Seit 1990 haben sie sich mehr als verdoppelt. Pkw-Emissionen sind um etwa die Hälfte gestiegen.
Damit sich das umkehrt, braucht es Alternativen zum Diesel-Lkw. Am einfachsten ist es, die Lösung in drei Fragen aufzuteilen.


Frage: Fahren Lkws im Nahverkehr künftig mit Batterien?
Antwort: Ja. Das passiert probeweise schon, etwa beim Konzern Rewe. Ein großes Lager in Inzersdorf in Wien liefert dort etwa Milch und Aufstriche an die Billa-Filialen. Mit dabei ist ein batteriebetriebener Lkw, mit dem der Konzern Erfahrungen für die Zukunft sammeln will. Ein Zweiter kommt bald dazu. Das ist quasi der perfekte Anwendungsfall für batteriebetriebene Lkws: Sie fahren kurze Strecken und kommen schnell zurück in die Garage, wo sie geladen werden.
Das Logistikunternehmen Gebrüder Weiss hat zwei batteriebetriebene Lkws in Wien im Einsatz. Einer davon fährt am Tag 60 Kilometer nach Bratislava und wieder zurück, „dann muss man ihn wieder sechs Stunden laden“, sagt Peter Waldenberger, der dort für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen verantwortlich ist. „Wenn ich für einen Kunden jeden Tag dieselbe Strecke fahre, ist das sinnvoll.“ Noch sind diese Lkws teuer. Bei Rewe heißt es, ein Diesel-Lkw ohne Hänger koste 150.000 Euro, ein E-Lkw derzeit in etwa doppelt so viel.


Hersteller wie MAN, Scania oder Daimler Trucks haben aber erste kommerzielle Baureihen für E-Lkws angekündigt, was die Preise sinken lassen wird. In der EU sind sie unter Druck, denn sie müssen die CO2-Emissionen ihrer Flotte bis 2030 um 30 Prozent senken.


Frage: Sind Oberleitungen wie bei Straßenbahnen sinnvoll?
Antwort: Ja. Oberleitungen kennt man nur von Straßenbahnen, Zügen oder Bussen, die so Strom beziehen. Künftig könnte man Autobahnen ebenfalls damit ausstatten. Lkws könnten anbügeln, eine Teilstrecke so fahren und nebenbei ihren Akku laden. Auf stark befahrenen Straßen verhelfen Oberleitungen allen Lkws, egal ob mit Batterie, Hybrid oder Wasserstoff betrieben, zu mehr Effizienz, sagt Julius Jöhrens vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Eine Studie hat in Österreich Strecken zwischen Salzburg und Wien, etwa die Westautobahn (A1) und die Südautobahn (A2), als prädestiniert ausgemacht.


Oberleitungen können auch Probleme von Batterien für längere Strecken lösen: Lastwagen müssten nicht so oft zum Laden halten und sie bräuchten kleinere Batterien, es bliebe mehr Nutzlast für Güter. Auch die Belastung fürs Stromnetz würde sinken: Wenn zigtausende Lkws in Österreich Strom tanken, brauchen sie viel Platz an den Tankstellen. Und zweitens wäre das Netz in der Nähe von Autobahnen stark gefordert. So würde sich das besser verteilen.


Noch ist das Ganze aber in Kinderschuhen. In Deutschland wird an drei Standorten erprobt, was das mit dem Verkehrsfluss macht und ob die Sichtbarkeit von Schildern eingeschränkt wird. In Österreich wird dazu gerade eine Machbarkeitsstudie durchgeführt.


Frage: Welche Technologie setzt sich im Fernverkehr durch?
Antwort: Der Fernverkehr, in dem Lkws hunderte Kilometer zurücklegen, schien lange nicht mit Batterien zu betreiben. Für Spediteure ist entscheidend, wie lange man mit einem Lkw fahren und wie schwer man ihn beladen kann. Ein schwerer Lastwagen in den USA, der elf Tonnen 960 Kilometer fahren muss, bräuchte dafür derzeit noch eine 16 Tonnen schwere Batterie, schreibt der Logistikprofessor Alan McKinnon.


Aber Batterien machen Fortschritte, sie werden leichter, rasant billiger – um 60 Prozent zwischen 2010 und 2018 – und halten länger. Spricht man mit Praktikern, ist die Skepsis aber nach wie vor groß. Bei Gebrüder Weiss ist ein Wasserstoff-Lkw im Einsatz, der schon 400 Kilometer Reichweite hat. Das Tanken dauert lediglich zehn Minuten. „Das ist für uns die absolute Zukunft für das, was Speditionen benötigen“, sagt Peter Waldenberger. Auch Wasserstoff-Lkws fahren mit Strom, nur wird er hier erst lokal in einer Brennstoffzelle produziert.

Test im Fernverkehr
Rewe will 2022 einen Wasserstoff-Lkw für Tests im Fernverkehr anmieten. „Wenn wir 500 Kilometer in ein Tal fahren, ist das etwas anderes, als wenn wir mit dem batteriebetriebenen Lkw von Inzersdorf aus Wien beliefern“, sagt Jochen Geisendorfer, Bereichsleiter in der Logistik bei Rewe. Wasserstoff ist aber pro Kilometer mehr als doppelt so teuer wie Diesel. Und da ist von den Fahrzeugkosten noch nicht die Rede. Die Brennstoffzellen, die den Lkw antreiben, kosten hunderttausende Euro.


Das deutsche Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass Wasserstoff in einer ganzheitlichen Betrachtung im Fernverkehr – also inklusive Fahrzeuge, Energie und Infrastruktur – mehr als doppelt so viel kostet wie ein System, das auf batteriebetriebene Lkws baut. Für Spediteure ist Wasserstoff praktischer, weil sie weiter kommen und man mehr aufladen kann.

Für die Zeit danach müssen Pläne in der Schublade liegen, damit Lade- und Tankstellen oder Oberleitungen rasch in Betrieb genommen werden können. Die EU-Kommission will, dass auf den wichtigsten Autobahnen bis 2025 alle 60 Kilometer Schnellladestationen für E-Lkws und E-Autos, alle 150 Kilometer Wasserstofftankstellen stehen. Was den Umstieg schneller vorantreiben könnte, wäre die Einführung einer CO2-abhängigen Lkw-Maut. In Deutschland zahlen Lkws mit alternativem Antrieb gar keine Lkw-Maut. In Österreich zahlen sie die Hälfte, bald nur mehr ein Viertel, heißt es aus dem Ministerium.


Die Zeit ist knapp. Fast jeder zweite Lkw bleibt länger als zehn Jahre auf der Straße. Im Mobilitätsmasterplan des Klimaministeriums ist vorgesehen, dass ab 2030 keine Diesel-Lkws unter 18 Tonnen mehr zugelassen werden. Schwere Lkws müssen ab 2035 alternativ betrieben werden, um zugelassen zu werden. Noch steht das nur auf dem Papier – in der Regierung ist das nicht abgestimmt, Gesetze dazu fehlen.

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