Finanzminister Lindner bringt anstelle der umstrittenen Umlage für in Not geratene Unternehmen eine Preisbremse ins Spiel
Die Gasrechnungen der kommenden Monate – das sind jene Schreiben, vor denen sich Millionen Deutsche jetzt schon fürchten. Dazu trug, zumindest bis jetzt, auch ein Blick in den Kalender bei.
Denn am 1. Oktober soll in Deutschland die umstrittene Gasumlage in Kraft treten. Der ursprüngliche Plan: Mit einem Aufschlag von 2,4 Cent pro Kilowattstunde Erdgas sollen Gasnutzerinnen und Gasnutzer jene Importeure stützen, die derzeit wegen der Gasknappheit enorme Kosten haben, um überhaupt Ersatz zu kaufen.
Zuständig für die Umsetzung der umstrittenen und vieldiskutierten Umlage ist das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium von Robert Habeck (Grüne). Doch nun scheint ohnehin alles anders zu kommen.
Denn in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP verliert das Projekt immer mehr an Rückhalt. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Woche zum Ende der Gasumlage kommen“, sagt etwa SPD-Chefin Saskia Esken. Und auch ihr Co-Chef Lars Klingbeil (44) erwartet in den nächsten Tagen eine neue Entscheidung: „Ich glaube, Politik muss die Kraft haben, Fehler zu korrigieren.“
Habeck selbst ist auch kein Fan seines eigenen Werks, schließlich werden dadurch Millionen Deutsche belastet. Doch zunächst wollte er mit dem zusätzlich eingenommenen Geld strauchelnde Gasimporteure wie Uniper stützen. Allerdings hat der Bund mittlerweile beschlossen, Uniper in einer Notoperation lieber zu verstaatlichen, damit dieser größte Gasimporteur Deutschlands nicht zusammenbricht.
Staatskonzern ohne Stütze
Danach meldete Habecks Haus verfassungsrechtliche Bedenken bei der Gasumlage an. Tenor: Ein Staatskonzern muss nicht mehr von Gaskunden unterstützt werden.
Nichts gegen die Gasumlage hatte zunächst hingegen der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP), weil er – angesichts der noch zu erwartenden Rettungsaktionen von Unternehmen – um seine Schuldenbremse fürchtet und das Steuergeld zusammenhalten will.
Doch nun stellt sich bei Lindner plötzlich „immer mehr die wirtschaftliche Sinnfrage“, wie er es in der Bild am Sonntag formulierte. Er hat eine neue Idee: „Wir haben eine Gasumlage, die den Preis erhöht. Aber wir brauchen eine Gaspreisbremse, die den Preis senkt.“
Am Montag wurde er natürlich gefragt, wie das denn finanziert werden solle. „Ich verstehe Ihre Neugier“, so Lindner. Aber Details wollte er noch nicht bekanntgeben. Klar ist für ihn nur eines: Die Schuldenbremse muss 2023 nach drei Jahren Ausnahmezustand wegen Corona wieder eingehalten werden.
Dass eine Preisbremse die Regierung einiges kosten würde, zeigt eine Auskunft des deutschen Wirtschaftsministeriums an die Linkspartei, aus der das Redaktionsnetzwerk Deutschlandzitiert. Um den Endverbraucherpreis bei Gas um einen Cent je Kilowattstunde zu senken, wäre aus der Staatskasse ein Betrag von 2,5 Mrd. Euro nötig.
Beim Strom wären es 1,3 Milliarden Euro pro Cent und Kilowattstunde. Beim Gas könnte eine Familie so rund 200 Euro sparen, Single-Haushalte 50 Euro. Im Gegensatz zu Österreich ist die Strompreisbremse in Deutschland noch nicht beschlossen. Wie Entlastungen konkret aussehen können, wird noch diskutiert.
Der Standard