Die Erneuerbaren als Preisbremse

25. September 2023

Strom. Stark fallende Preise an der Energiebörse kommen nur schleppend bei den Endverbrauchern an. Die Gemengelage aus staatlichen Kostenzuschüssen, Strom-Importabhängigkeit und zögerlichem Ausbau der Erneuerbaren ist komplex.

Zuerst die gute Nachricht: Der Österreichische Strompreisindex (ÖSPI), veröffentlicht von der Österreichischen Energieagentur, fällt im Oktober 2023 gegenüber dem Vormonat um 10,8 Prozent. Im Vergleich zum Oktober des Vorjahres 2022 liegt der ÖSPI sogar um 36,1 Prozent niedriger. Der ÖSPI bildet übrigens nur die reine Energiekomponente ab, die rund 60 Prozent des Gesamtpreises für Strom beim Endkonsumenten ausmacht. Die restlichen 40 Prozent entfallen auf Netzgebühren, Steuern und Abgaben. Ein Steigen beziehungsweise Fallen des ÖSPI lässt daher nur eine entsprechend geringere Erhöhung oder Senkung des gesamten Strompreises erwarten. Was die Haushaltspreise für Strom betrifft, sind diese laut Energieagentur im Jahresvergleich (Juli 2022 bis 2023) um 4,2 Prozent gesunken, liegen damit aber immer noch um 5,5 Prozent über den Preisen im Juli 2021. Es ist eben alles relativ, auch beim Strom.

Verwirrung bei den Preisen

Wen die divergierenden Zahlen von Preisindex und Haushaltspreisen verwirren, dem sei gesagt, dass wichtige Faktoren, die den Strompreis beeinflussen, im ÖSPI nicht berücksichtigt werden. Die Rede ist insbesondere von den Beschaffungsstrategien der Energieversorger. Mit dem ÖSPI kann also laut Energieagentur keine Aussage getroffen werden, wie die Energieanbieter ihre Preise gegenüber den Endkunden tatsächlich gestalten. Hier lässt sich trefflich die inhaltliche Brücke zu Für und Wider bei der staatlichen Stromkostenbremse schlagen, die mit 1. Dezember 2022 in Kraft getreten ist.

Ein Teil der Stromkosten (Grundbedarf) wird seitdem vom Bund übernommen. Den Stromkostenzuschuss erhaltenprivate Haushalte miteinem aufrechtenStromvertrag. Die Förderung läuft insgesamt 19 Monate lang und endet am 30. Juni 2024. Die Strompreisbremse soll den Grundbedarf an Strom günstiger machen. Pro Haushalt beziehungsweise Zählpunkt werden maximal2900 Kilowattstunden Strom pro Jahr gefördert. Die genaue Höhe des Stromkostenzuschusses hängt von den Energiepreisen ab, den Haushalte bezahlen. Die staatliche Maßnahme, die Endkundenpreise senkt, steht allerdings zugleich in der Kritik, den Preiswettbewerb zwischen den Anbietern zu dämpfen. Fakt ist, dass der staatliche Zuschuss für Stromanbieter zu wenig Anreize bietet, ihre Preise signifikant zu senken − und ebenso wenig die Motivation der Verbraucher stärkt, mit Energie sparsam zu sein.
Während die Strompreise an der europäischen Energiebörse (EEX) zuletzt stark gefallen sind, haben Endverbraucher davon noch nicht viel zu spüren bekommen. Zwar mehren sich die Angebote der österreichischen Landesenergieversorger, um Kunden den Umstieg in neue Tarife anzubieten, aber die Sache hat mitunter einen Haken.

Undurchsichtige Neutarife

So ist das Vergleichsportal durchblicker.at nach einem Angebotscheck zu folgender Schlussfolgerung gekommen: „Die neuen Tarife sind oftmals undurchsichtig und, wenn man Gratistage, Wechselbonus oder Treuerabatt weglässt, zum Teil sogar teurer als die alten Tarife.“ Das Problem liegt teilweise auch daran, dass die Umstiegsangebote bis Ende des Sommers befristet sind. Im Juli 2024 läuft aber auch die Stromkostenbremse der Bundesregierung aus. „Wenn man jetzt im September einen Neuvertrag mit einjähriger Bindung abschließt, zahlt man dann 2024 noch zumindest zwei Monate den vollen Tarif, weil die staatliche Förderung ausgelaufen ist“, erklärt Stefan Spiegelhofer, Leiter des Bereichs Energie bei Durchblicker. Laut einer Durchblicker-Umfrage unter 1200 österreichischen Haushalten können übrigens rund vier von fünf Haushalten ihren Stromanbieter wechseln, der Rest ist noch vertraglich gebunden. Interessant ist die Frage, wie Stromimporte und Erneuerbare die Strompreise beeinflussen. Österreich importiert rund zehn Prozent seines Stromes aus dem Ausland.

