Wie die Energiewende scheitert

31. August 2022

Kohlerenaissance. Mit bloßer Verteuerung von fossilen Brennstoffen funktioniert die Klimawende nicht. Ohne Alternativen wird es nur teurer. Die Lösung heißt Innovation.

Die Welt nimmt eine hyperkritische Attitude gegen fossile Energieträger ein, während Europa und die USA gleichzeitig arabische Länder bitten, mehr Öl zu produzieren, Deutschland Kohleminen reaktiviert, Spanien und Italien viel Geld in afrikanische Gasproduktion investieren und Botswana wegen der hohen Nachfrage aus Europa seine Kohleproduktion verdoppelt.“ Diesen vernichtenden Befund stellte der Chef des Copenhagen Consensus Center, Björn Lomborg, neulich in einem Gastkommentar für das „Wall Street Journal“. Sein Fazit: Die Energiewende ist so, wie sie aufgezogen wird, vollständig gescheitert.

Lomborg gilt unter Klimaaktivisten wegen seiner differenzierten Sicht als eine Art Gottseibeiuns, aber sein Institut ist ein international renommierter Thinktank, und er publiziert regelmäßig in international wahrgenommenen seriösen Medien, vom „Wall Street Journal“ bis zur „NZZ“.

Vor allem aber: Er hat in diesem Punkt einfach vollständig recht. Der durch die Invasion in die Ukraine heftig verstärkte Energiepreisschub zeigt jetzt früher als erwartet, dass die Energiewende, wie sie die meisten Industriestaaten konzipiert haben, auf einem stacheligen Holzweg ins Nirgendwo führt.

Die Idee war ja, den raschen Ausbau von Windenergie und Sonnenstrom dadurch zu beschleunigen, dass man fossile Energieträger so teuer macht, dass Alternativenergien schnell konkurrenzfähig werden. Durch CO2-Steuern etwa und durch künstlich erzeugte Verknappung. Ein durch und durch marktwirtschaftliches Konzept.
Eines, das aber nicht berücksichtigt, dass Marktwirtschaft nicht funktioniert, wenn dem Markt die Alternativen fehlen, auf die man umsteigen kann. Und schon gar nicht, wenn ideologieverblendete Planwirtschaftler in diesen Markt hineinpfuschen.

Konkret: Sonne und Wind liefern keine zuverlässig konstante Versorgung. Einmal zu viel, ein andermal zu wenig. Dieses naturwissenschaftliche Faktum kann man zwar leugnen. Wie etwa die „Energieexpertin“ des nicht ganz einflusslosen linken deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, die neulich auf Twitter meinte, man müsse endlich mit ökofeindlichen „Mythen“ aufräumen. Zu diesen Mythen gehören demnach die Existenz von Dunkelflauten und das betrübliche Faktum, dass nachts die Sonne nicht scheint. Die Malaise wird dadurch aber nicht geringer.

Gut, Deutschland hat vom „Wall Street Journal“ nicht ohne Grund das Prädikat „dümmste Energiepolitik der Welt“ verliehen bekommen: Fast eine halbe Billion Euro wurde in die Energiewende investiert. Mit dem Ergebnis, dass die Stromproduktion noch immer zu den CO2-intensiveren in Europa gehört, die CO2-Intensität gerade wieder zu steigen beginnt und der Fossilanteil am Gesamtenergieverbrauch gerade einmal von 84 auf 77 Prozent verringert werden konnte. Das ist das Land, wo grüne Politik das Abschalten der Beleuchtung einiger Sehenswürdigkeiten für ein geeignetes Mittel gegen Stromknappheit hält. Die Laufzeitverlängerung für drei Kernkraftwerke aber nicht.
Aber das Problem ist generell: Der wünschenswerte und notwendige radikale Ausbau von Wind- und Sonnenstrom benötigt Regelkapazität in Form von Energie zum Ausgleich der naturimmanenten Produktionsschwankungen. Dafür gibt es wunderbare Konzepte, auf dem Reißbrett ist das Problem längst gelöst: Stromspeicherung in Form von Pumpspeichern, Batteriespeichern, wasserstoffbasierter Power-to-Gas-Technologie und so weiter. Wo ist das Problem?
Das Problem ist, dass die Stromspeicherung in großindustriellem Stil derzeit nur in Pumpspeicher-Kraftwerken möglich ist. Davon gibt es viel zu wenige. Und auch das realistische Ausbaupotenzial ist zu gering, um den enormen Bedarf zu decken. Alles andere befindet sich im Stadium der Entwicklung und ist jedenfalls viel zu weit vom großtechnischen Einsatz entfernt, um in den nächsten Jahren relevant zu werden.

Ein kleines Beispiel: Alle weltweit installierten Batteriespeicher würden gerade einmal reichen, um den globalen Elektrizitätsbedarf für knapp 80 Sekunden zu decken. Selbst bei sehr ambitionierten Ausbauplänen werden es 2030 ungefähr zehn Minuten sein. Das ist Lichtjahre von jeder Versorgungssicherheit entfernt.

Deshalb war auch die fossile Erzeugung von Strom zum Ausgleich der Ökostrom-Schwankungen sogar im Rahmen der deutschen Energiewende fixer Bestandteil aller Überlegungen. Allerdings mit Gas, was jetzt ein bisschen schwierig wird.
Aber damit sind wir beim Kernproblem: Der marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismus hin zur Dekarbonisierung über die Preise für fossile Brennstoffe kann nur funktionieren, wenn es für diese Alternativen gibt. Sonst wird es einfach nur teurer, wie wir jetzt schmerzlich sehen.

Denn eigentlich wäre der irre Schub, den der russische Einmarsch in der Ukraine den schon vorher kräftig gestiegenen Preisen für fossile Brennstoffe verschafft hat, ein Grund für Massenflucht in Alternativenergien. In der Praxis passiert, mangels dieser Alternativen auf großtechnischer Basis, aber das genaue Gegenteil. Plötzlich rennt die halbe Welt um Lieferverträge für schmutzige Kohle. „Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“, sollen die alten Dakotas in solchen Fällen empfohlen haben.

Die Lösung hieße: starke Umleitung der Fördermittel in Forschung und Entwicklung. Die ist nämlich, auch das ist eine Folge des Versuchs, die Energiewende rein über den Preis zu regeln, stark zurückgeblieben. Genau genommen haben sich die anteilsmäßigen Ausgaben für F&E seit Beginn dieser auf bloßer Fossil-Verteuerungspolitik basierenden Energiewendepolitik halbiert. Der Fokus lag ja ganz woanders als auf neuen Speichertechnologien.
„Das Öko-Energieproblem“, schreibt Lomborg folgerichtig, „wird durch Innovation gelöst, nicht durch Preissteigerungen“. Und, muss man sagen, durch Hinterfragen von Tabus. Kernkraftwerke der vierten Generation könnten durchaus zu einer Stabilisierung der Stromversorgung beitragen.

Und für die Übergangszeit wäre es vielleicht auch überlegenswert, umweltverträgliches Fracking (ein solches Verfahren hat ja die Leobener Montanuni entwickelt) der reichlich vorhandenen Gasfelder in die Betrachtung einzubeziehen. Statt, wie jetzt, europaweit 500 Millionen Euro pro Tag Herrn Putin und seinen Freunden zu überweisen. Aber da sind wir jetzt wohl schon zu weit im ideologischen Minenfeld . . .
E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Die Presse

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