Teurer als in Deutschland

Der stetig anwachsende Stromverbrauch konnte bis heute durch den Zuwachs an eigener Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern nicht kompensiert werden. In den letzten Jahrzehnten hat man dabei vor allem auf Billigimporte aus Deutschland gesetzt. Doch seit dem Jahr 2018 ist Österreich durch die Strompreiszonentrennung vom deutschen Strommarkt, dem liquidesten Europas, phasenweise entkoppelt. Schon im ersten Jahr nach der Trennung war Strom um durchschnittlich 3,40 Euro pro Megawattstunde teurer als in Deutschland. Im Jahr 2022 lag die Differenz im Mittel bereits bei über 25 Euro pro Megawattstunde, mit Monatsspitzen von weit über 40 Euro pro MWh, Tendenz steigend. Die geschätzte zusätzliche Belastung der österreichischen Endverbraucher lag laut der Wirtschaftskammer Österreich im Vorjahr bei einigen Hundert Millionen Euro.

Sinkende Kosten

„Die Strompreise werden durch die Preise von Erdgas und Kohle bestimmt“, erklärt Harriet Fox vom Klima- und Energie-Thinktank Ember, und fügt an: „Zum Glück hat Europa bereits mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien begonnen, denn diese bewirken eine größere Versorgungssicherheit, eine saubere Erzeugung und Kosteneinsparungen.“ Gemäß einer Berechnung der Internationalen Energie-Agentur sparten erneuerbare Energien Europa im Jahr 2022 rund 160 Milliarden Euro. „Die Kosten für erneuerbare Energien sind in den letzten zehn Jahren drastisch gesunken, und je mehr erneuerbare Energien in das System aufgenommen werden, desto mehr werden sie die teuren und schmutzigen fossilen Brennstoffe verdrängen“, erläutert die Expertin.

Preisbremse Wind

Dass nur durch zusätzliche erneuerbare Stromerzeugung die Strompreise wieder langfristig stabilisiert werden können, glaubt auch Stefan Moidl von der Interessengemeinschaft Windkraft Österreich. Laut dem Geschäftsführer braucht das Land für die Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Emissionsreduktion besonders den Windkraftausbau, um die Winterlücke rasch zu schließen. Karina Knaus von der Österreichischen Energie-Agentur bestätigt: „Der Ausbau speziell der Windkraft ist besonders relevant, weil derzeit vor allem im Winter der Strom aus Gaskraftwerken den Strompreis deutlich in die Höhe treibt.“

Ernüchternd ist insofern, dass sich selbst nach zwei Jahren Gaskrise in Europa die Ausbausituation der Windkraft in Österreich nicht wesentlich verbessert hat. „Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz und der Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes wurden auf Bundesebene zwar wichtige Änderungen vorgenommen, in den Bundesländern fehlen jedoch nach wie vor die meisten nötigen Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen“, fasst Moidl zusammen.

Auf einen BlickDie Großhandelspreise für Strom sind im Oktober diesen Jahres um 36,1 Prozent niedriger als im Oktober 2022. Die Haushaltspreise für Strom sind im Jahresvergleich (Juli 2022 bis 2023) um 4,2 Prozent gesunken, liegen damit aber immer noch um 5,5 Prozent über den Preisen im Juli 2021. Die neuen Tarife der Energieanbieter sind laut Experten oftmals undurchsichtig und, wenn man Gratistage, Wechselbonus oder Treuerabatt weglässt, zum Teil sogar teurer als die alten Tarife. Der anwachsende Stromverbrauch in Österreich konnte bis heute durch den Zuwachs an eigener Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern nicht kompensiert werden. Der Ausbau der erneuerbaren Energien bewirkt eine größere Versorgungssicherheit, eine saubere Erzeugung und Kosteneinsparungen.

von Christian Lenoble

Die Presse

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